Die Ära Veyron nähert sich ihrem Ende. Was folgt ihr? Die Marke sucht nach zeitgemäßen Superlativen.
30.12.2016 um 18:45
Die meisten von uns, auch jene mit Familie und erhöhtem Platzbedarf, wird die Nachricht hoffentlich nicht aus der Bahn werfen: Bugatti wird seine viertürige Limousine nicht bauen. Das ist nun fix. Der Galibier mit 16-Zylinder-Motor und 1000 PS bleibt somit die Studie, als die er 2009 vorgestellt wurde – bedauerlich, aber das Leben muss weitergehen.von Timo Völker
Aber wie geht es bei Bugatti weiter? Die Marke hatte ihre Glanzzeit vor dem Zweiten Weltkrieg gefeiert. VW-Patriarch Ferdinand Piëch übernahm 1998 die Namensrechte plus Immobilien am historischen Unternehmenssitz im Elsass. Er gedachte die Marke "an jener Stelle wiederbeleben, wo sie zur Hochblüte in den Zwanziger- und Dreißigerjahren gestanden hat, also an der automobilen Weltspitze.“
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Wo genau die aber sein sollte, war in jenem Jahr noch nicht restlos geklärt. Volkswagen ritterte gerade mit BMW um die Übernahme von Bentley, was damit endete, dass Bentley an VW ging und Rolls-Royce an BMW, exakt nach den Wünschen des schlauen Fuchses Piëch (im Bild mit Gattin Ursula). Hätte er Bentley nicht bekommen, wäre Bugatti die Luxuslinie des Hauses geworden.
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So blieb nur der Raum oben drüber, was aber weniger als Einschränkung zu sehen ist denn als Entfesselung: Piëch erinnerte sich prompt an die (eigene) frühere Idee eines 18-Zylinder-Motors, unerhört und noch nie da gewesen im Automobilbau. Bild: Motorraum des Super Sport (mit 16 Zylindern).
Gerade dieser Tage hat Bugatti wieder die resultierende Studie von 1999 aus dem Museum gerollt: den Bugatti EB 18/4 Veyron: der Name eine Hommage an den Rennfahrer Pierre Veyron, der 1939 auf Bugatti in Le Mans gewonnen hatte, das Design eine hauseigene Weiterentwicklung eines Entwurfes von Maestro Giorgetto Giugiaro, der Motor ein Monstrum mit 18 Zylindern.
Für die Entwickler begann eine zähe Phase, ein steiniger Weg, auf dem das kühne Konzept zur Serienreife gebracht werden wollte. Piëch begnügte sich zwar mit 16 Zylindern, hielt es aber für richtig, „ein derart unvergleichliches Auto auch mit einer Leistung jenseits von Gut und Böse auszustatten“. Das „Potentometer“ im Veyron-Cockpit zeigt die abgerufene Leistung in PS.
(c) www.skarwan.at
1001 PS sind in diesem Sinn als Wahrzeichen zu verstehen, wie auch der Preis. Mittlerweile mögen sich die Maßstäbe erneut verschoben haben, aber vor einem Jahrzehnt war eine Million Euro für ein Auto eine stramme Ansage. Das neueste Exemplar, der Veyron "Lang Lang" (Bild), dem berühmten chinesischen Klavierspieler gewidmet, kostet über 2 Millionen Euro - ohne Steuern.
Einwände, wonach sich das Projekt dennoch nie rechnen würde, ertrug sein Schöpfer gelassen. Bugatti als Leuchtturm der technischen Fähigkeiten des VW-Konzerns, da durften auch 30 Ingenieure drei Jahre lang allein am Getriebe arbeiten – nach Art des Hauses ein Doppelkupplungsautomat; ein DSG, das es mit 1200 Nm Drehmoment aufnehmen muss. Und später ...
... noch mehr. Doch schon 2005 waren mit dem ersten Exemplar aus Serienfertigung alle gängigen Rekorde gebrochen: Leistung, Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit. Bald reklamierte eine ambitionierte Bastelbude da und dort, einen der Werte übertroffen zu haben, doch stets entpuppten sich die Angaben als nicht haltbar. Bis heute sind sie nicht erreichbar für ein einigermaßen umgängliches, für den Straßenverkehr ohne Einschränkungen zugelassenes Auto. Sicherheitshalber ließ Bugatti im Jahr 2010 den Super Sport folgen: 1200 PS stark, bei einer gewagten Rekordfahrt 431 km/h schnell.
Nicht mehr als ein Exemplar verlässt alle ein bis zwei Wochen das Atelier in Molsheim. Zur Käuferschaft zählen durchaus nicht nur Scheichs, die bis zur Privat-Boeing schon alles besitzen, sondern auch echte Auto-Enthusiasten, freilich der vermögenden Sorte. Der Veyron ist technisch herausragend, allein der Heckflügel ist das Kunstwerk von Besessenen – Ingenieure im Grenzbereich von Genie und Wahnsinn.
Was kann folgen? Mit dem absehbaren Ende der Ära Veyron – alle 300 Coupés sind verkauft, etwa 40 Offene (von insgesamt 150) noch an den Mann zu bringen – werden bei Bugatti die großen Fragen verhandelt. Die Neuauflage eines Autos, das sich im Stadtverkehr offiziell fast 40 Liter Sprit pro 100 km genehmigt, wäre der Welt nur schwer zu erklären. Ebenso ist der viertürige Galibier (Bild) aus dem Rennen. Vieles deutet auf einen zweitürigen Nachfolger mit alternativem Antriebskonzept hin.
Doch seit Hypersportlern wie dem Porsche 918 Spyder, der dank Plug-in-Technologie bei fast 900 PS Leistung im gängigen Messverfahren auf 3,1 Liter/100 km kommt, ist die Luft dünn geworden. Andererseits: Bei Bugatti ist stets mehr möglich als anderswo, ganz im Bewusstsein der Marke. Piëch: „Eine Elite, die mit den ihr passenden Produkten bedient werden will, wird es immer geben.“
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Kurioserweise war die heutige VW-Tochter Porsche kurzzeitig im Besitz der Bugatti-Markenrechte. Der damalige Chef Wendelin Wiedeking bereitete die Einführung eines SUV vor – man prüfte, ob der Cayenne nicht besser unter einer anderen Marke laufen sollte. Die Marktforschung entschied anders. Porsche machte vom Rücktrittsrecht Gebrauch. 1998 erwarb Volkswagen die Markenrechte an Bugatti von einem französischen Industriellen.
APA/EPA/FRANZISKA KRAUFMANN
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