Der freundliche Riese vom Berg

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Der Mercedes GLS ist ein Landhaus von einem Auto, dabei rundum manierlich zu fahren. Die Kletterpartie zur dritten Sitzreihe kann entfallen – dank eines kunstfertigen Tricks.

Größe ist bekanntlich relativ, und so wird die Ausdehnung des Mercedes GLS in den USA, dem wichtigsten Markt für das Modell, keine große Bestürzung hervorrufen. Das meistverkaufte Auto in den Staaten ist der Ford F-150, ein Pick-up-Truck, der in kürzester Version 5,3 Meter lang ist, und auch sonst tummeln sich eine Menge große Trümmer auf den Straßen (die allerdings auch breiter sind als bei uns). Dort fügt sich der GLS mit etwas über 5,1 Metern Länge gerade noch in das beliebte Segment der sogenannten Full-Size-SUV.

Aus dem Vollen geschöpft

Es hat ja auch Vorteile, wenn man aus dem Vollen schöpfen kann. „Raum und Volumen sind durch nichts zu ersetzen“, doziert ein Mercedes-Techniker bei der Vorstellung des Autos, und die schöne Weisheit zielt einmal nicht auf den Motorraum, wo sie auch nicht mehr ganz so gültig ist, sondern auf die dritte Sitzreihe des als Siebensitzers konzipierten SUV. „Die ist normalerweise so beliebt wie die Strafbank beim Eishockey“, hören wir weiter, was sich durchaus mit eigenen Erkenntnissen deckt. Beliebt sind die Klappstühle im Laderaum normalerweise nur bei Kindern, die noch einen unverstellten Sinn für das Originelle haben und überdies gerne klettern. Die Übung kann für Erwachsene im GLS nun nahezu entfallen.

Origami-Akt

Ein Knopfdruck an der Lehne der zweiten Sitzreihe löst einen Origami-Akt aus, den wir uns mehrmals hintereinander anschauen mussten. Zuerst fährt die Bank – eigentlich: der Einzelsitz – zurück, um sich nach vorne ausreichend Platz zu schaffen, dann klappt die Lehne hinunter, gefolgt von einem schwungvollen Kopfstand des gesamten Möbels, womit der Weg in die dritte Reihe frei wäre, mit nebenbei noch Platz für eine Waschmaschine.

Auf dem dick belederten Einzelsitz mit etwas Schwung beim Einsteigen angekommen, spürt man keine drangvolle Enge, allein im Fußraum kann es etwas eng werden, wenn die zweite Reihe wieder errichtet ist. Man genießt sonst aber viel Platz in alle Richtungen und sieht ohne Hindernisse aus dem Fenster. Umgelegt hat man einen normalen Gurt, der dem Sitz entspringt und nicht etwa dem Dachhimmel.

Dass der GLS bei entsprechender Zuzahlung auf den traditionell eher symbolisch gemeinten Basispreis bei Komfort und Luxus alle Stücke spielt, darf man bei der „S-Klasse unter den SUV“, wie das bislang GL geheißene Auto geführt wird, beruhigt voraussetzen. Wie bei der kleineren Baureihe GLE kann man das Fahrprogramm mit einem Schalter wählen, wenn es also ins Gelände geht oder man es für eine flotte Kurvenfahrt straffer haben möchte. Die Luftfederung Airmatic ist Standard.

Das wirklich Bemerkenswerte am GLS erscheint uns, dass man das Design so gut hinbekommen hat. Das Auto ist fast comichaft überzeichnet, dies aber kunstvoll, so wirkt es wie ein sehr großes, aber auch athletisches und kräftiges Tier.

Auch beim Fahren befehligt man keinen ungelenken Koloss, sondern ein erstaunlich leichtfüßiges Autos, dessen tatsächliche Größe man sich oft mit einem Blick nach hinten in den Fond in Erinnerung ruft. So kommt es auch vor, dass man vor Kurven auf einer Bergstraße unbesorgt bremst wie in einem normalen Pkw, der keine 2,5 Tonnen wiegt – was den GLS nicht in Verlegenheit bringt, aber man kann regelrecht fühlen, welche Energie da an den Bremsscheiben eilfertig vernichtet wird.

In diesem Haus von einem Wagen fallen auch die Türen ins Schloss, ohne dass dies irgendeinen Eindruck auf das Gemäuer machen würde. Nicht unsympathisch: Ein Auto, das seiner eigenen Größe gewachsen ist.

MERCEDES-BENZ GLS 4MAT.

Maße: L/B/H 5130/1934/1850 mm. Radstand 3075 mm.

Leergewicht 2435–2580 kg.

Ladevolumen 680–2300 Liter. Allrad.
Motoren/Preise:
350d (V6-Diesel, 258 PS) ab 88.660 Euro. 400 (V6-Benzin, 333 PS) ab 94.450 Euro. 500 (V8-Benz., 455 PS) ab 126.290 Euro. AMG 63 (V8-Benzin, 585 PS) ab 174.660 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2015)

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