Glaubwürdiger Rekordhalter im Abzischen

Kawasaki ZZR 1400
Kawasaki ZZR 1400(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Auf der Kawasaki ZZR 1400 gehen die Uhren anders. Aber Gelegenheit, darauf zu achten, hat man ohnehin nicht – kein Motorrad beschleunigt dieser Tage schneller auf Rennstreckentempo.

Ein Schub, der einem die Arme gefühlsmäßig lang zieht wie Spaghetti, ein Sound aus den Tiefen der Vierzylinder-Hölle und eine Optik, die mehr Gift speit als eine Kobra im Angriffsmodus. Kawasaki liebt extreme Bikes, Kawasaki baut extreme Bikes. Die ZZR 1400 markiert die Speerspitze der Supersport-Tourer, sogar Suzukis Hayabusa lässt sie in Sachen Hubraum blass aussehen. Wir hatten die Ehre und haben, mit einem gerüttelt Maß Respekt, kräftig am Gashahn gedreht.

Abzisch-Rekordhalter

Laut Hersteller hat sich das grüne Biest das Abzeichen „Serienmotorrad mit weltweit bester Beschleunigung“ verdient. Dieses wollen wir der Kawa nicht streitig machen. Von unten heraus ballert das 1,4-Liter-Triebwerk mit vollem Feuer und bringt unfassbare 200 PS und 162 Nm auf den Asphalt. Nahezu relativistische Effekte machen sich beim Beschleunigen bemerkbar, auf der ZZR ticken die Uhren langsamer – Einsteins Theorie empirisch verifiziert. Jedenfalls wirkt die Umwelt langsamer als sonst.

Dabei, und dies ist die wesentliche Neuerung am 2016er-Modell, erfüllt das Bike bereits die Euro4- Norm mit verringerten Emissionswerten. Kawasaki hat keine Kosten und Mühen gescheut und das extravagante Konzept auf die nächste Entwicklungsstufe gehoben.

Umso erstaunlicher, als die Verkaufszahlen der ZZR 1400, um es milde zu sagen, sehr moderat waren in den vergangenen Jahren. Honda schlägt da einen anderen Weg ein: Die legendäre CBR 600 RR wird aufgrund der Euro4-Norm und der gesunkenen Verkaufszahlen – es ist kaum zu glauben – 2017 zu Grabe getragen.

Am Design der ZZR 1400 hat sich gegenüber dem Vormodell nichts geändert. Die Optik verspricht, was das Fahrvergnügen einlöst: einen wilden Ritt mit exorbitanter Adrenalinausschüttung. Das Bike bietet Nervenkitzel der Extraklasse. Auch die massiven 268 Kilogramm ändern wenig daran. Die Wucht des Motors sowie die Bauweise des Bikes bieten Agilität und gutes Handling. Einzig im ganz engen Kurvengewimmel gelangt die ZZR 1400 aufgrund der langen Schwinge bald an ihre Grenzen. Die 310-mm-Doppelscheibenbremse verzögert kräftig, bleibt dabei gut dosierbar; ABS ist serienmäßig.

Es geht auch anders

Traktionskontrolle sowie ein Power-Modus (zwei Stufen) sind ebenfalls mit an Board. Die Aerodynamik ist atemberaubend. Je schneller das Bike, umso besser die Bodenhaftung; wie ein Rennwagen saugt sich die Maschine bei hoher Geschwindigkeit an die Straße.

Es geht aber auch anders. Der breite, komfortable Sitzpolster und die angenehme Sitzposition laden ebenso zu entspannten Rundfahrten zur nächsten Urlaubsdestination ein. Für die Begleitperson ist königlich viel Platz reserviert auf der Sitzbank.

So gesehen ist Kawasakis ZZR 1400 ein außergewöhnlicher Alleskönner, der einem sowohl als unvernünftiges Spaßgerät wie auch als zuverlässiger Reisebegleiter gute Dienste erweist. Unvernünftig freilich auch der Preis: Der Überschallflug über den Asphalt schlägt mit Concorde-würdigen 19.599 Euro zu Buche. (grund)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2016)

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