Das Automobil: Die Geschichte einer Zähmung

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Seit 1977 würdigt die TU-Wien Meilensteine im Autobau. Die prämierten Arbeiten stehen auch für Erfordernisse ihrer Zeit: In den 1970ern die Sicherheit, heuer die Zähmung von Abgasen.

Unglaublich, mögen Führerscheinneulinge heute denken, mit welchen Autos man früher auf die Straße gelassen wurde! Legen wir den Retourgang ein und schieben zurück bis Mitte der 1970er-Jahre, als in Autos noch kein ABS über die Bremsen wachte, kein ESP vor dem Schleudern schützte und kein Airbag den Kopf sanft bettete, wenn es sich einmal nicht ausgegangen ist: geradezu fahrlässig!

Es war eben die Zeit, in der Kinder noch unbekümmert den Platz zwischen den Vordersitzen okkupierten und den unverstellten Blick auf das Straßengeschehen genossen (obwohl, streng genommen, der Autokindersitz schon in den 1960ern erfunden wurde). Entsprechend hoch war die Zahl der Verkehrstoten, die in Österreich in jenen Tagen ihren Höchststand erreichte: 1970 kamen über 2500 Menschen im Straßenverkehr um, 1975 lag die Bilanz nur knapp darunter – nahezu das Fünffache von heute (2012: 522 Tote), bei mittlerweile mehr als verdoppeltem Fahrzeugbestand, wohlgemerkt.

Niedlicher Pralltopf

Keine Frage: Das Auto der 70er war überreif für einen Technologie- und Innovationsschub, der es in den nachfolgenden Jahrzehnten dramatisch sicherer machen sollte. Zu den guten Ideen, die schon früh kursierten, fand sich langsam auch die benötigte Technik, die sie wirksam umzusetzen vermochte. So wurde aus dem niedlichen Pralltopf am Lenkrad, der den Kopf des Fahrers – dieser freilich noch unangeschnallt, davon ging man aus – einigermaßen sanft empfangen sollte, der lebensrettende Airbag, der heute an allen Ecken und Enden im Auto aufpoppt, wenn es fester knallt.

Dass Sicherheit spätestens in der Zeit der absoluten Schreckenszahlen zum ganz großen Thema der Autoindustrie und ihrer Forschung wurde, belegt auch ein Blick auf die Träger des Ferdinand-Porsche-Preises, der seit 1977 von der Technischen Universität Wien alle zwei Jahre vergeben wird. Dabei war der Preis keineswegs nur für Sicherheitseinrichtungen gedacht. Gestiftet wurde er 1976 von Louise Piëch-Porsche, der Tochter von Ferdinand Porsche.

Höchst dotiert

Dies gerade rechtzeitig, um die großen Meilensteine zu würdigen, die von da an, Schlag auf Schlag, die alltägliche oder auch extratourliche Autofahrt zu einem weit weniger riskanten Unterfangen als bislang machen sollten.

Bis heute ist der Porsche-Preis mit 50.000 Euro der weltweit höchst dotierte auf dem Gebiet, zu den strengen Kriterien gehört auch, dass die Arbeit bereits Eingang in die Praxis gefunden haben muss – brillante Ideen allein reichen also nicht.

Begonnen hat es mit dem eher spröde anmutenden Begriff des „negativen Lenkrollradius“, für den 1977 ein gewisser Detlev Banholzer von Volkswagen ausgezeichnet wurde.

Epochale Innovation

Die Innovation war der Öffentlichkeit nicht ganz einfach zu vermitteln: zu technisch, und auch noch negativ. „Spurstabilisierend“ klang da schon besser: Die Einrichtung sorgte jedenfalls dafür, dass sich die Lenkung eines Autos sowohl beim Geradeausfahren als auch beim Bremsen und auf schlechter Straße besser kontrollieren ließ.

1981 wurde eine epochale Innovation gewürdigt: das Antiblockiersystem, entwickelt von Mercedes-Benz und Bosch. Dass ein Fahrzeug auch bei einer Vollbremsung auf rutschigem Untergrund lenkbar bleibt und annehmbar verzögert, das hatte auf Jahrzehnte wohl den größten Impact auf Unfallzahlen – durch Unfälle, die dank „Stotterbremse“ eben vermieden wurden. Entsprechend hoch die Einbaurate in Pkw, die seit geraumer Zeit bei 100 Prozent liegt und mittlerweile auch bei Motorrädern stark zunimmt.

1983 ging der Preis an Jörg Bensinger von Audi für das Projekt Quattro, das zwar nicht die Erfindung des Allradantriebs war, sicher aber der bedeutendste Schritt, ihn – platzsparend und störungsfrei – in modernen Pkw unterzubringen.

Hans Mezger wurde 1985 für den Formel-1-Motor von Porsche ausgezeichnet. Zweifellos imposant: Aus einem Hubraum von 1,5 Litern holten Porsches Ingenieure 850 PS (notfalls auch mehr). Wir aber fragen uns an dieser Stelle: Hatte der von Louise Piëch gestiftete Preis eine Schlagseite?

Der Blick auf 18 Jahrgänge sagt: eher nicht. Neun Auszeichnungen gingen an die erweiterte Volkswagenwelt samt Porsche, elf an fremde Marken und Konzerne (Doppelnennungen berücksichtigt).

Endlich Volvo

Weiter im Programm: 1987 wurde Mercedes für den Airbag gewürdigt, gleichzeitig auch Audi für Procon-ten. Wer sich nicht mehr an die große Werbekampagne erinnern kann: Das System zog die Lenksäule bei einem Frontalcrash vom Fahrer weg, statt ihn durch diese zu verletzen. 1989 freute sich der Österreicher Heribert Lanzer von Steyr über den Preis für seine Viscomatic. Das System einer Kraftverteilung für den Allradantrieb war zwar kein kommerzieller Erfolg, brachte Steyr aber wertvolles Know-how auf dem Gebiet. Nach dem Turbodiesel-Direkteinspritzer (Audi) und der Antischlupfregelung (Bosch) war 1995 endlich Sicherheitspionier Volvo dran – für den ersten Einsatz eines Seitenairbags, wie er heute ebenfalls schon zur Standardausrüstung eines Pkw gehört.

Ähnliches gilt für das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP), für das 1999 Bosch und Mercedes (damals Daimler-Chrysler) geehrt wurden und das demnächst obligatorisch für Neuwagen in der EU sein wird.

Nach der Valvetronic (BMW), dem 18-Wege-Sitz (Johnson), synthetischen Kraftstoffen (VW, Shell) und der Karbon-Keramik-Bremse (SGL) kündigten sich 2009 die Schwerpunkte der Jetztzeit an, und zwar 2009 mit dem Einsatz der Lithium-Ionen-Batterie im Auto (Continental, Mercedes). Schön herzeigbar der Preisträger 2011: LED-Lichttechnologie (Audi plus Zulieferer). Ein reizvoller Wegpunkt: Ein gut ausgestattetes Auto von heute verfügt inklusive LED über fast alle Einrichtungen, die in 35 Jahren mit dem Porsche-Preis ausgezeichnet wurden. Alle Systeme wurden und werden verfeinert, keines von ihnen erwies sich als redundant.

Damit sind wir beim diesjährigen Preisträger: Magnus Mackaldener, Entwicklungsingenieur beim schwedischen Lkw-Hersteller Scania, wurde für eine besonders effiziente und kompakte Abgasreinigungsanlage für schwere Lkw geehrt. Die nicht sehr fotogene, 130 kg schwere Kiste reduziert Stickoxide im Abgas auf die strengen Erfordernisse von Euro 6. Magnus Mackaldener: „Es ist weniger ein Auspuff, mehr eine kleine Chemiefabrik.“ Den Preis will er mit seinem Team teilen.

Ausgezeichnet und unbezahlbar: Träger des Porsche-Preises

Der Ferdinand-Porsche-Preis wurde 1976 von Porsche-Tochter Louise Piëch ins Leben gerufen. Mit 50.000 Euro ist er der höchst dotierte Preis der Automobilbranche, vergeben wird er alle zwei Jahre von der TU Wien. Neben qualitativen Kriterien ist auch die Erprobung in der Praxis – also im Serienbau – Voraussetzung für eine Vergabe.

Zu den epochalen Innovationen, die mit dem Porsche-Preis ausgezeichnet wurden, zählen das Antiblockiersystem ABS (1981, Mercedes), der Airbag (1987, Mercedes) und das Elektronische Stabilitätsprogramm ESP (1999, Mercedes/Bosch).

Neben Sicherheitsthemen wurden auch Technologien für Komfort und Effizienz ausgezeichnet – so Quattro (1983) und der 18-Wege-Sitz (2003), aber auch der legendäre Turbomotor von Porsche für die Formel 1 aus dem Jahr 1985. Der Sechszylinder mit 1,5 Litern Hubraum lieferte 850 PS (und mehr).

Im Jahr 2011 wurde Audi für die LED-Lichttechnologie (Bild rechts) im Serienbau ausgezeichnet.

Preisträger des Jahres 2013: Magnus Mackaldener (Bild rechts), der für den schwedischen Truck-Hersteller Scania eine effiziente und kompakte Abgasreinigung entwickelte. Das 130 kg schwere Bauteil ermöglicht schweren Lkw bis 500 PS Leistung das Erreichen der Euro-6-Norm im genormten Prüfzyklus.

Mackaldener würdigte ausdrücklich sein Team, mit dem er das Preisgeld zu teilen gedenkt. Allerdings wuchs dieses von sieben Leuten, als Mackaldener die Leitung übernahm, zu heute 50 Mitarbeitern an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2013)

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