Roadstermusik: Schall und Fauch

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit dem F-Type hat sich Jaguar neu erfunden. Die Marke erscheint jünger und aufregender. Mit 380PS starkem Sechszylinder ist ein extrem freudvoller Sportwagen gelungen.

Als wir den Motor anwerfen, hat es draußen neun Grad. Der Drei-Liter-V6 nimmt nicht bloß den Betrieb auf, er lässt mit einem kurzen Drehzahl-Bellen alle in der Nähe wissen, dass er ausreichend geruht hat und nun bereit ist für muntere Taten. Bei zwölf Grad, so der Vorsatz, würden wir das Verdeck zurückschlagen und uns fragen, ob dieses Auto den Schnupfen wert ist, den wir uns bei einer zugigen Ausfahrt an diesem Tag im Spätherbst wohl einfangen werden.

Ein Roadster ist eben nicht nur eine Karosserieform, sondern auch eine Haltung. Zwei Sitzplätze, nur vom Fahrtwind bedeckt, ein kräftiger Motor, hoffentlich Heckantrieb und kein Platz für irgendwas: In dieser Art von Auto sucht man nicht Parkplätze, sondern Erbauung. Aber die muss man auf der Straße erst einmal finden. Also: Kragen aufstellen, Sitzheizung einschalten, auf dass der Sechszylinder die weiter entfernten Partien wärmen möge.

Knapp geschnitten

Das puristische Konzept, das eine Zeitlang vor Erscheinen des Autos kursierte, und sei es als Wunschdenken, ist es bekanntlich doch nicht geworden: Der Jaguar F-Type ist weder ultraleicht noch übertrieben kompakt zu nennen. Im Maschinenraum will auf Wunsch ein stattlicher Fünfliter-V8 in Kompressor-Begleitung Platz finden, da darf die Motorhaube nicht zu knapp geschnitten sein. Aber schon mit Sechszylinder hat man die 1,6 Tonnen hinter sich gelassen. Der F-Type wiegt auf dem Papier knapp 100kg mehr als ein 911er-Cabrio, bei allen Alu-Leichtbau-Mirakeln. Aber ist das auch Grund, Beschwerde zu führen?

Spätestens bei Kilometer 67, zwischen Hainfeld und dem Zweirad-Elysium Kalte Kuchl, wissen wir um die Bedeutungslosigkeit von Zahlen. Die Biker fahren alle wieder Dieselkombi und haben die Kurven in der Gegend freigegeben. Auf diesem Schauplatz liefert der F-Type seine Vorstellung: fulminant, mitreißend, klanggewaltig.

Blechblasinstrument

Dermaßen plärrt der 380PS starke V6 seine Lust am Wüten ins Freie, dass man sich an alte Rennwagen erinnert fühlt. Es röhrt, brabbelt, spotzt und knallt. Das mittig angebrachte, doppelte Endrohr ist tatsächlich auch so liebevoll wie ein Instrument ausgeführt, zwei Trompeten, hinter denen ein Kompressor Luft holt wie Dizzy Gillespie. Ein ungewöhnliches Konzept dieser Tage, da alle auf Turbo setzen. Der F-Type spricht spontan an wie ein großer Saugmotor, nur dass der schiere Schub der Aufladung freilich nicht ausbleibt. Auch wurde es kein Doppelkupplungsgetriebe – man vermisst es nicht, denn die Achtgang-Automatik des Jaguar lässt einen nie warten.

Hand vor die Augen

Vielmehr beweisen die Ingenieure sportliche Gesinnung: Der manuelle Modus ist ein echter solcher, der eingelegte Gang wird bis tief in den Drehzahlbegrenzer gehalten. Das Hantieren an den Paddles ist damit mehr als ein schnell abgenützter Gag. Die Automatik ist so schnell, dass man beim Schalten im Powerslide nicht den Anschluss verliert (freilich trägt auch das fette Drehmoment seinen Teil dazu bei). Das ESP lässt sich ausblenden, die elektronische Gouvernante hält bei Bedarf die Hand vor die Augen. Das ist nicht besonders fahrlässig: Der F-Type lässt eine nahezu perfekte Achsbalance erkennen, nur mit Gewalt lässt er sich ins Untersteuern treiben.

Noch so ein Erkennungszeichen von Racer-Gesinnung: Hat man einmal den Sportmodus, hübsch symbolisiert durch die Chequered Flag, aktiviert, bleibt der auch nach dem Neustart im Programm. Durchaus zu Recht: Das verschärfte Set-up passt dem Auto, entspricht seinem Wesen. In all diesen kleinen, aber essenziellen Dingen unterscheidet sich der Jaguar von zuletzt schwachen deutschen Roadster-Jahrgängen.

Angesichts der Freuden, die der F-Type am Lenkrad entfacht, scheint es fast banal, das Bordsystem zu loben. Oder die vielen netten Details: Beim Entriegeln schnalzen die vollständig versenkten Griffe aus den Türen. Blickt man ab 100 km/h in den Rückspiegel, grüßt der aufgestellte Heckflügel mit springender Katze. Front, Flanke, Heck: Stets auf Neue lassen sich dem F-Type spannende Perspektiven entlocken. Mit dem Roadster hat die Jaguar-Landrover-Gruppe ihre zweite Landmark geschaffen. Das lässt selbst für einen kommenden Jaguar-SUV einiges erhoffen. Der F-Type, wie wir ihn ausführen durften, ist mit 98.900 Euro angeschrieben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2013)

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