Die Harley, die nicht umfallen kann

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Nach mehr als vierzig Jahren hat Harley-Davidson wieder ein Trike im Programm. Das dreirädrige Schlachtross ist mit B-Schein zu fahren und erregt einiges Aufsehen auf der Straße.

Schon vor über 80 Jahren, 1932, brachte Harley-Davidson mit dem Servi-Car ein Fahrzeug mit zwei Hinter- und einem Vorderrad heraus. Gedacht war es als Nutzfahrzeug, an das etwa Werkstätten mit Hol- und Bringservice ein Auto anhängen konnten, um es so in die Garage und wieder zurück zu bringen. Auch Behörden wie die amerikanische Straßenpolizei waren jahrzehntelang treue Abnehmer der robusten Fahrzeuge, bis die Modellreihe nach 41 Jahren und unzähligen Überarbeitungen schließlich eingestellt wurde.

Nun gibt es wieder ein derartiges Gefährt, und die Gründe dafür sind vielfältig. Etwa das Alter vieler Motorradfahrer, die sich zuweilen kein einspuriges Motorrad mehr zu bewegen getrauen, oder die Möglichkeit, auch mit dem Pkw-Führerschein in die plotzende, chromfunkelnde Welt der amerikanischen Kultmarke einzutauchen.

Wie schon in den Dreißigern treibt immer noch der berühmte 45-Grad-V2 das Fahrzeug an, allerdings nun in der neuesten Version mit wassergekühlten Auslassventilen und knapp 1700 ccm Hubraum. 87 PS haben es mit stattlichen 560 Kilogramm zu tun, immerhin sind 150 km/h Spitze drin.

In Schlangenlinien

Wer dies voll auskosten will, sollte sich allerdings erst einmal an das eigenwillige Fahrverhalten eines Trikes gewöhnen. Schon der Geradeauslauf erfordert eine lockere Hand, denn wenn man sich an den Lenker krampft, fährt man unwillkürlich in Schlangenlinien. Kräftiges Zupacken ist dagegen in den Kurven gefragt, denn reine Gewichtsverlagerung wie bei einem einspurigen Gefährt bewirkt hier rein gar nichts. Zu schnell sollte man dabei auch nicht sein, denn sonst hebt das kurveninnere Hinterrad ab. Zum Stoppen benützt man am besten die hintere Bremse, dann bleibt das Trike auch beim Verzögern in der Spur.

Hat man sich einmal mit den Eigenheiten vertraut gemacht, geht es recht flott, vor allem aber gemütlich vorwärts. Der Soziusplatz ist kommod wie Omas Lehnstuhl, aber auch vorn lässt es sich länger aushalten. Dank des in Gummielementen aufgehängten Motors gibt es kaum Vibrationen zu beanstanden, das kennen Harley-Fahrer der alten Schule noch anders.

Die von der einspurigen Ultra Glide übernommene neue Verkleidung schützt die Besatzung bei leichtem Regen recht zuverlässig.

Scheinwerferattrappe

Der mittlere Scheinwerfer ist nicht echt, sondern eine Attrappe, für ordentliche Beleuchtung sorgen die zwei äußeren LED-Scheinwerfer. Hinten sind gleich zwei Stauräume vorhanden, sie schlucken zumindest das Gepäck für einen Wochenendausflug. Übernommen von der Solomaschine wurde auch das Infotainment-System mit HiFi und Navi, die Bedienung ist nun wesentlich übersichtlicher gestaltet.

Wie bei einem Pkw ist eine Feststellbremse obligat, sie wird mit dem linken Fuß bedient. Auch einen Rückwärtsgang gibt es, wie bei der Honda Gold Wing übernimmt diese Aufgabe der Starter. Allerdings ist die Inbetriebnahme etwas kompliziert, auf ebener Fläche lässt sich der Brocken zum Glück auch so ganz gut rangieren. Preislich ist das Trike – wie früher auch das Gespann – mit etwas über 42.000 Euro weit oben angesiedelt. Die fraglos garantierte Exklusivität lässt man sich in Milwaukee auch bezahlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2014)

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