Nicht alle werden am Steuer bleiben

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US-INVESTIGATION-CONTINUES-INTO-TESLA-DRIVER´S-DEATH-WHILE-IN-AU(c) APA/AFP/GETTY IMAGES/SPENCER PLA (SPENCER PLATT)
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Wohin fahren wir, wenn wir das Lenkrad aus der Hand geben? Zwei Studien zur Zukunft des Autofahrens und des automatisierten Verkehrsgeschehens.

Im Vorjahr sind 479 Personen auf Österreichs Straßen gestorben, eine vielleicht weniger erschreckende Zahl, wenn man in die 1970er-Jahre zurückblickt, als der Blutzoll noch bei einem Vielfachen lag.

Andererseits sind es über elf Prozent mehr als im Vergleich zu 2014, eine bedenkliche Schwankungsbreite, und hinter der Zahl von weit über 47.000 Verletzten lassen sich bedrückende Schicksale und hohe Kosten für die Allgemeinheit erahnen. Es gibt also noch einiges zu tun.

Bringen uns automatisierte Fahrsysteme eine Lösung? Eine Studie der Boston Consulting Group (BCG) zum autonomen Fahren in Städten sieht Szenarien mit einem Rückgang von Unfällen um bis zu 90 Prozent.

Welche Wege könnten dorthin führen? Tatsächlich ist Sicherheit das zentrale Argument, das Befürworter des pilotierten Fahrens ins Feld führen. Tesla-CEO Elon Musk sprach von „automatisierten Flotten“, die lernfähig wären und zehnmal sicherer als unter manueller Bedienung. Google argumentiert ähnlich.

Treiber und Getriebene

Fest steht, dass der Startschuss für den Systemwechsel bereits gefallen ist – auf Hochdruck arbeiten die Hersteller an Sensorik zur Erkennung und den Algorithmen zur Deutung des Verkehrsgeschehens. Längst sind die traditionellen Automobilbauer nicht mehr unter sich, ein technischer Wettlauf mit neuen Playern ist im Gange.

„Die treibende Kraft ist das Silicon Valley“, erläutert Studienautorin Antonella Mei-Pochtler, Neueinsteiger wie Apple und Google stünden für einen Systemwechsel, während die traditionellen Hersteller eine „evolutorische Entwicklung“ betreiben und „sukzessiv hochrüsten“. Selbstfahrende Premiumfahrzeuge seien früher am Start, da sich dort die höheren Kosten für die erforderliche Sensorik besser unterbringen ließen.

Dies hätte aber nur einen geringen Rückgang der Automobile in den Städten zur Folge und ein Fünftel weniger Unfälle. Anders, wenn Flotten von Robo-Taxis (wie etwa von Google skizziert) die individuelle Mobilität in Städten dominieren: Dies hätte 50 Prozent weniger Fahrzeuge in den Städten und 90 weniger Unfälle zur Folge, so die Studie. Ersetzen selbstfahrende Fahrzeuge größtenteils traditionelle Autos und sind in privater Hand, führte das zu rund acht Prozent weniger Fahrzeugen in der Stadt und rund 55 Prozent weniger Unfällen.

In jedem Fall bläst den traditionellen Autoherstellern künftig ein strengerer Wind entgegen. Das Kerngeschäft – nämlich Autos, also vornehmlich Hardware zu bauen – bleibt zwar, schrumpft jedoch. Ausgeglichen kann das nur mit neuen Dienstleistungen werden, für die es aber viele neue Anbieter geben wird. Es hätten immerhin „viele Platz in den Märkten, die entstehen“, so Mei-Pochtler.

Letztlich entscheide die Akzeptanz der Konsumenten. In der Studie zeigen sich Jüngere wesentlich aufgeschlossener als etwa über 51-Jährige, die das Steuer nur ungern aus der Hand geben wollen.

Der Unternehmensberater A.T. Kearney studierte vor allem das Marktpotenzial eines Systemwechsels vom manuellen zum automatisierten Fahren: „Autonomes Fahren wird den ersten großen Wachstumsschub des 21. Jahrhunderts auslösen. Gleichzeitig markiert es das Ende der bislang bekannten Wertschöpfungskette, denn der klassische Autobauer wird nur noch einer von vielen Wettbewerbern um ein Stück vom 560-Milliarden-Dollar-Kuchen sein“, so die Studie. Die Zahl der Verkehrsunfälle ließe sich um 70 Prozent reduzieren, der Energieverbrauch durch alternative Antriebssysteme sowie Schwarm- und Konvoi-Fahrten um ein Drittel.

UNKONVENTIONELL

Im Kern ist weltweit immer noch die Wiener Straßenverkehrskonvention von 1968 gültig, die den Menschen am Steuer letztgültig in der Pflicht sieht. Mit einer Novelle des Kraftfahrgesetzes hat das Verkehrsministerium nun den rechtlichen Rahmen für automatisiertes Fahren in Österreich geschaffen. Damit werden Tests von automatisierten Fahrzeugen im öffentlichen Straßennetz unter bestimmten Voraussetzungen noch 2016 möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2016)

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