Röhren und plärren: Der Soundtrack eines Comebacks

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Mit dem furiosen F-Type Coupé besiegelt Jaguar das große Comeback.

Jaguar ist zurück – oder etwas, was Jaguar heißt, sich aber ganz anders anfühlt als das, was noch vor wenigen Jahren an der Schwelle zum Zusperren stand.

Die Marke steht für einen der radikalsten Neuanfänge der jüngeren Automobilgeschichte. Star-Designer Ian Callum half aus der Sackgasse des Retro-Looks, die neuen Eigentümer aus Indien stellten frisches Geld und Perspektiven bereit, und das Führungsmannschaft wurde nahezu komplett ausgetauscht – so sitzen mit CEO Ralf Speth, Technikchef Wolfgang Ziebart und Entwicklungsvorstand Wolfgang Epple gleich drei Deutsche mit durchaus schillernder BMW-Vergangenheit an den Hebeln (Epple etwa war maßgeblich verantwortlich für die bislang beste 3er-Generation, den E90 von 2005).

Sportlicher Botschafter

Inder und Deutsche – paradoxerweise ist das der Weg, auf dem die englische Traditionsmarke mit dem klangvollen Namen und ihrer prächtigen Historie wieder zu Autos findet, die britische Sportlichkeit glaubwürdig verkörpern.

Während die Konzernschwester Land Rover bereits profitabel ist und solcherart der indischen Tata-Gruppe viel Freude macht, kämpft Jaguar noch auf dem Weg in die Gewinnzone. Der große Plan, der dem Comeback zugrunde liegt, sieht eine Verdoppelung, eher Verdreifachung der Stückzahlen vor. Geschehen soll das mit einem kompakten SUV, das derzeit auf Erprobungsfahrten den letzten Schliff bekommt, und einem BMW-3er-Konkurrenten namens Jaguar XE, dessen Struktur als Premiere in der Klasse gänzlich aus Aluminium gefertigt sein wird, Auftritt: 2015. Die Motoren beider Modelle werden bereits made in UK sein, gefertigt in einer brandneuen Fabrik.

Kunstfertig pressen

Als Botschafter des neu erfundenen Sportsgeistes wurde im Vorjahr der F-Type in die Welt geschickt, ein Roadster mit ebenso großem Herzen wie kleinem Kofferraum. Für eine Verdichtung der Talente sorgt nun das Coupé, das weit mehr ist als nur die verlötete Variante. Ohne optische Sollbruchstelle (in Form eines Stoffdachs) stellt es zwischen der entschlossenen Front und dem grimmigen Heck richtig aufregende Linien zur Schau. Die riesige Motorhaube reicht tief in die Flanken, was den Eindruck fugenloser Oberflächen schafft – in dieser Hinsicht besonderes Schmankerl: Ohne Brüche reicht das Seitenteil in einem Stück über die mächtigen Radhäuser bis tief ins Heck – ein Bauteil von einzigartiger Tiefe im Autobau, kunstfertiger lässt sich Alu gar nicht pressen. Mit wenig Platz begnügt sich der ab 100 km/h ausfahrende Heckflügel, der damit kleiner als im Roadster, dafür aber steiler angestellt ist, um die gleiche Menge Abtrieb zu erzeugen.

Besonders stolz sind die Ingenieure auf die raffinierte Dachlinie, die sich als besonders schwierig zu verwirklichen erwies. Obwohl das Auto von Gesetzes wegen das Vierfache seines Eigengewichts tragen können muss, ohne einzuknicken, fiel der Dachlängsträger mit kaum zehn Zentimetern Profiltiefe geradezu hauchdünn aus.

Bevor wir uns aber in der Betrachtung verlieren, schwingen wir uns schnell in den Fahrersitz und feuern den Motor ins Leben – zunächst den 3,0-Liter-V6, dem ein Kompressor 380 PS entlockt.

Klappe auf, Klappe zu

Als Mittelding der drei Motorisierungen eine naheliegende Wahl, aber beileibe kein fader Kompromiss. Aus den wie Blechblasinstrumenten ausgeformten Endrohren röhrt, plärrt und pfeffert er den Soundtrack eines rasanteren Lebens in die Welt hinaus, den Lautstärkeregler macht ein Knöpfchen auf der Mittelkonsole, das Klappen im Auspuff öffnet und schließt. Schon auf den ersten Metern lässt sich die im Vergleich zum Roadster deutlich erhöhte Karosseriesteifigkeit spüren, das können Coupés nun einmal besser als Offene. So wie man das Auto in die Kurve setzt, bleibt es auch, abgesehen davon, dass es natürlich nicht bleibt, sondern unter Aufbau beachtlicher Fliehkräfte um den Radius zirkelt. Eine mitreißende Inszenierung des Sportwagenthemas, auch wenn der V6 S mit knapp 1,6 Tonnen Gewicht nicht das kompromisslose Leichtgewicht ist, auf das manche gehofft haben.

Ein anderes Kaliber ist der F-Type R, den man sich als günstigen Aston Martin vorstellen kann – der Buchstabe hat bei Jaguar ja einen besonderen Klang. Der charismatische 5,0-Liter-V8 wuchtet in jüngster Ausbaustufe brüllende 550 PS auf die Hinterachse, und das ergibt bei den relativ kompakten Abmessungen des Zweisitzers schon ein delikate, um nicht zu sagen brisante Affäre. Um das Gewicht des Achtzylinders zu kompensieren, hat Jaguar die Modelle mit einem Torque-Vectoring-System ausgestattet, das durch feinfühliges Abbremsen der kurveninneren Räder die Tendenz zum Untersteuern minimiert bis ausschaltet. Zusammen mit einem zu 100 Prozent sperrbaren Hinterachsdiffenzial ist der R für erstaunliche Rennstreckenauftritte gut. Es geht allerdings nichts darüber, auf schön geschwungener Landstraße den Zorn der Maschine mit niedrigen Drehzahlen im Zaum zu halten und sich an der Musik aus fünf Litern Hubraum zu weiden – ein Kulturereignis.

JAGUAR F-TYPE COUPÉ

Maße: L/B/H: 4470/1923/1309 mm. Radstand: 2622 mm. Leergewicht: 1577 bis 1650 kg. Kofferraumvolumen: 315 l.

Motoren: Coupé: V6, 2995 cm3, 340 PS, 450 Nm, 0–100 in 5,3 sec. Coupé S: 380 PS, 460 Nm, 0–100 in 4,9 sec. Coupé R: V8, 5000 cm3, 550 PS, 680 Nm, 0–100 in 4,2 sec. Alle: Kompressor.

Preise: Coupé ab 80.100 Euro, Coupé S ab 95.150 Euro, Coupé R ab 132.150 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2014)

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