Renault Twingo: Langsam kann man auch einmal etwas Kleineres wagen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wie sich die mausern, die Kleinen! Selten hatten wir so viel Spaß mit 70 PS auf nur 3,6 Metern Länge. Der Renault Twingo überzeugt mit Pfiff im Design und Platz auf kleinster Fläche – auch, weil der Motor nicht dort ist, wo ihn (fast) alle anderen haben.

Kooperationen dieser Art haben eine lange Tradition, man nennt das – oft etwas abschätzig – „Badge Engineering“: Zwei oder mehr Hersteller entwickeln ein Fahrzeug gemeinsam, um es dann getrennt voneinander zu vermarkten. Das spart viel Geld, weil die Entwicklungskosten auf ein größeres Absatzvolumen heruntergebrochen werden können.

Daimler und Renault haben sich schon beim Lieferwagen Kangoo/Mercedes Citan zusammengetan, nun entspringen Smart ForFour und Renault Twingo einer gemeinsamen Linie (jener der Franzosen, nicht etwa umgekehrt).

Die Synergien für die Hersteller liegen auf der Hand. Im Idealfall hat aber auch der Käufer etwas davon, nämlich dann, wenn, wie gerne behauptet, ein Teil des eingesparten Geldes in das Fahrzeug fließt, um es besser gegen die Konkurrenz zu wappnen. Wir wissen freilich nicht, welches Auto herausgekommen wäre, hätte Renault den neuen Twingo allein gebaut. Hätte er ebenfalls Heckantrieb und den Motor hinten? Eher nicht, diese Gene entstammen der Smart-Familie.

Das Trumm ist hinten

Dabei ist diese Lösung ein Segen im Segment der Kleinen. Motor, Getriebe, Antriebswelle, alles ist hinten verstaut, wo es tatsächlich am wenigsten Platz raubt. Der Kofferraumboden liegt höher als normal, aber in einem vertretbaren Ausmaß. Ohne Motor an der Front kann die ganze Fahrgastzelle etwas nach vorne rutschen, was Platz schafft – bei verbesserter Crash-Struktur wohlgemerkt, denn so ein großes, hartes Trumm ist bei Unfällen immer für Probleme gut, sei es nur bei der Fußgängersicherheit.

Warum der neue Twingo innen mehr Platz hat als der alte, obwohl kürzer geworden, erläutert die Seitenansicht: Die Räder sind maximal nach außen gewandert. Der Radstand ist mit fast zweieinhalb Metern imposant für einen Kleinwagen. Der Twingo ist auch höher als andere Kleinwagen, was einige Vorteile mit sich bringt. Manchmal kam es uns vor, als steckte etwas vom alten R4 in dem Auto, vor allem, wenn man sich von hinten nähert. Die Heckklappe ist eine große Glasscheibe, für deren Entriegelung man allerdings relativ tief und blind greifen muss – das mögen wir wegen der schmutzigen Pfoten nicht so gern. Von vorn schaut der Twingo bullig und solide aus, eine Kugel aus einem Guss. Erneut hat Renault-Designer Laurens van den Acker eine schöne Arbeit abgeliefert. Das gilt ebenso für den Innenraum, der fröhlich und hochwertig wirkt, ohne übermäßig originell sein zu wollen. Startet die Preisliste bei 9990 Euro, sollte man zumindest auf 11.590 Euro erhöhen, dies bringt mehr Ausstattung in den frischeren Motor mit Start-Stopp. Elementare Extras: Sitzheizung, ordentliches Soundpaket mit Subwoofer, jeweils 180 Euro.

Drei Motoren stehen zur Auswahl, alle Dreizylinder-Benziner. Unser Exemplar hatte 70 PS samt Start-Stopp-System, und wenngleich der Motor sehr gekonnt auf den Stadtbetrieb ausgelegt ist und flott von der Kupplung geht, wären wir neugierig auf die 90-PS-Variante mit Turbo. Die 70PS reichen, aber der stärkere Motor müsste ein richtiger Spaßmacher sein. Das sollte erst recht für eine mögliche heiße RS-Gordini-Variante gelten.

Mit dem kleinen Motörchen hinten merkt man den Heckantrieb praktisch gar nicht. Schade, dass es die Automatik (mit Doppelkupplung) nur für das Smart-Derivat geben wird – vorerst das Einzige, was gegen den Renault spricht. Doch im Grunde verschwindet das Bedienen des Autos ohnehin in der Beiläufigkeit. Der Twingo ist leichtfüßig und unkompliziert – sein Luxus ist neben der optimistisch stimmenden Parkplatzsituation ein konkurrenzlos enger Wendekreis, auch dies eine Folge davon, dass der Motor im Heck steckt und hinten schiebt. tiv

RENAULT TWINGO SCE 70

Maße: L/B/H 3595/1646/1554 mm. Radstand 2492 mm. Leergewicht 865 kg. Kofferraumvolumen 219-980 Liter.

Motor: R3-Zylinder-Otto, 999 ccm. Leistung 52 kW (70 PS) bei 6000/min. 91 Nm bei 2850/min.

Heckantrieb. Man. Fünf-Gang-Getriebe.

Fahrleistungen: 0-100 km/h in 14,5 sec. Vmax 151 km/h.

Verbrauch gemäß Norm: 4,2 l/100 km, CO2: 95 g /km. Im Test: 5,2 l/100 km.

Preis: ab 9990 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2014)

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