BMW: Der Streitwagen der Generation SUV

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Mit dem X6 hat BMW Mut bewiesen – und wurde dafür belohnt. Nun ist die neue Generation am Start. Was ist das für ein Auto, das nur eingeschworene Fans und ausgesprochene Verächter kennt, aber nichts dazwischen?

Vom Erfolg des ersten X6, im Jahr 2008 vorgestellt, war BMW selbst überrascht. Man hatte sich was getraut, eine neue Fahrzeuggattung geschaffen, die die Formen eines Coupés und eines SUV auf provokante Weise kombinierte. Die unwahrscheinliche Vermählung hätte in einem bösen Flop enden können. Vom Resultat waren schließlich nicht wenige erschreckt. Es waren aber auch nicht wenige, die umgehend zum Händler zogen.

Seitdem werden exakt so viele X6 verkauft, wie im US-Werk Spartanburg nur vom Band laufen können. 260.000 Stück waren das in knapp sechs Jahren. Der Verdienst des Herstellers an dem Auto muss sagenhaft sein: Einen X6 gibt es nicht mit kleinen Motoren, und in Basis-Trimm und auf Standardfelgen hat man ihn wohl auch noch nicht gesehen. Das Vehikel ist ein erklärtes Luxusgeschöpf, von seinen stolzen Besitzern stets wohlgenährt.

Neben den Einnahmen brauchte sich BMW freilich auch um die Häme nicht zu sorgen. In der Regel haben sogar Menschen, die sonst nur peripher an Autos interessiert sind, eine Meinung zum BMW X6. Selten eine freundliche. „Panzerspähwagen“ zählt noch zu den milderen Schmähungen. Als Statement übertrifft der X6 vielleicht sogar noch den Porsche Cayenne, der äußerlich ebenfalls nicht übertrieben um die Sympathien des Straßenpublikums buhlt. Aber das mag vom Ort abhängen. Während bei uns „Radler und andere Bobos“ eher den „Mittelfinger“ entböten, beklagte sich einmal ein X6-fahrender Leser im Forum, bekäme man in östlichen Nachbarländern oft den gehobenen Daumen gezeigt. Ein Statement wovon also?

Muskelsprache

Kraft, Entschlossenheit, Zielstrebigkeit sind Begriffe, die man von BMW zu hören bekommt, wenn es um den Ausdruck der Front geht. Man vernimmt Muskelsprache. Das sogenannte Greenhouse (der verglaste Teil der Karosserie) ist „filigran“ und „ruht auf kraftvollen Schultern“. Der Glasanteil heutiger Pkw geht aber generell zurück, der X6 führt damit nur einen Trend fort – ins Extreme. All das begründet eine Ausstrahlung, die manche anzieht, während sie andere abstößt. Wie so oft stellt sich dabei aber auch die Frage der Perspektive. Auf den Fußgänger auf dem Zebrastreifen mag ein herannahender X6 einschüchternd, ja bedrohlich wirken.

An Bord ist der X6 jedoch ein sehr behaglicher Ort. Man sitzt hoch, genießt die Übersicht und fühlt sich dabei sicher verschanzt wie in der eigenen Raubritterburg. Die Performance des Autos reizt die Physik bis aufs Äußerste. Unglaublich, wie leicht sich das Auto in Kurven tut – normalerweise ja keine Tugend des Fachs. Hämisch könnte man sagen: An Bord ist auch der beste Platz, weil man dort das Heck nicht sieht. Der hoch aufragende, wuchtige Karosserie-Abschluss ist zweifellos ein Eyecatcher der besonderen Art, eine väterliche Signatur des langjährigen BMW-Designchefs Chris Bangle.

Insofern hat man Milde walten lassen bei der neuen Generation. Das Heck ist mit allen Möglichkeiten eines Designers in die Breite gezeichnet. Das Schlachtschiff wirkt optisch verträglicher, mehr um den eleganten Eindruck bemüht. Bei unverändert wirksamen Attributen der Überlegenheit mag so die Hemmschwelle sinken, sich an einen X6 heranzutrauen. Massig, wuchtig wirkt das Auto unverändert, hässlich aber nicht.

Selbstredend ist es mit allem ausgestattet – gegen Aufpreis zumindest –, was bei BMW heute an schierem Luxus und Hightech zu bekommen ist. Die Preise starten bei 74.500 Euro für den 3,0-Liter-Diesel mit 258 PS. Schnurstracks geht es über 306, 313, 381 PS zum sozialdarwinistischen Leitwolf mit 450 PS. Der Zweieinhalbtonner beeilt sich in 4,2 Sekunden von null auf 100 km/h. Die Konkurrenz, allen voran Mercedes, hat im X6 längst ein Vorbild erkannt. Die Epigonen sind im Anmarsch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2014)

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