Die schlimmen Verwandten der braven Familie

schlimmen Verwandten braven Familie
schlimmen Verwandten braven Familie(c) Fabry
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Wenn ein Sportwagen zu teuer ist oder einfach nicht in den Alltag passt, bieten "Hot Hatches2 eine wunderbare Alternative. Mazda3 MPS und Opel Astra OPC sind zwei erstklassige Vertreter des Genres.

Der Hatchback, wie er fast überall auf der Welt genannt wird, steht ja für das Grundvernünftige. Wir nennen diese Autos Kompakte: vorn lang, weil dort Motor und Antrieb, hinten praktisch, weil mit großer Heckklappe (=hatch), das Ganze maximal viereinhalb Meter lang. Ford Focus, Opel Astra, Mazda3, vor allem aber VW Golf: Autos diesen Formats machen bei uns den größten Anteil überhaupt aus.

Der brave Hatchback hat aber einen schlimmen Verwandten. „Hot Hatch“ heißt die kräftig motorisierte Variante im Kleid des Gutbürgerlichen. Auch hier ist zuvorderst ein Golf zu nennen, denn bei uns kennt man die „heiße Klappe“ unter einem prägnanten Kürzel: 110 PS reichten dem Golf GTI im Jahr 1976, um einen Mythos zu begründen – und in der Folge ein ganzes Genre.

Heute gibt es eine reichhaltige Auswahl aus Marken und Modellen, ein Hot Hatch gehört von Alfa über Ford und Mini bis Renault und sogar Škoda einfach ins Sortiment. Und es gibt wesentlich mehr Leistung als in den frühen Tagen. Der aktuelle Golf GTI beschreibt mit 210PS heute nur noch den Einstieg ins Fach.

Für Luft und Look

Gemeinsame Merkmale aller Vertreter, neben den Extra-PS: gestraffte Fahrwerke und erhöhtes Spoiler-Aufkommen, um den Ansprüchen von Aerodynamik und optischem Auftritt Genüge zu tun. Alltagstauglichkeit? Bleibt in aller Regel voll erhalten, und weil die Wilden aus der braven Großserie abgeleitet sind, bleiben die Preise in Reichweite – jedenfalls verglichen mit Sportwagen. Aber wie nahe kann ein Hot Hatch einem echten Sportwagen kommen?

Der Mazda3 MPS bietet schon einmal einen guten Einstieg. Auf der Motorhaube klafft eine große Hutze, die auf einen Ladeluftkühler schließen lässt. Jawohl, ohne Turbo geht in diesem Fach nichts mehr, er zaubert die Leistung aus einem Hubraum, den man zu Sparzwecken lieber kleiner hält. Richtig mini ist der Mazda-Motor mit 2,2 Litern allerdings noch nicht.

Was Spoiler und Heckflügel angeht, die den MPS reichlich zieren: Wer sich an derlei stört, gar ästhetisches Befremden äußert, darf sich als außerhalb der Zielgruppe stehend betrachten und anderweitig Zerstreuung suchen.

Fortsetzung innen: Zwischen Tacho und Drehzahlmesser ist der Ladedruck des Turbos permanent eingeblendet. Sonst unverdächtiges Interieur: knuffige, aber nicht unbequeme Ledersitze, kaum Unterschiede zu einem normalen Mazda3 (wiewohl in Komplettausstattung, die der MPS mitbringt).

Das ändert sich aber ziemlich schnell. Die strafferen Dämpfer und Federn könnte man noch eine Weile übersehen – ungebührlich hart sind sie dankenswerterweise nicht –, aber wenn der Motor einmal Luft holt und die 3000 Touren gewinnt, hält man das Lenkrad besser fest in der Hand.

Nicht nur, weil das Auto einen gewaltigen Satz nach vorn macht: Torque Steer nennt man den unerwünschten Nebeneffekt, wenn viel Leistung allein per Vorderachse auf die Straße finden muss – es reißt gehörig am Volant. Die Elektronik im Mazda hilft per Drosselung des Drehmoments, das in den Griff zu kriegen, und mit der Zeit entwickelt man auch neben einem eisernen Griff das feine Zusammenspiel zwischen Lenkradstellung, Tempo und Drehzahl, sodass der Hammer nicht im falschen Augenblick fällt und die Vorderachse, die keine Differenzialsperre zu bieten hat, kalt erwischt.

Der MPS gibt in allen Lagen eine gute Figur ab, auf Dauer schätzt man aber des 3ers allgemein unkompliziertes, freundliches Wesen, das man sich mit einem alleweil kampfbereiten Motor in der Hinterhand besonders gern gefallen lässt.

Von anderem Schrot und Korn ist der Astra OPC. Verringerte Bereitschaft zu Kompromissen vermittelt schon die Coupébasis. Zu Buche stehen 280 PS aus zwei Litern Hubraum, und es ist nicht zu überhören, wie der Turbo zustatten geht. Ein wütendes Fauchen beherrscht den Raum, alsbald der Ladedruck hochschießt, und fast mit einem Ausdruck der Enttäuschung lässt er es den Fahrer hören, wenn dieser am Gaspedal zaudert und der überschüssige Druck per Wastegate ins Freie abgelassen wird. Wer für derlei Motorgebaren etwas übrig hat, sitzt schon einmal im richtigen Auto.

Das Label OPC steht zudem weniger für gepflegte Übermotorisierung als für echte Sportlichkeit, obwohl der Astra nicht unbequem und mit gut 1,5 Tonnen kein Purist ist. Die Vorderachse kommt mit der Leistung wesentlich besser zurecht als der Mazda. Kollegen vom Fachblatt „Sport Auto“ ermittelten auf der Nordschleife des Nürburgrings eine Zeit von 8,20 Minuten, das weist den Astra OPC auch in der Praxis als bislang schnellsten Serien-Opel aus. Bedeutender: Kaum ein Hot Hatch kommt echten Sportwagen näher als der Astra – und keiner zu diesem Preis.

Auf einen Blick

Mazda3 MPS

Maße: L/B/H: 4505/1770/1460 mm. Radstand: 2640 mm. Gewicht: 1385 kg. Kofferraum: 340 Liter.

Motor: R4-Zylinder-Turbo-Otto, 2261 cm. 191 kW (260 PS) bei 5500/min. 380 Nm bei 3000/min.

0-100 km/h in 6,1 sec. Vmax: 250 km/h. Testverbrauch: 10,8 l/100 km.

Preis: 36.590 Euro.

Auf einen Blick

Opel Astra OPC

Maße: L/B/H: 4466/1840/1489 mm. Radstand: 2695 mm. Gewicht: 1550 kg. Kofferraum: 400 Liter.

Motor: R4-Zylinder-Turbo-Otto, 1998 cm. 206 kW (280 PS) bei 5500/min. 400 Nm bei 2500/min.

0-100 km/h in 6,0 sec. Vmax: 250 km/h. Testverbrauch: 11,0 l/100 km.

Preis: 35.390 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2013)

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