Aston Martin: Flucht aus der Garage

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wäre es kein Aston Martin, würden uns die Farbakzente des Vantage N430 wie grelle Schminke vorkommen. Tatsächlich handelt es sich um eine Art Lippenstift aus dem Rennsport.

Was neue Modelle angeht, so macht Aston Martin gerade eine kleine Kunstpause. Vor etwas mehr als einem halben Jahr wurde man mit Daimler handelseinig, die Deutschen halten seitdem fünf Prozent an Aston, die Engländer beziehen von Mercedes-AMG Komponenten für ihre neue Modellgeneration. Es mag noch mehr draus werden.

Derweil geht es hauptsächlich um Motoren und Getriebe, wobei mittlerweile die Elektronik den größten Brocken an Know-how und Investitionen beansprucht. Das kann ein Hersteller, der keine 5000 Autos im Jahr baut, nicht mehr allein schultern. Aston steht seit der Zeit unter Ford zwar tapfer, aber schon auch etwas einsam da, das ist kein Rezept für die Zukunft.

An deutschen Zutaten geht das Empire nachweislich nicht zugrunde: Mini floriert ebenso wie Bentley, auch die Kundschaft von Rolls-Royce hat nichts gegen ein gerüttelt Maß BMW in ihren Ghosts und Phantoms. Die Motoren von AMG gelten ebenfalls nicht gerade als zweite Wahl, und es gibt alles, was in einen Aston gehört: V8 und V12, mit und ohne Turbo, falls Saugmotoren noch eine Zukunft beschieden ist.

Die Tage bis zur neuen Ära in Gaydon, Warwickshire, werden einstweilen kunstvoll überbrückt. In der Sonderserie N430 gipfelt die V8-Linie des Hauses: 436 PS aus dem 4,7-Liter-V8 des Vantage S, zur Auswahl stehen sechs Styling-Pakete, die das Rennsportengagement des Herstellers zitieren. Das N steht für Nürburgring, dort betreibt Aston ein Fahrwerksentwicklungszentrum, und dort nimmt man traditionell am berühmten 24-Stunden-Rennen teil. Um die eigenen Autos bei einem Langstreckenrennen – gezeichnet und verdreckt – bei Dunkelheit und aus der Ferne noch auseinanderhalten zu können, markiert man prominente Teile mit Signalfarbe. Dass der ikonenhafte Aston-Martin-Kühlergrill unseres Testexemplars in grellem Gelb gehalten ist, ist also kein bloßer Styling-Gag. Auch wird mit der Dachlinie ein besonders anmutiger Körperteil des Vantage betont – zunächst skeptisch, gefiel uns das immer besser. Wie schön, dass der N430 wie ein richtiger Rennwagen ohne ausfahrbaren Flügel auskommt. Gestühl und Auspuffanlage in sportlicher Ausführung verstehen sich von selbst, die Liste an weiteren N430-Goodies ist lang. Wesentlich für unsere Begeisterung ist aber das Auto an sich – man hätte es ebenso „Edition Dr. Bez“ nennen können. Der Deutsche Ulrich Bez hat die Marke über 13 Jahre lang in ihrer Neuzeit geprägt, als Racer, dem alles Künstliche und Verspielte ein Graus ist.

So genießen wir einen authentischen, puren Sportwagen, der nicht auch noch Playstation und Social-Media-Schnittstelle sein will. Am besten noch den kleinen Bildschirm zugeklappt, das Audiosystem stumm geschaltet, dann lenkt nichts mehr ab vom Blick auf die Straße, den Rückmeldungen des feinfühligen Fahrwerks und vom furiosen Klang des Achtzylinders. Besondere Freude hatten wir mit dem manuellen Getriebe, wie es ja schon zur Seltenheit geworden ist. Man hat das Auto straffer am Zügel, ist näher am Wüten im Motorraum, das durch sachgerechte Bedienung von Kupplung, Gas und Schalthebel wohldosiert auf die Straße gebracht werden will.

Es gibt wenig schönere, zweifellos aber noch schnellere Autos dieser Tage, bloß selten fühlt es sich so würzig nach Rennfahren an. Der N430 ist einer zum Aufheben. Aber lasst ihn bloß dann und wann aus der Garage raus!

ASTON MARTIN VANT. N430

Maße. L/B/H: 4385/2022/1260 mm. Radstand: 2600 mm. Leergewicht: 1610 kg. Kofferraum: 300 Liter.

Motor: 4,7-Liter-V8-Zylinder-Otto. Leistung: 321 kW (436 PS), Drehmoment: 490 Nm. 0–100 km/h in 4,8 sec, Vmax: 305 km/h. Heckantrieb, manuelle 6-Gang-Schaltung. Normverbrauch: 13,8 l/100 km. Testverbrauch: 14,5 l/100 km.

Preis ab 159.800 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2014)

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