Golf GTE: „Das Ding konsequent an die Strippe hängen“

Der neue Volkswagen Golf GTE
Der neue Volkswagen Golf GTE(c) WERK
  • Drucken

Mit dem Golf GTE ist der Plug-in-Hybrid im Mainstream angekommen. Die Technik gilt als Brückenlösung zwischen konventionell und elektrisch. Zudem will Volkswagen etwas vom US-Elektropionier Tesla gelernt haben.

Wenn der Marktführer aufspringt, muss es wohl etwas sein – oder? Der neue Golf GTE wirft als erster Plug-in-Hybrid der Marke einige Fragen auf, die wir praktischerweise gleich selbst beantworten.

1. Zunächst: Wie ernst meint es VW mit alternativen Antrieben?

Eine große Liebesbeziehung ist es eher nicht, auch wenn Konzernchef Martin Winterkorn im vergangenen Jahr verkündet hat: „Die Elektromobilität ist in der Mitte des Konzerns angekommen.“ Auf der Straße angekommen sind unter der Marke Volkswagen der Kleinwagen e-Up, der e-Golf und nun der Plug-in-Hybrid Golf GTE. Davon abgesehen hat VW einige Erdgasmodelle im Programm.

2. Schnell zur Klärung: Plug-in-Hybrid (kurz: PHEV) bedeutet ...

... dass sowohl ein Verbrennungs- als auch ein Elektromotor an Bord sind und dass die Akkus des E-Antriebs auch über eine externe Stromquelle geladen werden können – dies im Unterschied zum normalen Hybridauto, bei dem die Energie nur vom Verbrennungsmotor und per Rekuperation (=Rückgewinnung der Bewegungsenergie) eingespeist werden kann.

3. Somit kann man auch länger rein elektrisch fahren?

Korrekt, denn die Akkus eines PHEVs sind zwar kleiner als in einem Elektroauto, aber doch größer als beim normalen Hybriden, der ja nur sehr kurze Distanzen rein elektrisch schafft. VW bunkert in den Akkus des Golf GTE 8,7 kWh Energie (im e-Golf: 24,2 kWh), das reicht immerhin für 50 Kilometer rein elektrischen Fahrens – freilich nach der stets optimistischen NEFZ-Methode gerechnet.

4. ... woraus sich auch der fabelhafte Verbrauchswert von 1,5 l ergibt?

Ja, denn ein Teil der Prüfstrecke wird rein elektrisch gefahren. Da dabei überhaupt kein Sprit verbraucht wird, sieht auch die Gesamtrechnung äußerst günstig aus.

5. Und die ist in der Praxis nicht zu erreichen, oder?

Wie es ein VW-Entwickler ausgedrückt hat: „Sie müssen das Ding konsequent an die Strippe hängen“ – das ist die Grundformel jedes PHEVs. Wer den GTE jeden Abend zur Steckdose führt und tagsüber nicht mehr als 50 km fährt, kommt bei gutem Willen und günstigen Bedingungen auch ganz ohne Benzinverbrauch durch. In dem Fall würden wir allerdings gleich ein reines Elektroauto empfehlen.

6. Warum denn das? Ist ein PHEV nicht das beste beider Welten?

Der Gesetzgeber verschafft PHEVs derzeit einige Privilegien, da er das lokal emissionsfreie Fahren in den Städten fördert. Das ist im Wesentlichen das Geschäftsmodell, um Plug-in-Hybride auf den Markt zu bringen. Doch technisch handelt es sich um einen Kompromiss, der einen um viele Vorteile des E-Autos bringt, gleichzeitig aber dessen Nachteile darstellt, zuvorderst der höhere Anschaffungspreis und die Notwendigkeit eines Zugangs zu einer Stromquelle. Das reine Elektroauto ist in der Einfachheit gnadenlos überlegen: Komponenten wie Lichtmaschine, Kupplung, Kraftstoff- und Öltank sind obsolet. An Reichweite und Ladeinfrastruktur hakt es noch. Was PHEVs wie der Golf GTE versprechen, ist streckenweise emissionsfreier Betrieb bei gleichzeitiger Lösung des Reichweitenproblems.

7. Problem gelöst?

Jein. Mit 40 Litern Benzin im Tank und vollen Akkus errechnet sich nach NEFZ eine Reichweite von 939 Kilometern. An jeder Tankstelle kann man Sprit nachfüllen. Das Problem: Ist die von außen zugeführte Energie der Akkus verbraucht, trägt der 1,4-Liter-Turbo-Benzinmotor die alleinige Last. Spätestens hier kommt das Fahrzeuggewicht von 1,6 Tonnen zum Tragen, mindestens 300 kg mehr als beim normalen 1,4 TSI. Ein besonders wirtschaftlicher Betrieb ist damit nicht möglich. Für die Langstrecke und Vielfahrer ist Plug-in-Hybrid keine kluge Lösung.

8. Wer ist dann die Zielgruppe des Golf GTE?

VW weiß, dass mit Umwelt- und Klimaschutz keine Autos zu verkaufen sind. Zu fragwürdig ist auch die Gesamtbilanz des elektrischen oder teilelektrischen Antriebs. Das hat der Pionier Tesla früh erkannt und gleich auf Fahrerlebnis und Begehrlichkeit gesetzt – der erste Tesla war ein zweisitziger Roadster. VW wendet die Formel insofern als, als der GTE zu GTI und GTD positioniert wird – hier geht es um Power und Fahrspaß, markant und symbolisch: das verchromte Doppelendrohr am Heck des GTE.

9. Fährt sich der GTE denn auch so?

Nicht wirklich, auch hier relativiert das hohe Gewicht die Systemleistung von 204 PS (Drehmoment: 350 Nm). Sehr sportlich fühlt sich der GTE weder im Handling noch in der Beschleunigung an. Im rein elektrischen Betrieb (bis maximal 130 km/h) fehlt die Spritzigkeit, der GTE hängt nicht am Gaspedal wie der BMW i3 oder Tesla S.

10. Wie viel soll verkauft werden?

Der Importeur erwartet sich vom GTE acht Prozent Marktanteil am Golf-Absatz in Österreich. Das ist äußerst ehrgeizig für den (vom 300 PS starken R abgesehen) wohl teuersten aller Golfe: Ein Preis von an die 38.000 Euro ist zu erwarten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.