Espace: Die Avantgarde in Zeiten des SUVs

Espace
Espace(c) APA/EPA/FELIX KAESTLE (FELIX KAESTLE)
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Renault probiert mit dem neuen Espace die Kreuzung eines Vans mit der optischen Robustheit eines Offroaders. Allradantrieb möchte man allerdings nicht anbieten.

Die erfolgreichsten Hersteller, so seufzt da einer aus dem Renault-Management, sind die ganz Vorsichtigen. Mit Courage und Experimentierfreude lasse sich die Welt halt offenbar nicht erobern.

Mit dem Anspruch, ein kreativer Autobauer zu sein, hat Renault viel Ehre, aber tatsächlich nicht immer Triumphe eingefahren. Der auf die Avantgarde hoffende Avantime scheiterte in Schönheit, der Vel Satis als Oberklasse-Gegenentwurf scheiterte bloß. Der Mégane mit seinem aufreizenden Kuppelheck wurde schließlich dem Mainstream angepasst. Die anfänglich sehr beherzte Elektro-Offensive, nicht zuletzt mit dem etwas clownesken Twizy – ein Durchmarsch ist sie bislang nicht. Die zunehmende Globalität des Automarkts schränkt den Raum für Extravaganzen zusätzlich ein.

SUV killed the Minivan

Vor fünf Jahren begannen die Arbeiten am Espace-Nachfolger – mit dieser Baureihe hatte Renault einst ins Schwarze getroffen (die Idee des Monospace kam von außen, war zuvor bei Peugeot abgeblitzt). Doch die Beliebtheit der Minivans als Gattung hat vor ungefähr einem Jahrzehnt ihren Höhepunkt erreicht und befindet sich seither im Sinkflug. Wir wissen, wer oder was ihr das Wasser abgegraben hat: die zutiefst unfranzösische Erscheinung des SUVs.

Massig, unelegant, im Konzept voller Kompromisse, auf robuste Außenwirkung bedacht – die französischen Hersteller haben lang gezögert, bis sie auf diesen Zug aufgesprungen sind. Nach und nach werden nun die entsprechenden Modellreihen herausgearbeitet, als Nächstes: der Kadjar von Renault.

Der neue Espace markiert indes die Oberklasse der Marke. Er vertritt das mit imposanten Abmessungen, vor allem der Länge von fast 4,86 Metern. Der stolze Radstand von 2,88 Metern birgt einen Salon von Innenraum, der mit drei Sitzreihen bestückt ist.

Die Besonderheit des neuen Espace ist aber seine Erscheinung, die eine Kreuzung aus Minivan und SUV darstellen soll, oder genauer: aus Espace und SUV.

Verwegenes Blech

Dazu ist zweifellos ein gewisser Spagat notwendig. Das Charakteristische am Minivan ist das One-Box-Design, oder anders gesagt: die perfekte Raumausnützung einer Schuhschachtel (ohne dass es zwangsweise so aussieht, das ist dem Espace in vier Generation immer gut gelungen). Dem entgegengesetzt will das SUV eine nennenswerte Motorhaube vor sich hertragen (für den Innenraum verlorener Platz), und es besteht auf groß ausgeschnittene Radhäuser zur Unterbringung von viel Federweg, Bodenfreiheit und stattlichen Rädern.

Für den gewünschten robusten, ja verwegenen Eindruck funktioniert zudem eine hohe Fensterlinie am besten, also viel Blech, wenig Glas. Der klassische Minivan mit seiner Glashausatmosphäre funktioniert genau andersrum.

So kann das Auge gar nicht anders, als ein wenig irritiert zu sein vom Anblick dieser ungewöhnlichen Fahrzeugform. Zudem hat sich der neue Espace auch mit seinen Proportionen vom Minivan-Muster entfernt: Er ist breiter, länger und ganze fünf Zentimeter niedriger als der Vorgänger. Das lässt ihn schon einmal dynamischer auf der Straße stehen als jeden Espace zuvor.

Im Inneren mögen diese Zentimeter fehlen für den zimmerartigen Eindruck des Alten. Ausreichend Platz sollte dennoch vorhanden sein. In gehobener Ausstattung hat Renault das Auto ganz schön herausgeputzt. Es mangelt nicht an Chrom, und in vielen Details finden sich aeronautische Bezüge. Etwa beim Automatikhebel, der an einen Schubregler erinnert.

Völlig neu ist auch das Bordsystem, mit dem sich Renault für alle Spielarten der Konnektivität gewappnet hat. Alles an standesgemäßer Elektronik, vom automatischen Abstandhalten und Einparken bis zu den üblichen Fahr-Assis, ist selbstredend zumindest optional verfügbar. Leider ist die sehr effektive Vierradlenkung der obersten Stufe vorbehalten. Sie erleichtert das Rangieren spürbar. Eher eine Überraschung: Allrad ist generell nicht zu haben.

Im ersten Fahreindruck vermochte der Espace durchaus zu glänzen: leise, komfortabel, aber auch ausreichend agil. Der wohl gefragteste Motor, ein 1,6-Liter-Diesel mit 160 PS (auf Wunsch mit Sechsgangdoppelkupplungsgetriebe), bleibt mit 120 g CO2 unter der kritischen Grenze für eine kommende Dienstwagenbesteuerung. Das ist ein schlauer Zug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2015)

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