Der letzte der aufrechten Schweden

(c) Renault
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Der V70 steht für den klassischen Volvo-Kombi. Doch das Format gehört auch bei den Schweden schon unter Artenschutz gestellt. Am besten genießt man ihn mit Fünfzylinder - eine Delikatesse, deren Ende bereits eingeläutet ist.

Die Ahnenfolge der Baureihe reicht bis zum Amazon zurück, bis in die Eingeweide der Markengeschichte. Über Jahrzehnte gab es Kombivarianten, die absolut stilbildend waren und das Bild von Volvo stärker prägten als die Limousinen. Womit fuhren Ärzte, Anwälte, Architekten aus dem Bundesstaat New York zu ihrem Haus am See in Maine? Im großen Volvo-Kombi.

Nach 140, 240, 740 und 850 bog der Kombi in eine eigene Nomenklatura ab: V70. Aufrecht, kantig, wunderbar ungelutscht im Abgang – ein richtiger Kombi eben, einer der letzten ohne die heute unvermeidbaren sportlichen Attribute. Jetzt stellt sich die Frage, wer ihn auf dem Gewissen hat.

Herz hinter Kante

Der Zeitgeist natürlich. Volvo verkauft heute zehnmal mehr vom XC60 als vom V70. Fairerweise muss man aber sagen, dass Volvo im SUV-Fach ein besonders gutes Händchen bewiesen hat, XC60 und 90 sind glaubwürdige Schweden. Für Romantiker schlägt das Herz der Marke aber immer noch hinter der großen Kante, der steil abfallenden Heckklappe (freilich: heute auch schon aerodynamisch optimiert, kein Vergleich zu den früheren Werkstoren).

Das Nostalgische wird bei Volvo gerade ziemlich entschlossen aus den Werkshallen gekehrt. Es findet nachgerade eine Transformation statt: Die Reste des teilweise ungeliebten Ford-Erbes werden abgeschüttelt, technisch ist der Einstieg in eine neue Ära schon im Gange. Das Motorenprogramm wird zukünftig mit Vierzylindern bestritten, Benziner wie Diesel.

Damit hat auch der wunderbare Fünfzylinder-Diesel ein Ablaufdatum. Spätestens 2015 wird er aus dem Programm gehoben.

Das Ungerade zum Geraden

Mit diesem Motor kommt das Ungerade zum Geraden. Man schätzt ihn für seine Laufkultur und sein anregendes Timbre beim Hochdrehen. Es gibt diese Bauart kaum noch, gerade Audi pflegt noch einen Five-Pot im TT RS (mit dickem Turbo, das war man dem Quattro-Andenken schuldig).

Weniger schätzen die Konzernstrategen nämlich, dass ein Zylinder mehr auch mehr Reibung bedeutet, und damit mehr Verbrauch. Unter der Bezeichnung D4 wird schon der neue 2,0-Liter-Vierzylinder-Diesel angeboten, nur mit Allradantrieb gibt es noch den Fünftöpfigen mit 2,4 Litern Hubraum. Es ist dann der gleiche Motor wie im D5, nur mit 181 PS statt 215. Richtig sparsam waren wir nicht unterwegs, der Verbrauch zieht eher zu den zehn Litern/100 Kilometer, mehr Reisen übers Land mögen das verbessern. Ein Auslaufmodell, könnte man sagen, oder auch: schnell noch zugreifen.

Der V70 pflegt einen uneitlen Auftritt, stellt aber trotzdem etwas dar. Mit etwas über 4,8 Metern Länge lässt er sich von einem A6 Avant gern übertrumpfen. Scheinwerfer und Kühlergrill machen kein Gesicht, als wollte man jemanden auffressen. Die hochgezogenen Rückleuchten sind als formschöne LED-Säulen ausgeführt.

Ein Oberklasse-Volvo ergibt in Sparausführung keinen Sinn, deshalb erwartet einen größtmögliche Behaglichkeit an Bord mit wunderbaren Ledersitzen und Hi-Fi mit Premiumklang. Nachgerade Pflicht ist die elektrisch betätigte Heckklappe. In üppigem „Summum“-Trimm kostet der V70 denn auch 59.612 Euro.

Jeder Volvo ist dieser Tage mit City-Safety ausgestattet, damit sollte es (bis 50 km/h Fahrgeschwindigkeit) eigentlich keine Auffahrunfälle mehr geben. Das Sicherheitsthema wird bei Volvo aber weniger durch eine Armada an piepsenden, rüttelnden Assistenten dargestellt, sondern durch eine Atmosphäre der Übersicht. Die Navi-Bedienung ist noch etwas umständlich, aber der Bordcomputer, der die meisten Einstellungen an Bord birgt, lässt sich in diesem modernen Klassiker hervorragend übers Tacho-Display bedienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2013)

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