Audi R8: Im Auge des Huracán

(c) Christian Houdek
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Stier fahren, aber es muss ja nicht jeder wissen. Trotz enger Verwandtschaft mit dem Lamborghini Huracán ist der Audi R8 das derzeit dezenteste 600-PS-Monster.

Der R8 ist Audis Unanständigkeits-Wauwau. Der bügelfaltenfreieste seiner Art, vierfach beringte Traum nicht nur aller im A4 dahindieselnder Vertreter. Der Ingolstädter, der beim Ausatmen nach Stier riecht – verdankt er seine Existenz doch der Verpartnerung Audis mit Lamborghini.

Wem der 2014 erschienene und technisch so gut wie baugleiche Lamborghini Huracán optisch und akustisch zu laut ist, kann das 610-PS-Paket nun auch dezenter genießen. Obwohl der feuerrote Startknopf mitten am Lenkrad schon für mentales Vorglühen sorgt. Sonst: Sportliches Ambiente sauberster Art – und das Design der Klimaregler in der Mitte erinnert an die guten, alten Zuckerlspender, wie sie der TV-Trödeltrupp ab und zu noch findet.

Mit dem zentralen TFT-Display samt digitaler Instrumentensimulation hat sich aber auch die Generation Playstation verewigt. Zum Start schnalzen die Anzeigen einmal um ihre Skalen. Dass der V10 jetzt am Leben ist, weiß aber auch so jeder – sein heißeres Aufbellen fährt den Nacken des Fahrers hoch und wird dann zu einem knurrenden Lauern.

Der V10 schöpft auch ohne Turbo-Zwangsbeatmung bei jeder Drehzahl optimiert Kraft – dank kombinierter Saugrohr- und Direkteinspritzung. 3,2 Sekunden auf hundert sprechen für sich. Ja, er hat sogar Zylinderabschaltung und Segelfunktion. Wen das berührt, der ist sicher auch leidenschaftlicher Allergenverordnungsleser.

Die Siebengang-S-Tronic sortiert ruckfrei die Gänge rauf und runter, der Triebwerkssog hält bis 8700 Touren – spätestens dort schreit die Maschine nach Gangwechsel, um einen Wimpernschlag später wieder dem roten Bereich entgegenzupreschen.

Das Herantasten an seine Grenzen ist serienmäßig an Bord: Mit Fahrmodusauswahl und mehrstufig ausknipsbarer Traktionskontrolle wird die Fahrphysik des Mittelmotor-Quattros Schritt für Schritt spürbarer. Zum Lenken ist zunehmend das Gaspedal da, das Volant braucht's mehr zum Festhalten. Wem die Nervenenden das Tänzeln der Kräfte um die Fahrzeugmitte vermelden, wer den in Echtzeit wechselnden Grip an Vorder- und Hinterachse fühlt, der hat den R8 verstanden.

Natürlich kann er auch brav Milch holen, zumindest ein Kind zur Schule bringen, Wochenendeinkauf für den Singlehaushalt heimkarren – unwürdige Sportwagendiziplinen. Wer sich um die immerhin 242.000 Euro nicht auch ab und zu den Rest gönnt, hat sein Geld nicht gut angelegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2015)

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