Volvo: Bersten, scheppern, krachen

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Volvos gelten als besonders sichere Autos. Um diesen Ruf zu verteidigen, treiben die Schweden einen enormen Aufwand. Wir waren Unfallzeugen am Werksgelände.

Das Auto in brüllendem Orange schießt mit etwa 80km/h aus der langen Röhre, rutscht seitlich in einen angelegten Straßengraben, steigt über einen Erdwall steil in die Luft auf und kracht schließlich gegen die Böschung. Das Ganze ist kein realer Unfall, dessen Zeugen wir werden, sondern Alltag in Volvos Testzentrum in Torslanda in der Nähe von Göteborg.

Täglich werden hier Autos auf ihre passive Sicherheit getestet, was sie also aushalten, wenn es einmal kracht. Und zwar mit beträchtlichem Aufwand. So gibt es zum Beschleunigen des Vehikels einen etwa vierhundert Meter langen Tunnel, der in einem Halbkreis schwenkbar ist, um alle möglichen Szenarien und Aufprallwinkel, vom Frontalcrash bis hin zum Einschlag eines anderen Autos in einem Winkel von 90 Grad, nachvollziehen zu können.

Auch andere, aus dem echten Leben gegriffene Situationen wie eben das Abrutschen in den Straßengraben, wenn etwa der Fahrer abgelenkt ist oder einschläft, können simuliert werden. Das Ganze passiert bei mehreren Geschwindigkeiten, wobei Volvo betont, dass man stets deutlich über den Standards der offiziellen Tests von Euro-NCAP liegt.

Schneller als vorgeschrieben

So werden Tests mit höheren Geschwindigkeiten durchgeführt, als es die Gesellschaft europäischer Verkehrsministerien, Automobilklubs und Versicherungsverbände für ihre Versuche vorschreibt – und die sind immerhin so ausgelegt, dass es auch heute noch Autos gibt, die sie nicht bestehen. Einen Frontaufprall mit 64km/h müssen die Volvos ebenso verwinden wie einen Heckaufprall mit 72km/h, dazu kommen allerlei seitliche Karambolagen.

„Wir setzen doppelt so hohe Anforderungen wie NCAP fest“, erklärt ein Volvo-Vertreter, „und erwarten auch, dass unsere Autos das erfüllen, vorher gibt es keine Produktionsfreigabe.“

Zu der ist es ohnehin ein langer Weg. Bevor eine Produktionsstraße für ein neues Modell, zum Beispiel den neuen SUV XC90, der in Österreich im Jänner vorgestellt wird, kommt, folgen als erster Schritt Tests am Computer.

Zerstörende Prüfung

Hier werden mit aufwendigen Programmen etwa 20.000 Autos sozusagen virtuell zerstört, bevor der physische Teil an die Reihe kommt. 65 faktisch schon serienreife Modelle werden dann im oben erwähnten Testzentrum einem Crashtest unterzogen und danach genauestens untersucht. Dabei sind die Autos vollgestopft mit Kameras und Test-Equipment, das nicht selten auch selbst Schaden nimmt.

So hat man beim XC90 für das Heck eine Crashbox entwickelt, die vor allem die Passagiere in der (optionalen) dritten Sitzreihe bei einem Heckaufprall schützen soll. Sie besteht aus Vierkantrohren, die zusammen mit den Längsträgern die Aufprallenergie wirkungsvoll absorbieren.

Ein wichtiger Bestandteil der Tests sind die Crashtest-Dummys. Diese Puppen sind gespickt mit Sensoren und sollen den menschlichen Körper so genau wie möglich darstellen. Nur wenige Hersteller weltweit fertigen sie, daher sind sie unglaublich teuer. Volvo ist stolz darauf, einen Dummy-Shop von über 100 Exemplaren in allen nur erdenklichen Größen und Formen zu besitzen, die auch in der Firma gewartet und kalibriert werden.

Taskforce Unfall

Als letzten Punkt in der Kette hat man auch erkannt, dass nichts so vielfältig und überraschend ist wie das wahre Leben auf der Straße. So wird innerhalb Schwedens jeder Unfall, an dem ein Volvo beteiligt ist und bei dem es Verletzte gibt, von einem eigenen Einsatzteam aufgesucht, werden die Daten aufgenommen und genau analysiert.

So will man bis zum Jahr 2020 das hehre Ziel erreichen, dass es bei einer Million Kilometer, die in Volvos zurückgelegt werden, nicht einen einzigen Schwerverletzten mehr gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2014)

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