BMW: Eine Frage der Einstellung

M6 Gran Coupé: Coupé-Eleganz, aber doch ein Viertürer. Ein schneller.
M6 Gran Coupé: Coupé-Eleganz, aber doch ein Viertürer. Ein schneller.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Nicht weniger als 81 Einstellungen zaubern aus einem blassen Bürohengst einen automobilen Superman: Es wird nie fad im BMW M6 Gran Coupé.

Seit nunmehr 80 Jahren rettet Superman die Welt vor diversen Schurken, 1933 erschien die erste Kurzgeschichte über den Superhelden. Neben übermenschlichen Kräften und einem ausgeprägten modischen Selbstbewusstsein besitzt er die Fähigkeit, sich in Sekundenschnelle vom langweiligen Bürohengst in den muskelbepackten Hüter von Recht und Ordnung zu verwandeln. Was uns auch schon zum eigentlichen Helden unserer Geschichte bringt: Das M6 Gran Coupé von BMW steht dem Comichelden in puncto Wandlungsfähigkeit um nichts nach. Zwar trifft das Blechkleid deutlich besser den geschmacklichen Mainstream als Supermans Kostüm, es als unauffällig zu bezeichnen wäre aber übertrieben.

Speziell die Heckansicht lässt die ganze Pracht des mächtigen Motors erahnen. Aus vier Rohren feuert der Achtzylinder schon im Stand Salven von bassbetontem Gurgeln, die Gassäulen sind noch in anderthalb Metern Entfernung spürbar. Dass BMW beim Klangdesign etwas nachgeholfen hat, weil Turbomotoren nun einmal nicht wirklich toll klingen, geht in Ordnung – wer sich einen Achtzylinder gönnt, soll die Umwelt auch akustisch daran teilhaben lassen. Im Innenraum bleibt die Geräuschentwicklung auf einem Niveau, das auch auf der Langstrecke nicht lästig wird, erst unter Volllast – und diese erreicht man angesichts der Nennleistung von 560 PS eher selten – füllt ein kerniges Röhren den Innenraum. Wie überhaupt die Atmosphäre geschäftsmäßig kühl und nüchtern wirkt. Das Technikfeuerwerk verbirgt sich hinter viel Leder, etwas Holz und vergleichsweise wenigen Schaltern. Der große Bildschirm in der Mitte unterhält hauptsächlich den Beifahrer, der Chauffeur bekommt seine Informationen ins grafische Armaturenbrett und über das Head-up-Display in die Windschutzscheibe gespiegelt.

Schrittweise steigern

Die Sitze lassen sich BMW-typisch perfekt anpassen, selbst die Seitenwangen der Kopfstützen sind einstellbar. Die Sitzposition bringt den Fahrer unweigerlich in Gefechtsposition, Lümmeln ist nicht vorgesehen. Einmal in Betrieb genommen, ist der Wagen zunächst lammfromm, die Defaulteinstellungen der diversen Kennlinien von Gaspedal, Fahrwerk und Lenkung imitieren das Fahrgefühl einer S-Klasse. Schrittweise lässt sich die Brisanz steigern, bis sämtliche Assistenzsysteme (mit Ausnahme von ABS) deaktiviert sind, die Gänge gnadenlos reingehämmert werden und die Gewalt des Motors ungefiltert auf die mit einem aktiven Sperrdifferential bewehrte Hinterachse stürmt. Dieser Modus zeigt dann auch ungeschönt die Grenzen der Fahrphysik auf, erfordert Konzentration und Respekt vor dem Gerät.

Nicht, dass der M6 ein launisches Monster wäre. Die ausgeglichene Gewichtsverteilung sorgt für eine tolle Balance, der Grenzbereich kündigt sich deutlich an, und über die präzise Lenkung erhält man akkurat Rückmeldung darüber, wie es um den Grip bestellt ist. Mit dem Gaspedal sollte sorgsam umgegangen werden, möchte man nicht zum Dauergast beim Reifenhändler werden, oder gar beim Autospengler. Schnell zeigt sich, dass selbst die überdimensionalen Hinterreifen mit dem gewaltigen Drehmoment überfordert sind, zumal es nahezu von Leerlaufdrehzahl an verfügbar ist.

Dass BMW dem M6 dennoch keinen Allradantrieb verpasst hat, halten wir für eine gute Entscheidung. Damit nämlich ist dieses Auto nicht bloß ein weiteres Alleskönnerluxusschiff, sondern zuallererst ein Fahrerlebnis. In jeweils drei Stufen lassen sich die Parameter Lenkung, Fahrwerk, Gaspedal und Getriebe justieren, zwei Profile mit gewählten Einstellungen lassen sich speichern und können auf Knopfdruck abgerufen werden: je nachdem, ob der Hafer sticht oder Oma mit an Bord ist – die auch auf der Rückbank komfortabel untergebracht ist, so sie nicht zwei Meter misst, denn die Coupé-Form des Viertürers erfordert Kompromisse bei der Kopffreiheit.

Von fast langweilig komfortabel bis gnadenlos direkt beherrscht der M6 alle Spielarten automobiler Charakterzüge, die Verwandlung ist nur einen Knopfdruck entfernt. Dass sich jeder Modus, von zart bis hart, so authentisch anfühlt, als wäre das Auto ausschließlich dafür gebaut, zeugt von Ingenieurskunst auf höchstem Niveau.

Auf einen Blick

BMW M6 Gran Coupé

Motor: V-Achtzylinder mit Doppelturbo, 4395 ccm, 412 kW (560 PS) bei 6000–7000 U/min, 680 Nm bei 1500–5750 U/min, Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe.

Maße: L/B/H: 5011/1899/1393 mm, Radstand: 2964 mm, Leergewicht: 1950 kg. 0–100 in 4,2 sec, Vmax: 250 km/h (elektronisch begrenzt).
Testverbrauch: 11,9 l/100 km.

Preis: ab 156.000 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.