GLE Coupé: Wenn Elefanten galoppieren

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Aufholen reicht nicht: Mit dem GLE Coupé trachtet Mercedes, am ewigen Konkurrenten gleich vorbeizuziehen.

Das schrägste Format wird spätestens dann zur Normalität, wenn es Nachahmer gefunden hat. So geschehen im Fall des BMW X6, der von Mercedes nachträglich den Anerkennungspreis in Form des GLE Coupé bekommen hat.

Das mag lang gedauert haben, was wohl zweierlei Gründe hat. Zum einen war der beachtliche Erfolg des X6, diese unwahrscheinliche Kreuzung aus massigem SUV und coupéhafter Ausgestaltung, nicht wirklich absehbar.

Zum anderen hat sich Mercedes auf keinen Schnellschuss eingelassen, sondern mächtig ausgeholt. So wurde nicht nur der Name der ausgelaufenen M-Klasse in die Mottenkiste gesteckt. Die neu begründete GLE-Baureihe als M-Klasse-Nachfolger ist generell der Versuch, BMW noch auf der Überholspur zu überholen.

China bestimmt

Und dazu gehört natürlich eine Coupé-Variante à la X6, um des Käufers Gelüsten nach mehr Extravaganz und Straßenpräsenz Rechnung zu tragen. Das gilt auch für unsere Breiten, doch liegt nicht falsch, wer im chinesischen Markt den entscheidenden Impulsgeber vermutet.

Der X6 hat seine Fans, keine Frage, und er ist in neuer Generation wohl auch etwas versöhnlicher geraten. Dennoch gibt es nicht wenige, die ihn für eine reine Monstrosität halten. Diese Polarisierung wollte Mercedes im Sinn eines erweiterten Käuferkreises umgehen. Es ist zwar schwer, aus einem hochbeinigen 2,3-Tonner eine Grazie zu zaubern, aber alles in allem hat Mercedes mit dem GLE Coupé eine ganz gefällige Erscheinung hinbekommen – sofern man akzeptieren kann, dass diese Art von Autos jene Rolle übernommen haben, die einst Sportwagen innehatten.

Zu Gast in Bayern

Ein Stichwort. Denn mit dem GLE Coupé führt Mercedes alte Markenklischees ad absurdum. In Sachen Dynamik hat man nicht bloß den Anschluss gesucht, sondern ist dem Rivalen BMW glatt vorausgeeilt, so unser Eindruck nach ersten Testfahrten, wohl nicht ganz zufällig im bayerischen Allgäu.

Die Motoren starten nicht unter 258 PS (beim 3,0-Liter-V6-Diesel des 350d, ab 76.650 Euro) und beinhalten gleich drei AMG-Varianten von 367 über 557 bis 585 PS. Die allerstärkste, im GLE 63 S Coupé (ab 161.160 Euro), mobilisiert aus dem 5,5-Liter-Biturbo-V8 gewaltige 760 Newtonmeter. Spätestens damit lernen auch Elefanten das Galoppieren.

Die Einsteigervariante 250d (204 PS, ab 59.490 Euro) und den Plug-in-Hybriden 500e (Systemleistung 442 PS, ab 76.210 Euro) überließ man dem konventionellen Format des GLE (siehe unten), fürs Coupé sind beide nicht zu haben. Coupé heißt also, dass die Geschäfte zufriedenstellend laufen, und dass man keinerlei Absicht hegt, ins Gelände abzubiegen. Die Coupés sind fahrdynamisch für die Straße gebürstet, und zwar kräftig.

Ohne zu schaukeln

Die aktive Wankstabilisierung kennt man schon zum Beispiel aus dem Porsche Cayenne, dennoch staunt man, wie sich dieses große, schwere Auto durch die Kurven wuchten lässt, ohne zu schaukeln oder einzuknicken. Alles, was GLE Coupé heißt, hat zudem Allradantrieb und Neungangautomatik, mit Ausnahme der beiden V8 von AMG, die haben sieben Gänge.

Muss ein ausgewachsenes SUV wirklich durch die Kurven zischen wie ein Sportwagen? Falsche Frage: Man kann, also tut man, da scheint man dem Premium-Siegel schuldig.

Erstaunlich nur, dass man bei all dem technischen Aufwand einem Detail zu wenig Beachtung geschenkt hat: Das Rädchen, mit dem man die Fahrprogramme von Komfort bis Sport wählen kann, wirkt wie das Rädchen zum Einklappen der Außenspiegel – haptisch völlig unbefriedigend. Das zelebriert BMW mit dem Fahrerlebnisschalter wesentlich nachhaltiger. Es gibt also doch noch etwas, was die Schwaben von den Bayern lernen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2015)

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