Das Auto wächst uns entgegen

IAA-Trend SUV. Autos mit erhöhter Sitzposition sind in Europa das derzeit gefragteste Marktsegment. Die Mode stellt Hersteller aber auch vor Probleme.

Der Markt spricht eine klare Sprache: Er verlangt nach immer größeren Autos. Nicht allerdings in der Länge, aber in der Höhe. Das erhöhte Sitzen wird als wichtigstes Motiv genannt, wenn die Kaufentscheidung auf ein SUV fällt.

Und in Europa tut sie das immer öfter. Ein SUV-Markt par excellence ist gar Österreich geworden: Im ersten Halbjahr 2013 entfielen schon über 21Prozent aller angemeldeten Neuwagen auf diese Spezies. Im Jahr 2011 waren es noch 14Prozent. Überhaupt bilden SUVs aktuell das einzige Marktsegment, das zulegt.

Da der Markt insgesamt leicht rückläufig ist, geht das Wachstum auf Kosten klassischer Segmente - es trifft vor allem Limousinen und Kombis der Mittelklasse und stärker noch Minivans. In Deutschland, dem größten Kfz-Markt Europas, ist die Entwicklung mit aktuell etwas mehr als 15Prozent Marktanteil für SUVs ähnlich. Tendenz: steigend.

Kleine auf Stelzen

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass praktisch jeder Hersteller auf der IAA neue Vertreter des Genres auf die Bühne bittet. Besonders gefragt sind freilich nicht die ganz großen Kisten, auch echte Geländewagen spielen innerhalb der Wertung keine bedeutende Rolle: Die SUVs werden immer kleiner und sind nachhaltig im B-Segment angekommen, wo sich Kleinwagen tummeln. Eine Punktlandung dürfte somit Ford mit dem Ecosport hingelegt haben, der auf dem Fiesta basiert. Der Kleine auf Stelzen wird vor allem Opels Mokka Konkurrenz machen. Schon ist ein Beitrag von Volkswagen in Rufweite, er hört auf den Namen Taigun und stammt mit 3,86 Metern Länge vom Kleinstwagen Up ab. Der Marktstart wird noch 2014, sonst Anfang 2015 erwartet. Sein größerer Bruder, der Tiguan, dominiert einstweilen verlässlich das Segment der kompakten SUVs.

Innerhalb des Konzerns begnügt man sich freilich nicht mit zu heiß gewaschenen Mini-SUVs. Die edle Tochter Bentley darf die Messlatte nach oben legen: Der in Entwicklung befindliche SUV wird als teuerster und vermutlich stärkster Vertreter seiner Gattung Rekordmarken setzen. Denn auch die Superreichen haben ihre Liebe zum Hochstand entdeckt und gieren geradezu nach Neuigkeiten. Lamborghini hatte das Rennen um die Entwicklungen zuvor konzernintern an Bentley verloren. Dabei hätten die Italiener die passende Historie parat gehabt: Der Lamborghini LM002 mit V12-Motor sorgte vor 20 Jahren als Vorbote des Edel-SUV-Trends für Angst und Schrecken auf der Autobahn.

England, Italien, Frankreich

Die Gelegenheit hingegen nutzt man bei Maserati, wo ein solches Format in Arbeit ist – da hilft die familiäre Bande zur Fiat-Konzerntochter Jeep. Ein englischer Vertreter ist wiederum bei Jaguar unterwegs, wo man sich des reichlichen Know-hows und der 4x4-Komponenten von Konzernschwester Land Rover bedienen kann.

Gerade noch rechtzeitig war Renault mit dem Captur dran. Der Crossover taugt zwar nicht fürs Gelände, verkauft aber jetzt schon mehr als alle französischen SUV-Versuche bislang. Selbst der Espace-Nachfolger schaut schon verdächtig nach Crossover aus. Den Befreiungsschlag erhofft man sich auch bei Mercedes: Mit dem GLA kann man endlich gegen den erfolgreichen BMW X1 antreten.

Kehrseite der Medaille: Der Run auf die Sitzriesen erleichtert den Herstellern nicht gerade das Erreichen künftiger CO2-Ziele. Selbst ein geringer Mehrverbrauch zu konventionellen Formen – ein halber Liter/100km ist dank größerer Stirnfläche das Mindeste – bereitet den Strategen Kopfschmerzen. Bleibt immer noch das Wundermittel Elektrifizierung: Einmal mehr verblüfft der kalifornische Hersteller Tesla die Branche mit seinem Model X, das Allradantrieb, hohes Sitzen und null Emissionen unter einen Hut bringt – und das schon 2014.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2013)

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