Erdgasautos: Die vergessene Alternative

Röntgenblick auf den 170 PS starken Audi A4 Avant g-tron, der ab 2016 mit Erdgas und Benzin fährt.
Röntgenblick auf den 170 PS starken Audi A4 Avant g-tron, der ab 2016 mit Erdgas und Benzin fährt.(c) Werk
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Sowohl von der Politik als auch von Neuwagenkäufern werden Autos mit Erdgasantrieb stur übersehen. Das ist paradox, denn die Technik bietet, was gerade derzeit so gefragt ist: Sie ist umweltfreundlich und billig.

Erdgasautos haben ein massives Imageproblem. Warum haben sie sonst einen so schweren Stand im Land? Betrachtet man die Argumente, die für die Antriebsart sprechen, müssten sie sich eigentlich verkaufen wie warme Semmeln. Tatsächlich werden sie nachgerade ignoriert, seit dem Jahr 2000 wurden nur etwa 10.000 dieser Fahrzeuge zugelassen. Allein der VW Golf schafft diese Zahl in einem halben Jahr.

Dabei sind Autos, die mit Erdgas fahren, noch sauberer als Benziner und sparsamer als Diesel – und bei einem Unfall ebenso sicher wie die beiden. Glauben die Käufer dennoch, dass bei einem Crash die Tanks hochgehen wie die Pyrotechnik in „Stirb langsam“, oder dass man damit nicht in Tiefgaragen einfahren darf?

Die Wahrheit dürfte wohl sein, dass Erdgasautos kein schlechtes, sondern überhaupt kein Image haben. Man vergisst offenbar, an sie zu denken, wenn über die Probleme des Straßenverkehrs diskutiert wird. Halten wir deshalb fest, warum ein höherer Anteil dieser Gattung im Fahrzeug-Mix auf unseren Straßen wünschenswert wäre. Erdgas hat eine höhere Energiedichte als Diesel und Benzin und ist im Betrieb schon grundsätzlich sparsamer. Als CNG (Compressed Natural Gas) in die Drucktanks eines Autos gepackt, verbrennt es zudem nahezu schadstofffrei, was die aufwendige Abgasreinigung erspart.

Während ein Dieselmotor im realen Betrieb nachweislich Schadstoff-Emissionen weit über den Grenzwerten zeitigt, vor allem beim Stickstoffdioxid (NO2), bleibt CNG auch bei realer Erprobung weit unter den Grenzwerten, wie sie für Diesel und Benziner gelten. Feinstaub? Entsteht überhaupt keiner.

Zwar ist Erdgas ein fossiler Energieträger, doch lässt sich seine CO2-Bilanz von der Gewinnung bis zur Verbrennung relativ einfach verbessern. Biogas lässt sich aus biogenen Abfällen gänzlich klimaneutral und in Tankstellenqualität herstellen. Immerhin zwei solcher Anlagen sind in Österreich in Betrieb. Zudem lässt sich ins Gasnetz bis zu zehn Prozent Wasserstoff einspeisen, den man mit dem überschüssigen Strom aus Windkraft klimaneutral gewinnen kann – auch solche Anlagen laufen bereits in Deutschland.

Bestnoten in Luftqualität und Klimaschutz – warum will dennoch niemand endlich Gas geben?

Für die Politik dürfte die Materie schlicht nicht sexy genug sein. Man macht sich lieber für das Elektroauto stark, eine Technologie, die anerkanntermaßen in den Kinderschuhen steckt und zur Lösung unserer Probleme absehbar nicht viel beitragen wird.

Seitens der Hersteller steht man vor dem Henne-Ei-Problem – das mangelnde Käuferinteresse beflügelt die Marktstrategen nicht gerade, und die Käufer wiederum finden just ihr Wunschmodell nicht mit CNG-Antrieb.

Schließlich zeigen sich die Händler wenig motiviert, wie man aus Erfahrungsberichten weiß. Der Erklärungs- und damit Zeitbedarf des Verkäufers ist hoch, der Bonus für ein verkauftes CNG-Modell niedriger.

Was ein Händler indes bewerkstelligen kann, zeigt ein Beispiel aus Innsbruck. Dort verkauft ein einziger Fiat-Betrieb fast ein Drittel der 700 in diesem Jahr im Land zugelassenen CNG-Autos. Fiat hat den Antrieb traditionell im Repertoire, Italien ist Erdgasland mit etwa 850.000 Fahrzeugen.

Was fehlt also in Österreich, um die Nachfrage zu fördern?

Derzeit sind 22 CNG-Pkw-Modelle auf dem Markt. Nicht berauschend, wenn auch einige Neuzugänge angesagt sind. So kommt der neue Audi A4 Avant im nächsten Jahr als 170 PS starke CNG-Variante, neben dem A3 der zweite „g-tron“ im Sortiment der Marke, die in einem Pilotprojekt auch selbst e-Gas herstellt und ins deutsche Netz einspeist. Wie die meisten CNG-Autos, etwa von Mercedes, sind A3 und A4 g-tron bivalent zu betreiben, können also mit Erdgas und Benzin getankt und betrieben werden – Reichweite: um die 1000 km.

Die Versorgung ist mit 175 Erdgastankstellen im Land akzeptabel, aber ausbaufähig. Wenig hilfreich für den Erdgasantrieb ist freilich der billige Ölpreis, der den preislichen Vorteil im Betrieb derzeit etwas mindert, aber keineswegs aufhebt. Ein Kilogramm Erdgas kostet knapp einen Euro, beim A4 g-tron ist der Verbrauch mit unter vier Kilogramm pro 100 km angegeben.

Auch die Politik bewegt sich, aber in die falsche Richtung: Im Rahmen der Steuerreform wird mit Ende des Jahres der NoVA-Bonus von 600 Euro beim Kauf eines Erdgasautos gestrichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2015)

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