Defenders Finale: Der Letzte dreht das Licht ab

Autoproduktion wie vor 50 Jahren: Beim Land Rover Defender wird noch zugepackt, nicht robotisiert – ein paar Wochen noch.
Autoproduktion wie vor 50 Jahren: Beim Land Rover Defender wird noch zugepackt, nicht robotisiert – ein paar Wochen noch. (c) Werk
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Englische Off-road-Ikone, letzter Teil: Die Produktion des Land Rover Defenders läuft Anfang 2016 aus. Nicht alle betrauern das.

Solihull, UK. Der 26. Jänner 2016 ist ein Tag, an dem Geschichte geschrieben wird. Um genau zu sein: das Ende einer Geschichte, die 1947 im Sand der Insel Anglesey vor der walisischen Küste begonnen hat.

Rover-Chefingenieur Maurice Wilks suchte für seinen Landbesitz ein neues Arbeitsgefährt. Auf Jeep-Basis wurde ein erster Prototyp mit 80 Zoll (2,3 m) Radstand ersonnen, die Stahlknappheit der Nachkriegszeit hat man mit Flugzeugaluminium ausgebremst, und ein paar Lackdosen mit Aircraft Cockpit Green der königlichen Luftwaffe waren auch greifbar.

Robuste Fangemeinde

Der allererste Vorserien-Land-Rover wird nach seinem Nummerntaferl HUE 166 unter dem Spitznamen Huey als Legende verehrt; ihm ist auch das Sondermodell Heritage Limited Edition in der schön nostalgischen Lackfarbe Grasmere Green gewidmet. Über zwei Millionen verkaufte Exemplare, von denen sagenhafte drei Viertel bis heute noch on- und offroad herumfahren, sind ein schöner Beweis für eine robuste Fangemeinde, die hinsichtlich Komfort nur beschränkte Ansprüche stellt.

Es regnet

So ist die Sitzposition im Defender im freundlichsten Fall als kurios zu bezeichnen, für Personen jenseits der 1,80 Meter gilt sie als Verhörmethode. Die Windschlüpfrigkeit entspricht der einer Heuhütte, die Beschleunigung kann trefflich mit einer angebundenen Kuh verglichen werden. Im Innenraum zu vernehmende Fahrgeräusche verhindern außerhalb des Ortsgebiets verlässlich jeglichen Zank. Spaltmaße können Sie mit dem Daumen ausmessen, gelegentlich regnet es folglich ins Auto hinein, eine Art Regensensor vor der elektronischen Zeit.

Der Verlust der längs angeordneten Sitzbänke wurde von den europäischen Zulassungsbestimmungen ebenso erzwungen wie der Einbau eines ABS. Mit der Einstufung als Lkw konnte dem Typisierungsregulativ noch ein wenig Gnadenbrot abgetrotzt werden.

Gerade kostendeckend

Der aus dem Ford Transit entliehenen Selbstzünder erfüllt die Euro-5-Abgasgrenzwerte, doch jetzt türmen sich Hindernisse auf, an denen der Defender scheitert: Euro 6. ESP. Airbags. Fußgängerschutz.

Die Kostenrechner des Konzerns werden gewiss aufatmen, wenn Defenders final curtain fällt: Er steuert zum Gewinn nichts bei, er ist gerade kostendeckend. Was vielleicht an dem aus heutiger Sicht eher disproportionierten Personalaufwand liegt: 650 Personen arbeiten am Defender.

Wir sprechen also über eine Manufaktur, jedes Fahrzeug ist ein Unikat: Für die Bohrlöcher der Nieten, die eine ganz wesentliche Aufgabe beim Zusammenhalt der Karosserie erfüllen, gibt es keine Schablone. Die entstehen stets aufs Neue mit Augenmaß, Erfahrung, Gefühl. Und alles in Handarbeit. 110 Autos bauen sie pro Tag, 72 Stunden vergehen vom ersten Handgriff bis zum fertigen Auto, alle sechs bis zehn Minuten wird ein Defender fertig.

Beim Range Rover ist das Verhältnis umgekehrt. Da sind es 600 Roboter und eine Handvoll Menschen. Hier lacht das Herz des Erbsenzählers: Exakt alle 75 Sekunden ploppt ein Range vom Band. Und das im Dreischichtbetrieb. Bei 90 Prozent geringerem Stromverbrauch im Vergleich zur Defender-Fertigung.

160 Besucher nutzen täglich die Möglichkeit, im Rahmen der Defender Celebration Tour einen letzten Blick in die historischen Werkshallen zu machen. Mit dem Ende der Defender-Baureihe, wie wir sie heute kennen, werden die Werkzeuge abgebaut und eingemottet; eine außereuropäische Weiterproduktion ist nicht geplant.

Die historische Backsteinfassade der Lode Lane Factory mit der hölzernen Drehtür steht unter Denkmalschutz, der Rest wird geschleift. Das Gebäude hat sich mittlerweile an das darin entstehende Produkt angepasst – richtig geraten: Es regnet hinein. Die aktuelle Defender-Belegschaft wechselt geschlossen zu Jaguar. Der Letzte dreht das Licht ab.

SCHICKE 4X4-IKONE

Der 1947 als Land Rover konstruierte Wagen wird seit 1948 in vier Modellgenerationen verkauft: Serie I bis 1958, Serie II bis 1971, Serie III bis 1984. Das aktuelle Modell heißt erst seit 1990 Defender. Für viele Menschen entlegener Weltteile ist der Defender das erste Auto, das sie in ihrem Leben zu Gesicht bekommen haben. Hierzulande wurde er nicht zuletzt durch „Daktari“ berühmt – expeditionsmäßig ausgerüstete Fahrzeuge taugen aber auch in Innenstädten als Poserfahrzeug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2015)

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