Mercedes S-500: Das Coupé für die Kaiser von China

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wenn S bei Mercedes für die Meisterklasse steht, ist das Coupé das mobile Elysium. An diesem Ort funkeln Swarovski-Kristalle und duftet es aus massivmetallenen Lüftungsdüsen. Ein Biturbo-V8 ist hier das Mindeste.

Die Ära Dieter Zetsche, die gewiss nicht ohne Tiefpunkte verlaufen ist, wird vermutlich als die glanzvollste in die jüngere Geschichte der Daimler-Bosse eingehen. Nach seinen zwei Vorgängern, die sich mit waghalsigen unternehmerischen Ausritten (einmal in die Luftfahrt, einmal in die Welt-AG) um ein Haar verloren haben, ist mit dem Techniker Zetsche seit 2006 wieder einer am Ruder, der sich um die Autos kümmert.

Neustart

Der komplette Neustart der A-Klasse mit ihren vielen teils schillernden (und kostengünstig zu produzierenden) Derivaten muss bislang als durchschlagender Erfolg gelten – nicht nur vom schieren Absatz her, sondern vor allem auf der alten Großbaustelle der Marke: das Durchschnittsalter der Käufer zu senken. Denn sonst würden sie irgendwann aussterben, die Mercedes-Fahrer.

„How cool is that!“, ruft Zetsche denn auch auf internationalen Präsentationen gern, und er meint damit Modelle und Features der Marke, ohne dass es unpassend klänge. Die Tuning-Rabauken von AMG sind zur eigenen Marke geadelt für alle, für die es ein bisschen mehr sein darf, und mit dem neuen GT hat man sogar einen spektakulären 911er-Konkurrenten im Haus. Veteranen wie die in Graz gebaute G-Klasse ließ man nicht sanft entschlafen, sondern möbelte sie mit viel Geschick zur regelrechten Cashcow auf. Mercedes ist unter Zetsches Regentschaft sogar ziemlich cool geworden.

König der Unterwelt

Die wichtigste Baureihe für Zetsche ist aber die S-Klasse, das ist bei der Marke traditionell so, und dort wiederum ist das Coupé für die Verjüngung zuständig. Zunächst besann man sich einmal auf den Wert des Labels: Der Name CL der Vorgänger wurde entsorgt, das Coupé trägt jetzt auch das prestigeträchtige S am Heck. Wer soll es aber fahren?

Früher gab es dafür zwei Zielgruppen: Wer beruflich lang genug in der S-Klasse unterwegs war, hatte gute Chancen, im Ruhestand auf das Coupé umzusteigen. Die andern waren Unterweltkönige.

Seit China aber der vielleicht wichtigste Markt geworden ist, haben sich die Dinge gedreht. Dort zählen Prestige, Prunk und Coolness, wofür Designchef Gorden Wagener die richtige Formensprache gefunden hat, assistiert von Glamour-Gadgets wie Innenraumbeduftung und LED-Scheinwerfern mit Swarovski-Kristallen (je 47 Stück, knapp 3000 Euro Aufpreis).

Das drohende Problem, das S Coupé könnte womöglich nicht teuer genug sein, hat man mit zwei AMG-Varianten, die tief ins Bentley-Territorium ragen (darunter der crazy S 65 mit 630-PS-Zwölfzylinder), behände aus der Welt geschafft. Tatsächlich entspricht der Manufakturcharakter des Interieurs dieser Positionierung. Im S Coupé befindet man sich an einem der feinsten Orte auf vier Rädern, vorausgesetzt, man lässt an Extras auftischen wie eine hungrige Großfamilie bei Pekings Da Dong. 50.000 Euro sind da im Nu verplant; die Idee, dass eine 360-Grad-Kamera, wie sie jeder Nissan serienmäßig an Bord hat (wenn auch nicht ganz so schön ausgeführt), nicht noch extra kosten sollte, kann wohl nur uns Normalo-Autokäufern kommen.

Logische Linie

So sind dann auch die meisten Assis an Bord, die dem Fahrer das Alltagsgeschäft abnehmen: Abstand und Spur halten etwa. Nicht wirklich neu, aber ziemlich ausgereift: Das Auto beobachtet (per Radar, Infrarot und Stereokameras) Bodenmarkierungen ebenso wie das vorausfahrende Auto und errechnet aus beidem die vermutete logische Linie, der die Lenkung dann selbsttätig folgt, solang sich auch des Fahrers Hand dann und wann bemerkbar macht. Funktioniert, entlastet, hat Zukunft. Man will sich ja schließlich auch noch ein wenig in den Tiefen des Bordsystems verlieren und schauen, was es alles gibt.

Wir waren einigermaßen bodenständig unterwegs im S500 4Matic, quasi Einstiegsmotorisierung: Biturbo-V8, 455 PS, und darunter möchte man sich auch nichts vorstellen. Denn so viel braucht es schon, um über zwei Tonnen kristallin glitzernde Opulenz mit völliger Nonchalance auf das jeweils gewünschte Reisetempo zu heben. Mit dem schmeichelnden Nachdruck eines startenden Jets zieht es den Hinterkopf tief im weichen Leder, bis man bald an den Autopiloten übergibt.

Sportwagen ist das S 500 Coupé sicherlich keines, mit Kurven wird es eher fertig, als dass es in ihnen aufgeht. Interessiert hätte uns der aktive Wankausgleich, der sich Kurven entgegenstemmt und die Fliehkräfte reduziert, doch den gibt es in Kombination mit Allradantrieb nicht. Die zwei angetriebenen Achsen sind ohnehin wichtiger, denn nichts wäre unwürdiger als ein niederes Ringen um Traktion. Wer im S Coupé sitzt, will schließlich um nichts mehr betteln.

MERCEDES S500 COUPÉ 4M

Maße. L/B/H: 5027/1899/1411 mm. Radstand: 2945 mm. Leergewicht: 2090 kg. Kofferraumvolumen: 400 Liter.

Motor. V8-Zylinder-Otto-Biturbo, 4663 ccm. Nennleistung 335 kW (455 PS) bei 5250–5500/min. Drehmoment 700 Nm bei 1800–3500/min.

Allradantrieb. Siebengangautomatik.

0–100 km/h in 4,6 sec. Vmax 250 km/h. Testverbrauch 11,5 l/100 km. CO2-Emissionen 232–219 g/km lt. Norm.

Preis ab 156.320 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2015)

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