Reprise eines One-Hit-Wonders

  • Drucken

Ein Solist als Lebensnerv eines Herstellers: Bei der Neuauflage des erfolgreichen Crossovers Qashqai durften Nissans Entwickler bloß nichts falsch machen. Das scheint geglückt.

Nissans Bauchladen an Modellen spannt einen bemerkenswerten Bogen: Es reicht vom pionierhaften Elektroauto Leaf, das weltweit meistverkaufte Zero-Emissions-Vehikel, bis zum berüchtigten GT-R, einem über 500 PS starken Supercar, von seinen Fans ehrfurchtsvoll „Godzilla“ genannt. Doch den Zusammenhalt verleiht diesem bunten Repertoire erst der Qashqai, ein Crossover, der 2007 auf den Markt kam – aus der Not geboren, kann man sagen, denn mit bloß einem Nachfolger des gesichts- und glücklosen Almera hätte es damals wohl nicht weitergehen können.

Man darf sich gar fragen, ob und in welcher Form es die japanische Marke, die im Verbund mit Renault vom charismatischen Carlos Ghosn geführt wird, heute ohne den Qashqai gäbe. Doch das Wagnis, eine neue Fahrzeugform zu schaffen, statt mit der alten weiterzutun, dazu einen Namen, den spontan eigentlich niemand richtig aussprechen geschweige denn schreiben kann, wurde belohnt. In erster Generation verkaufte sich der Qashqai zwei Millionen Mal, mit 1,5 Millionen Exemplaren maßgeblich in Europa.

Verwegenes Design

Auch bei uns hat die Mischung aus irgendwie verwegenem Design, hohem Sitzen nach SUV-Manier, Kompaktwagenpreisen und Allradoption den Nerv getroffen. Zeitweise machte der Qashqai mehr als die Hälfte aller verkauften Nissan-Modelle aus – ein One-Hit-Wonder des Herstellers, und ein dauerhaftes noch dazu: Anders als üblich, wenn das Ende des Modellzyklus erreicht ist, verkaufte sich der Qashqai als dankbare Cashcow bis zuletzt sehr ordentlich.

So lässt sich der enthusiastische Schwung, aber auch der Angstschweiß der Entwickler, die am Nachfolgemodell bastelten, erahnen. In dem Format treten mittlerweile mehr als ein Dutzend Konkurrenzmodelle an. Grund für ein neuerliches Wagnis gab es dennoch keinen. Nachschärfen lautet die Devise.

So begegnen wir auf ersten Testfahrten einem Auto, das im wesentlichen die Grundzüge seines Crossover-Wesens vertieft: robust und beschützend wie ein großer Geländewagen auf seinen Fahrer zu wirken, sich dabei aber so pflegeleicht zu gebaren wie ein Vertreter der Golf-Klasse, in der Preise und Verbrauchswerte angesiedelt sind.

So zeitigt der kleinere der beiden Diesel mit 110 PS einen CO2-Ausstoß von 99 Gramm pro Kilometer. Jene 3,8 Liter Spritverbrauch pro 100km sind freilich im unrealistischen Normverfahren erhoben, aber das gilt auch für alle anderen in der Branche.

Keine schlechte Figur machte der kleine Benzinmotor, ein 1,2-Liter-Turbomotor von Renault mit 115 PS. Er gestaltet mit 20.990 Euro den Einstieg in die Baureihe. Ein 150-PS-Benziner wird folgen.

In lichte Höhen schwingt man sich mit dem 130 PS starken 1,6-Liter-Diesel, der sich ab 28.790 Euro mit Allrad oder Automatik kombinieren lässt, nicht aber mit beidem. Bedauerlich, denn das Frisieren der an sich wenig geliebten stufenlosen CVT-Automatik ist Nissan gut gelungen, der Gummibandeffekt ist ihr weitgehend ausgetrieben.

Auch sonst ließ man sich von Kunden den Weg leuchten: Weil die Handbremse durch eine elektrische Parkbremse ersetzt wurde, konnte man Platz für allerhand Ablagen zwischen den Vordersitzen schaffen, tatsächlich kann man sich relativ frei aussuchen, wo man seine gesammelten Utensilien versenken möchte. Einen Zentimeter mehr Kopffreiheit verspricht Nissan zudem, dabei ist der Qashqai nicht nur etwas länger und breiter, sondern auch flacher geworden, was alles zusammen einer dynamischeren Erscheinung dienstbar ist.

Lückenlos das Repertoire an elektronischen Wohlfühl-Goodies, von diversen Fahrassistenten bis zur wählbaren Ambientebeleuchtung und Anschlüssen zur weitreichenden Vernetzung. Und schließlich bettet sich der Qashqai mit dem markanten V-Grill besser erkennbar in den Rest der Palette ein. Vom Erfolgstyp sollen jetzt alle etwas haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.