Bugatti: Überflieger in der Sinnkrise

Bugatti.
Bugatti. (C) WERK
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Die Ära Veyron nähert sich ihrem Ende. Was folgt ihr? Die Marke sucht nach zeitgemäßen Superlativen.

Die meisten von uns, auch jene mit Familie und erhöhtem Platzbedarf, wird die Nachricht hoffentlich nicht aus der Bahn werfen: Bugatti wird seine viertürige Limousine nicht bauen. Das ist nun fix. Der Galibier mit 16-Zylinder-Motor und 1000 PS bleibt somit die Studie, als die er 2009 vorgestellt wurde – bedauerlich zwar, aber das Leben muss irgendwie weitergehen.

Aber wie geht es bei Bugatti weiter? Welche Art von Autos soll eine Marke heute bauen, die ihre Glanzzeiten vor dem Zweiten Weltkrieg gefeiert hat? VW-Patriarch Ferdinand Piëch hatte davon zunächst eine atmosphärische Vorstellung, als sein Konzern 1998 die Namensrechte plus ein paar Immobilien am historischen Unternehmenssitz im elsässischen Molsheim übernahm: „...die Marke an jener Stelle wiederzubeleben, wo sie zur Hochblüte in den Zwanziger- und Dreißigerjahren gestanden hat, also an der automobilen Weltspitze.“

Automobile Entfesselung

Wo genau die aber sein sollte, war in jenem Jahr noch nicht restlos geklärt. Volkswagen ritterte gerade mit BMW um die Übernahme von Bentley, was damit endete, dass Bentley an VW ging und Rolls-Royce an BMW, exakt nach den Wünschen des schlauen Fuchses Piëch. Hätte er Bentley nicht bekommen, wäre Bugatti die Luxuslinie des Hauses geworden.

So blieb nur der Raum oben drüber, was aber weniger als Einschränkung zu sehen ist denn als Entfesselung: Piëch erinnerte sich prompt an die (eigene) frühere Idee eines 18-Zylinder-Motors, unerhört und noch nie da gewesen im Automobilbau.

Gerade dieser Tage hat Bugatti wieder die resultierende Studie von 1999 aus dem Museum gerollt: den Bugatti EB 18/4 Veyron: der Name eine Hommage an den Rennfahrer Pierre Veyron, der 1939 auf Bugatti in Le Mans gewonnen hatte, das Design eine hauseigene Weiterentwicklung eines Entwurfes von Maestro Giorgetto Giugiaro, der Motor ein Monstrum mit 18 Zylindern.

Für die Entwickler begann freilich eine zähe Phase, ein steiniger Weg, auf dem das kühne Konzept zur Serienreife gebracht werden wollte. Piëch gedachte sich zwar mit 16 Zylindern zu begnügen, hielt es aber für richtig, „ein derart unvergleichliches Auto auch mit einer Leistung jenseits von Gut und Böse auszustatten“.

1001 PS sind in diesem Sinn als Wahrzeichen zu verstehen, wie auch der Preis. Mittlerweile mögen sich die Maßstäbe erneut verschoben haben, aber vor einem Jahrzehnt war eine Million Euro für ein Auto ein stramme Ansage.

Nach Art des Hauses

Hinweise, wonach sich das Projekt dennoch nie rechnen würde, ertrug sein Schöpfer gelassen. Bugatti als Leuchtturm der technischen Fähigkeiten des VW-Konzerns, da durften auch 30 Ingenieure drei Jahre lang allein am Getriebe arbeiten – selbstredend, nach Art des Hauses, ein Doppelkupplungsautomat; ein DSG, das es mit sagenhaften 1200 Newtonmeter Drehmoment würde aufnehmen müssen.

Und später noch mehr. Doch schon 2005 waren mit dem ersten Exemplar aus Serienfertigung alle gängigen Rekorde gebrochen: Leistung, Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit. Bald reklamierte eine ambitionierte Bastelbude da und dort, einen dieser Werte übertroffen zu haben, doch immer entpuppten sich die Angaben als nicht haltbar, und niemals, bis heute, waren sie erreichbar für ein einigermaßen umgängliches, für den Straßenverkehr ohne Einschränkungen zugelassenes Auto. Sicherheitshalber ließ Bugatti im Jahr 2010 den Super Sport folgen, 1200 PS stark, bei einer gewagten Rekordfahrt 431 km/h schnell.

Nicht mehr als ein Exemplar verlässt alle ein bis zwei Wochen das „Atelier“ in Molsheim. Zur Käuferschaft zählen durchaus nicht nur Scheichs, die bis hin zur Privat-Boeing schon alles besitzen, sondern auch echte Auto-Enthusiasten, freilich der vermögenden Sorte. Der Veyron ist technisch absolut herausragend, allein der Heckflügel ist das Kunstwerk von Besessenen – von Ingenieuren im Grenzbereich von Genie und Wahnsinn.

Was kann darauf folgen? Mit dem absehbaren Ende der Ära Veyron – 300 Coupés sind verkauft, etwa 40 Offene (von insgesamt 150) noch an den Mann zu bringen – werden bei Bugatti die großen, grundsätzlichen Fragen verhandelt. Die Neuauflage eines Autos, das sich im Stadtverkehr laut offiziellen Zahlen fast 40 Liter Sprit pro 100 km genehmigt, wäre der Welt nur schwer zu erklären. Ebenso ist der viertürige Galibier aus dem Rennen. Vieles deutet auf einen zweitürigen Nachfolger mit alternativem Antriebskonzept hin.

Doch seit Hypersportlern wie dem Porsche 918 Spyder, der dank Plug-in-Technologie bei fast 900 PS Leistung im gängigen Messverfahren auf 3,1 Liter/100 km kommt, ist die Luft dünn geworden. Andererseits: Bei Bugatti ist stets mehr möglich als anderswo, ganz im Bewusstsein der Marke. Ferdinand Piëch: „Eine Elite, die mit den ihr passenden Produkten bedient werden will, wird es immer geben.“

HINTERGRUND

Porsche und Bugatti. Kurioserweise war die heutige VW-Tochter Porsche kurz im Besitz der Bugatti-Markenrechte. Der damalige Chef Wendelin Wiedeking bereitete die Einführung eines SUV vor – man prüfte, ob der Cayenne nicht besser unter einer anderen Marke laufen sollte. Die Marktforschung entschied anders. Porsche machte vom Rücktrittsrecht Gebrauch. 1998 erwarb Volkswagen die Markenrechte an Bugatti von einem französischen Industriellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2014)

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