Selbstzünder auf dem Prüfstand

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Themenbild(c) Die Presse - Clemens Fabry
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BMW baut das Diesel-Entwicklungszentrum in Steyr aus. Gleichzeitig steigt der Anteil der Benzinmotorenfertigung. Angepeilt wird auch die Produktion von Elektrokomponenten.

Steyr, Oberösterreich. Ohne Österreich geht, wenn es um BMW-Selbstzünderaggregate geht, eigentlich gar nichts. Das Herz des Diesels, seiner Entwicklung und seiner Produktion, steht in Steyr, OÖ, am Zusammenfluss von Enns und Steyr.

Die nüchterne Flächenangabe von 345.000 Quadratmetern, über die sich das Motorenwerk erstreckt, ist erst vorstellbar, wenn man das Areal einmal umrundet hat. Der 1979 gegründete Industriebetrieb (Bruno Kreisky hat den ersten Spaten gestochen) ist das Diesel-Kompetenzzentrum des deutschen Herstellers. Hier werden die Motoren entwickelt, hier werden die Drei-, Vier- und Sechszylinder gebaut. Etwa alle vierzehn Sekunden läuft ein Triebwerk von den Bändern, bis zu 5000 sind es pro Tag, gesamt rund eine Million sind es pro Jahr.

Nicht nur Diesel

Es sind aber nicht nur Selbstzünder: Auch Otto-Aggregate werden zwar nicht entwickelt, aber hier gefertigt, alle Sechszylinder für die M3- und M4-Modelle.

Der Dieselmotor aber soll die Kernkompetenz der Oberösterreicher bleiben. Das Entwicklungszentrum steckt gerade mitten in einer groß angelegten, mit einer Million Euro an Investition dotierten Ausbauphase.

Erneuert beziehungsweise aktualisiert werden die bestehenden Prüfstände, weitere kommen hinzu, mit neuen Funktionen: etwa der Simulation von Klimata – Temperaturunterschiede zwischen 40 Grad minus und 40 Grad plus – und von Höhenunterschieden zwischen null und 5000 Metern. Damit sollen die nach wie vor gepflegten reellen Tests ergänzt und damit die Entwicklungszeiten verkürzt werden.

Auf dem Prüfstand steht der Selbstzünder per se derzeit nach wie vor. Dennoch bleibt BMW beim Bekenntnis zum Diesel. Das bekräftigen sowohl Gerhard Wölfel, Leiter des Motorenwerks Steyr, als auch Fritz Steinparzer, Leiter der Dieselmotoren-Entwicklung.

Hoffnung USA

In Europa liege der Anteil der Diesel-Pkw für BMW bei 80 Prozent. Stark seien in dieser Hinsicht auch die Asiaten. Genannt wird Südkorea, ebenfalls mit gut 80 Prozent, ebenso Südafrika (40 bis 50 Prozent), Südamerika sei vielversprechend, in Japan steige die Nachfrage und, dass man in China und in Amerika – vor allem im Premium-Segment – doch noch mit leistungsstarken Selbstzündern landen könnte, die Hoffnung hat man nicht gänzlich aufgegeben. In Bezug auf Verbrauchsminimierung und Emissionssenkung stecke noch eine Menge Potenzial im Selbstzünder.

Wölfel: „Wir bekennen uns weiter zum Diesel. Allen Unkenrufen zum Trotz.“

Steinparzer: „Der Diesel hat nach wie vor einen steigenden Stellenwert für BMW. Er ist nun einmal der effizienteste Verbrenner-Antrieb. Und wir haben allen Überprüfungen mehr als nur standgehalten.“

Damit spricht Steinparzer unabhängige Tests auf Schadstoffemissionen an, die im Zuge des Dieselskandals durchgeführt wurden. Als Zeithorizont für die Diesel-Zukunft nennen beide mindestens die nächsten „zehn bis zwanzig Jahre“.

Ein Statement, das nicht nur für BMW selbst und die Kunden der Propellermarke ein wirksames Mittel gegen die Verunsicherung gegenüber dem Selbstzünder sein soll, sondern auch für die rund 4000 Mitarbeiter in Steyr.

Bei allem Bekenntnis zum Diesel wird dennoch für die weitere Zukunft vorgebaut. Und die heißt, unter momentanen Vorzeichen, Elektromobilität. Die Fertigung von Benzineraggregaten – „wichtig für die Hybridisierung“ – ist zunehmend.

Interner Wettbewerb

Was Elektroautos betrifft, bewirbt sich der Standort aktuell um den Herstellungsauftrag von Bauteilen für E-Motoren, auf Basis des hauseigenen mechanischen Fertigungspotenzials – Kurbelgehäuse, Kurbelwellen, Zylinderköpfe, Pleuel (für andere BMW-Motorenwerke). Auf diesem Sektor sind, laut Wölfel, die Mitbewerber – auch externe – nicht zahlreich, aber kompetent und kosteneffizient, auch seitens BMW-externer Zulieferer.

Die Dieselkompetenz allein ist kein Selbstläufer für den Standort Steyr. Wölfel: „Wir müssen uns darüber hinaus als Standort einbringen und überlegen, was wir BMW noch anbieten können.“

Gleichzeitig läuft, neben der Neugestaltung des Entwicklungszentrums, die Modernisierung, mit den Hauptthemen Digitalisierung und Industrie 4.0, um den Standort konkurrenzfähig zu erhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2016)

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