Volkswagen: Eine Union, die aufhorchen lässt

(c) EPA (Hugo Philpott)
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Was ist dran am Gerücht, die Volkswagen-Gruppe wolle sich in „Auto Union“ umbenennen? Der Name steht für ein kompliziertes Geflecht mit wechselvoller Geschichte.

Das Gerücht, das wieder einmal die Runde in Autoforen weltweit macht, ist nicht ohne Charme: Die Volkswagen AG erwäge, sich in Auto Union umzubenennen. Was dafür spreche: Der Hersteller Volkswagen ist nur eine von vielen Marken in dem Wolfsburger Konzern (wenn auch die größte: bis inklusive Juli wurden 3,56 Mio. VW ausgeliefert). Unter dem Dach logieren noch sieben andere Automarken, darunter die edlen Exoten Bentley, Bugatti und Lamborghini, plus drei Nutzfahrzeug- bzw. Lkw-Hersteller und die feine Motorradmarke Ducati. Da böte sich doch ein Blick in die Vergangenheit an, als eine ähnlich bunte Garage (mit den Marken Audi, DKW, Horch und Wanderer) unter dem schön neutralen Namen Auto Union firmierte.

Was dagegen spricht, abgesehen davon, dass bei Volkswagen nicht einmal vielsagend dementiert wird: Einen weltweit eingeführten und bekannten Namen, wie man ihn mit Volkswagen nun einmal hat, gibt man so schnell nicht auf – eherne Marketingregel.

Was aus unserer Sicht noch dagegen spricht: In Zeiten der Auto Union, beginnend in der Zwischenkriegszeit, stand in deutschen Autos noch „Kraftstoff“, „Öl“, „Temperatur“ und „Touren“ auf der Instrumententafel. Der globale Absatzmarkt spricht aber nicht Deutsch, sondern Englisch, und da klingt Auto Union heute gefährlich nach Gewerkschaft, was bei Analysten und Investoren von New York bis Shanghai reflexartig Hautausschläge hervorruft. Der Name ist dazu verurteilt, in der Vergangenheit zu hausen.

Das Wunder der Wiedergeburt

Der Blick zurück lohnt dennoch. Aus der Auto Union sollte schließlich der heute neben Porsche profitabelste Titel des Konzerns hervorgehen: Audi. Der Marke wurde das Wunder der Wiedergeburt zuteil.

Gegründet hat das Unternehmen August Horch im Jahre 1909. Der geniale Ingenieur hatte schon unter eigenem Namen eine Automobilproduktion hochgezogen, war aber von den eigenen Aufsichtsräten aus dem Betrieb gedrängt worden. Den Markennamen musste er zurücklassen, Horch-Automobile gab es bis ins Jahr 1939.

Der legendäre Einfall eines schlauen Zehnjährigen betitelte den Neuanfang des August Horch: Unter Audi, dem lateinischen Imperativ seines Namens, stieg Horch noch einmal in den Ring. Sachsen verfügte damit über vier bedeutende Automarken: Audi, Horch, DKW (ursprünglich für Dampfkraftwagen, die Zukunft kam dann doch anders) und Wanderer.

Die Einzelkämpfer waren allerdings schlecht gerüstet für die große Wirtschaftskrise. Audi wurde 1928 von DKW übernommen. Die Banken taten bald, was sie bis heute am liebsten tun: Sie forderten einen gewaltigen Merger. Die vier Marken kamen 1932 unter ein Dach, Name: Auto Union. Audi neben Horch, eine Ironie. Es war bestimmt keine Liebesheirat, dennoch zierten vier Ringe – Eheringe – das neue Logo, dem wohl auch die Ähnlichkeit zu den fünf olympischen Ringen gefiel.

Die Marken verfuhren unterschiedlich, Audi stand für technische Avantgarde, verfehlte aber den Geschmack der Käufer und stand 1939 vor dem Aus. Auch Horch und Wanderer überlebten den Zweiten Weltkrieg nicht, allein DKW, inzwischen von Sachsen ins bayrische Ingolstadt übersiedelt, schlug sich bis Mitte der 1960er-Jahre durch. Kurzzeiteigentümer Daimler gab die Marke schließlich an Volkswagen ab. Aus den Resten der sächsischen Fertigungsanlagen waren indes unter Sowjet-Regie die Hersteller MZ, Trabant und Wartburg gezimmert worden.

Der klingendste Name

Volkswagen pickte sich 1965 aus dem erworbenen Fundus mit Audi den klingendsten Namen heraus und kombinierte ihn mit den vier Ringen der Auto Union – auch das sah ja hübsch aus.

Der Relaunch der ursprünglich ostdeutschen Marke mit ihrer originellen Entstehungsgeschichte sollte zum großen Erfolg werden. Alle offiziellen Erinnerungen an die Auto Union wurden 1985 begraben, zurück bleiben nicht nur ein Konglomerat, sondern auch legendäre Modelle unter dem Namen. Und dann und wann ein Gerücht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2014)

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