BMW M4: Kampfhund beim Kaltstart

BMW M4
BMW M4(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Gerüchte vom Ableben der Sportlichkeit bei BMW sind stark übertrieben. Der M4 bleibt bei schneller Fahrt nichts schuldig – und verfehlt auch im Stand seine Wirkung nicht.

Die diplomatischen Beziehungen der Marke zu ihren Fans sahen sich in letzter Zeit einigen Belastungen ausgesetzt. Elektroautos, Dreizylinder – und dann, wie soeben mit dem Active Tourer gewagt, auch noch Frontantrieb! Der Markt mag den Bayern ja recht geben, aber die Traditionalisten – bei Porsche nennt man sie die Gusseisernen – sind rechtschaffen empört.

Es liegt wohl an dem Buchstaben in der Mitte, die Dinge wieder ins Lot zu rücken. Selbst wenn das heiligmäßig verehrte M (ursprünglich für Motorsport) auch schon auf einem 2,5-Tonnen-SUV spazieren geführt wird – im Angesicht eines vollprächtigen M3, der erfolgreichsten M-Baureihe, sieht man bei den Marken-Aficionados wieder die feuchten Augen tiefer, ehrlicher Zuneigung.

Mit dem kleinen Unterschied, dass ein M3 heute auch ein M4 sein kann – wenn er nämlich mit zwei Türen gefertigt ist, sprich als Coupé heranrollt. Von Details in den Abmessungen abgesehen (das Coupé ist niedriger als die Limousine), haben beide Varianten die gleichen technischen Daten. Und die sind, gelinde gesagt, vielversprechend. Man könnte auch sagen: zum Fürchten.

Vier, sechs, acht

M3 gab es schon mit vier, sechs und acht Zylindern, nun ist man wieder von acht auf sechs eingeschwenkt und hat den zum Vorgänger reduzierten Hubraum (von vier auf drei Liter) mit einem Turbolader wettgemacht. Der obligate Leistungssprung von einer Generation zur nächsten ist diesmal auf den ersten Blick moderat ausgefallen (wir halten nunmehr bei 431 PS versus 420), aber das täuscht.

Das Drehmoment ist geradezu explodiert, von 400 Newtonmetern bei 3900 Touren auf 550 Nm schon bei 1850 Umdrehungen. Der Turbo entfacht im Reihensechser eine Motorengewalt, die den gewiss nicht unwillig hochdrehenden V8-Saugmotor des Vorgängers schlicht blass aussehen lässt. Aber zum Fahren kommen wir erst.

Auf dem Papier fällt noch auf, dass die neue Generation leichter wurde, so wurden Stahlbleche großflächig durch Karbon (Dach) und Kunststoff (Türen, Kofferraumdeckel, Motorhaube) ersetzt, generell wurde an fast allen Komponenten gefeilt, um quasi mittels Abriebs da und dort ein Dekagramm zu gewinnen respektive verlieren.

Aufmarsch im Cockpit

Die genauen Werte spielen keine große Rolle, denn sie werden ja doch nur durch die Ausstattung verfälscht. Ein M4 – wie jeder andere BMW – kommt schließlich nicht im Basistrimm. Die Frage ist, wie sich das Auto anfühlt.

Zunächst nicht sehr leichtfüßig. Im Innern sitzt man einer opulenten Cockpitlandschaft vor, die eine Menge zum Drehen, Drücken und Verstellen bereithält. Aus allen Winkeln buhlt optische Information um Aufmerksamkeit: Head-up-Display, Rundinstrumente, das TFT-Display mit mannigfaltigen Anzeigen dazwischen, der große zentrale Bildschirm am Armaturenhalter, die Monitore mit ihren analogen Tasten und Rädchen. Wir freuen uns, wenn Autos diesen Aufmarsch wieder abblasen.

Der schönste Teil des Morgens setzt für einen M4-Fahrer mit dem Drücken des Startknopfs ein. Das klanggewaltige Kaltstart-Prozedere der hochgezüchteten Maschine durch die Ganglien der Abgasanlage ist erhebend, wenn man für derlei etwas übrig hat. Wer ein gespanntes Verhältnis zu den Nachbarn unterhält, wird es mit diesem Auto nicht verbessern.

Im Galopp

Den etwas knorrigen Einsatz beim Rangieren sehen wir dem siebengängigen Doppelkupplungsgetriebe nach, sobald wir eine freie Straße gewonnen haben. Es zeigt sich dort geschmeidig und später unbarmherzig. Der Motor mahlt beim Dahinschleichen noch mürrisch wie ein Diesel vor sich hin, was sich ebenfalls schlagartig ändert, sobald die Drehzahlskala erweitert wird. Jeder spontane Tritt ins Gaspedal wird mit sofortigem ESP-Einsatz geahndet: Die Reifen wollen warm gefahren, das Auto behutsam auf eine schnellere Gangart vorbereitet werden. Sinnvollerweise zeigt das Instrument die Öl- und nicht die belanglose Wassertemperatur an.

Getriebe, Fahrwerk, Motor, Leistung und DSC lassen sich in jeweils drei Stufen verschärfen, wobei die Parameter auch über zwei frei belegbare M-Tasten auf dem Lenkrad abgerufen werden können. Für ein Überholmanöver muss man aber noch nicht auf Gefechtsbereitschaft gehen. Außer, man will schon passiert haben, bevor man vom Vordermann im Rückspiegel bemerkt wurde. Solche Situationen häufen sich auf der geeigneten Landstraße.

Im vollen Galopp ist der Motor entfesselt, und man tut gut darin, die Linie durch die Kurven mit Toleranzen nach außen zu wählen. Fast fühlen wir uns auf unserer winkeligen Hausstrecke fehl am Platz – dem Auto wäre es nach schnelleren, breiteren Passagen in den Gängen drei bis fünf.

Den Sportwagen für den Alltag kaufen wir dem M4 nicht so recht ab. Eruptiv bricht der Motor aus, wo man nur einen schnellen Sprint einlegen wollte. Wie ein fragwürdig erzogener Kampfhund. Der Porsche 911 beherrscht diese Disziplinen besser. Das raubt dem M4 freilich nichts an Faszination.

Von Verweichlichung bei BMW fürs Erste also keine Spur.

BMW M4 DKG

Maße: L/B/H: 4671/1870/1383 mm. Radstand: 2812 mm. Leergewicht: 1537kg. Kofferraum: 445 Liter.

Motor: Reihensechszylinder-Turbo, 2979ccm. Leistung: 317 kW (431 PS) bei 5500–7300/min. Drehmoment: 550 Nm bei 1850–5500/min.

Heckantrieb. Siebengang-DKG.

Fahrleistungen: 0–100 km/h in 4,1 sec. Vmax: 250 km/h.

Testverbrauch: 12,5 l/100 km.

CO2 laut Norm: 194 g/km.

Preis: ab 91.437 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2014)

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