Auf den zweiten Sprung

The new Jaguar XE sports saloon car is seen during the second press day ahead of the 85th International Motor Show in Geneva
The new Jaguar XE sports saloon car is seen during the second press day ahead of the 85th International Motor Show in Geneva(c) REUTERS
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Mit dem XE möchte die britische Sportwagenmarke Jaguar ab Juni ein neues Kapitel aufschlagen: als smarte Wahl im Firmenfuhrpark.

To make a long story short: Wenn du kein Angebot für Firmenflotten hast, kannst du dir als Autohersteller jede Wachstumsstrategie schon im Vorhinein aufzeichnen.

Mit dem X-Type nahm Jaguar 2001 unter der Ägide von Ford den ersten Anlauf, schminkte einen Mondeo auf Old-british-Außendienstler (es war nicht ganz so, kam aber so an) – und landete einen Bauchfleck.

Aufstehen, Krone richten, weitermachen: 14 Jahre später startet der Eroberungsfeldzug 2.0. Mit ungleich besseren Voraussetzungen. Unter der Eignerschaft der indischen Tata-Gruppe genießt Jaguar/Land Rover höchste Autonomie, zeitgleich fließen Mittel für die notwendigen Investitionen. Jaguar durfte diesmal einen Jaguar schaffen.

Gegen Süddeutschland

Die leichte, windschnittige Alu-Karosserie des XE ist denn auch einmal mehr ein skulpturales Meisterstück aus der Maßschneiderei von Chefdesigner Ian Callum. Die optische Nähe zum (demnächst ebenfalls neuen) XF ist durchaus gewollt: Jaguar ist eine Marke, die man auf der ganzen Welt kennt – aber kaum einer weiß, wie die heutigen Autos aussehen. Also gilt es, um JLR-CEO Ralf Speth zu zitieren, „Farbe ins Straßenbild zu bringen“, ein Markengesicht mit Wiedererkennungswert zu schaffen.

Nicht weniger begeisternd ist die Fahrdynamik des XE, ist er doch angetreten, um den Spagat zwischen den komfortableren und den sportorientierteren Modellen der Mitbewerber (kurz gesagt, der drei Süddeutschen) zu bewältigen.

Nach den ersten 400 Kilometern im verkehrsarmen baskischen Hinterland schwenken wir das Transparent mit der Parole „mission accomplished“. Holprige Landstraßen steckt das Fahrwerk ebenso elegant weg wie lästige Temposchwellen, aber die Straßenlage begeistert selbst dann, wenn nicht Sprit sparen, sondern Zeit sparen das Maß der Dinge ist.

Stichwort Lenkpräzision: Die elektrische Servolenkung ist bei ihrem ersten Serieneinsatz bereits sehr gut abgestimmt.

Weniger sympathisch ist die selbst ohne Glasschiebedach beschränkte Innenhöhe. Es ist nicht erfreulich, wenn in einem doch stattlichen Auto das Haupthaar am Dachhimmel streift.

Luft nach oben

Apropos: Jede Menge Luft nach oben findet sich bei der Gestaltung des Armaturenbretts hinsichtlich Haptik und Anmutung – egal, ob die Erbsenzähler im Konzern falsche Prioritäten setzten oder ein halb fertiger Entwurf finalisiert wurde: Da geht noch was, wir freuen uns schon jetzt auf das Facelift in drei, vier Jahren.

Zum Zweck des Antriebs stehen zwei Diesel und drei Benziner parat, das Spektrum reicht von 99 g CO2/km bis zu 250 km/h – freilich wahlweise, und nicht mit demselben Motor. Alle Aggregate sind mit einer Achtgangautomatik bestellbar, als Preislistenkosmetik (und für Modernitätsverweigerer) können die Dieselmotoren auch als Sechsganghandschaltvariante geordert werden. Von den insgesamt fünf Modelllinien werden hierzulande nur vier Bedeutung erlangen, das Topmodell S mit 340 Kompressor-PS aus einem pfauchenden V6 ist eher für den Schweizer Markt interessant. Als Insider-Information darf gelten, dass Jaguar wieder Reihensechszylinder ins Programm nehmen wird, aber nicht vor dem Facelift.

Unter 120 Gramm

Österreichs Sprit- und Autosteuern lenken des Fuhrparkmanagers Fokus punktgenau auf die beiden Zweiliterselbstzünder mit 163 PS (ab 37.000 Euro) und 180 PS (ab 37.650 Euro), die beide unter der pekuniär-psychologisch markanten Schwelle von 120 Gramm CO2 gemäß NEFZ-Norm bleiben. Nächstes Jahr sind dann die meisten Modelle auch als Allradler zu haben.

Auf einen Kombi zu warten, zahlt sich hingegen nicht aus – dahingehend ist nämlich noch nichts entschieden, außerhalb der D-A-CH-Region wird diese praktische Karosserieform bekanntlich nicht rasend nachgefragt.

Derzeit springen per annum rund 300 Großkatzen in die Zulassungsstatistik, mit dem ab Juni erhältlichen XE wird sich diese Zahl gewiss erhöhen. Drei Jahre Garantie ohne Kilometerbegrenzung sowie in der Kaufsumme eingepreiste Servicearbeiten bis 60.000 km oder 36 Monate sollen das rationale Fundament zur emotional einfach gemachten Kaufentscheidung liefern. Das macht die designfreie Zone über dem Handschuhfach gleich ein wenig erträglicher.

JAGUAR XE

Maße. L/B/H: 4672/1850/1416 mm. Radstand: 2835 mm. Leergewicht: ab 1530 kg. Kofferraumvolumen: 450 Liter.

Motoren/Preise. XE E-Performance Sechsgangschaltgetriebe (163 PS) ab 37.000 Euro (Achtgangautomatik ab 39.900 Euro). XE 20d Sechsgangschaltgetriebe (180 PS) ab 37.650 Euro (Achtgangautomik ab 40.250 Euro). XE 20t Achtgangautomatik (200 PS) ab 41.850 Euro. XE 25t Achtgangautomatik (240 PS) ab 45.700 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2015)

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