Technologie: Hände weg vom Lenkrad!

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Die Erfindung des Automobils steht erst bevor: Vehikel, die nicht nur aus eigener Kraft rollen, sondern rundum selbst fahren können, werden absehbar unser Verkehrsgeschehen prägen. Dürfen wir dann nur noch zuschauen?

Es ist zurzeit das ganz große Ding, und eben nicht nur in der Autobranche: das autonome Fahren. Autos, die den Weg über die Navigationsdaten nicht nur kennen, sondern ihn auch völlig selbstständig befahren können, werden sich in absehbarer Zeit in unserer Mitte einfinden – offen ist nur, wer die namhaften Player auf dem Gebiet sein werden.

An der Technologie für das autonome oder pilotierte Fahren wird mit Hochdruck gefeilt, und zwar von den klassischen Autoherstellern ebenso wie von Newcomern aus der IT-Branche. Zum Teil ist es ja auch schon Realität. Für jedes bessere Modell ist heute ein automatischer Abstandhalter zu haben: ein Tempomat, der über Sensoren die Entfernung zum Vordermann misst und den gewünschten Spielraum selbsttätig einhält. Auf diese Weise kann man nicht nur mit hohem Tempo über die Autobahn ziehen, sondern auch die Stadt kreuzen, ohne über lange Strecken auch nur ein einziges Mal Gas oder Bremse betätigen zu müssen. Es ist ein Komfort, an den man sich schnell gewöhnt, wie an Servolenkung und Sitzheizung. Und es gibt mehr davon: etwa das Lenkrad, das sich wie von Geisterhand dreht, um die Fahrspur zu halten oder in die Parklücke zu stoßen. Zur Oberklasse gehören diese Features schon wie die Klimaanlage, und auch darunter finden sie immer mehr Verbreitung.

Kunststücke ohne Fahrer

In immer kürzeren Abständen führen uns die Hersteller ihre neuesten Kunststücke vor. Mercedes ließ 2013 eine robotisierte S-Klasse über hundert Kilometer weit zur Frankfurter Automesse anreisen. Die einzige Unsicherheit offenbarten die Systeme an einem Fußgängerübergang: Ein Passant wollte dem äußerlich unauffälligen Auto partout den Vorrang überlassen und trachtete, es mit einer Handbewegung an sich vorbeizuwinken – eine Einladung, die der Rechner an Bord nicht anzunehmen gelernt hat. Allgemeiner Stillstand, Hinterherfahrende hupten.

BMW hat im Gegenzug bewiesen, dass ein Auto ohne Fahrer in Bestzeit über die Rennstrecke jagen kann, spektakuläre Driftwinkel inklusive. Immer größere Distanzen lässt Audi seine autonomen Versuchsträger zurücklegen. Zuletzt wurde ein Auto in San Francisco auf den Weg geschickt, das Ziel: New York. Aus Sicherheitsgründen ist bei derlei Touren immer ein Fahrer an Bord, der in Notfällen oder komplizierten Situationen die Kontrolle übernimmt.

In einer nicht zu fernen Zukunft, die Elon Musk, Chef des US-Elektroautoherstellers Tesla, sieht, dürfte das nicht nur obsolet, sondern sogar verboten sein. Sobald sich autonome Autos bewährt haben, so Musk, könnte es für Menschen schlicht illegal werden, ein Auto zu fahren: „Der Mensch ist einfach zu gefährlich am Steuer einer zwei Tonnen schweren Todesmaschine.“

Im „Internet der Dinge“

Die erforderliche Technik, Autos ohne menschliches Zutun auf den Weg zu schicken, sieht der Tesla-Chef nur noch „wenige Jahre“ entfernt: „Ich erachte das Problem schon als gelöst.“

Die Bauteile liegen nicht nur in einer immer sensibleren Sensorik, ob sie nun auf Stereokameras, Radar-, Infrarotwellen, auf Laser oder einer Kombination davon basiert, sondern vor allem in der Cloud, dem Zugriff auf ungeheure Datenmengen, die unablässig und von einer Vielzahl von Rechnern weltweit eingespeist werden. Damit wird das Auto zu einem bedeutenden Spieler im „Internet der Dinge“. Für die Komplexität des echten Lebens, mit seinen oft unvorhersehbaren Situationen, reicht ein programmierter Wissensstand einfach nicht aus. Der Computer muss lernen können.

In Frankreich haben sich mit Valeo und Safran zwei Zulieferer zusammengetan – der eine liefert an die Autoindustrie, der andere ans Militär. „Es hat sich herausgestellt, dass das autonome Auto nichts anderes ist als eine erdgebundene Drohne“, so ein Sprecher des Joint Ventures. Die Algorithmen, nach denen militärische Drohnen die Datenflut aus GPS und Sensorik auswerten, seien auch für Autos relevant. Stand die S-Klasse noch ratlos vor dem Fußgänger, der den Zebrastreifen nicht überqueren wollte, würde sie nach Rücksprache mit der Cloud die Winkbewegung des Menschen richtig interpretieren können.

Klingt das unheimlich? Die Autohersteller jedenfalls fürchten derzeit die Konkurrenz durch IT-Giganten wie Apple und Google am meisten. Auch diese Unternehmen möchten gern die Regeln schreiben, nach denen wir übermorgen nur noch Passagiere in unseren Autos sind. Das Wettrennen ist in vollem Gange.

AUTO DENKT, AUTO LENKT

Autonomes Fahren. Bis 2020 sollen die ersten Autos, die über weite Strecken selbsttätig fahren können, auf dem Markt sein – jedoch noch mit Menschen als höchster Instanz an Bord. Folgend sollen Roboterautos für Shuttledienste auch allein unterwegs sein. Grundlage sind Sensorik, Algorithmen und die Vernetzung mit Big Data (Cloud).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2015)

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