Immer ein Original geblieben: Die Vespa ist 70

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Ist wirklich schon so viel Zeit vergangen? Die Vespa, Mutter aller Roller, wird 70 Jahre alt. Ersonnen wurde sie von einem, der mit Zweirädern nichts am Hut hatte – vielleicht ein Grund für ihren beispiellosen Siegeszug.

„Motorrad mit sinnfällig arrangierten Komponenten und Kotflügeln sowie Hauben, die die Technik bedecken.“ Im Italienischen klingt die Patentbeschreibung vom 23. April 1946 natürlich viel schöner.

Die Vespa hat sowohl Generationen bewegt als auch Bewegungen generiert. In Stückzahlen ist sie bis heute das wohl erfolgreichste Fortbewegungsmittel aller Zeiten.

Was tut ein Flugzeug- und Schiffshersteller, wenn er nach Kriegsende ein einfach zu fertigendes und preisgünstiges Produkt braucht? Enrico Piaggio hatte 1945 den zündenden Einfall – Kochtöpfe! Die vielleicht nur zweitbeste Idee seines Lebens. Mit dem wenig später an den Flugzeugingenieur Corradino d'Ascanio erteilten Auftrag zu Konstruktion eines Motorrollers war dieser nicht besonders glücklich: „Ich bin noch nie auf einem Motorrad gesessen!“ Piaggio, pragmatisch: „Dann können Sie die Aufgabe ja unbelastet angehen.“ So ging d'Ascanio es an. Und baute ein Motorrad, so wie er, der Nicht-Motorradfahrer, es praktisch fand. Eine selbsttragende Karosserie mit einem Beinschild als Schutz vor Spritzwasser. Dazu ein kompakter Zweitaktmotor, der ohne Kettenantrieb auskommt, sauber unter dem Blech verstaut. Schaltung, Kupplung und Bremse auf dem Lenker, wo die Hände beim Fahren ohnedies hingehören. Ob der Namen Vespa (italienisch für Wespe) den pummeligen Popsch oder das kernige Motorgeräusch meint, weiß heute niemand mehr.

Die italienische Fachpresse attestierte der Konstruktion eine desaströse Zukunft, Vertriebspartner Lancia sprang gleich ab. Aber Piaggio glaubte an sein Geschöpf, ließ die Roller auf Halde fertigen, fand neue Händler und hatte dann noch eine gute Idee: Ratenzahlung. So nimmt die Vespa schließlich rasch Fahrt auf zu ihrem Siegeszug um die Welt: ständig weiterentwickelt, aber immer ein Original geblieben.

Ihre Zuverlässigkeit wurde nur durch die nicht immer mit großem Talent glänzende Neigungsgruppe Laut & Schnell torpediert – eine originale Vespa war hingegen kaum umzubringen. Ähnlich langlebig ihre Tauglichkeit als demonstratives Vehikel der Jugendkultur – selbst wenn diese heute vornehmlich von Piloten im zweiten Frühling erspürt wird, während die eigentliche Jugend lieber mit dem Finger über das Smartphone fährt.

Die Lizenzfertigung in Asien, wo bis zu fünf Personen als adäquate Passagierzahl für einen Roller gelten, sorgt bis heute für irrwitzige Millionenstückzahlen. Vorbei ist mittlerweile die qualmschwangere Zweitakt-Ära, längst schnurren saubere Viertakter in den flinken Moped- oder teils sauschnellen Motorradrollern.

Und so mancher Motorjournalist würde heute vielleicht einem wesentlich weniger erfüllenden Beruf nachgehen, wenn er als Jugendlicher nicht in innigen Kontakt mit der Wespe getreten wäre.

In diesem Sinn: Buon compleanno, alles Gute zum Geburtstag, Vespa! Und vielen Dank für die Jahre! (pab)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2016)

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