Rolls-Royce: Ein kurzer Spuk des Geldes

(C) Werk/ Mathew Derk
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Über allen Luxusmarken thront diese eine. Mangelt es dem Land an Superreichen, dass bei uns keine Rolls-Royce verkauft werden?

Wien. Es soll nichts Schlimmeres passieren, als dass man zwischen Ghost, Dawn und Wraith wählen muss. Jeweils ein Exemplar der genannten Modellreihen ist vor dem Grand Ferdinand am Wiener Schubertring geparkt, ein Hotel, in dem es vermutlich die dazu passenden Suiten gibt (falls nicht, sollte man im Ritz-Carlton gegenüber fündig werden). Rolls-Royce stattet der Stadt einen Besuch ab und bittet zur Ausfahrt. Seitdem es keine Niederlassung der Marke mehr in Österreich gibt, schaut man von München aus nach dem Rechten.

Pflichtbewusst übernehmen wir die unangenehme Aufgabe und entscheiden uns für den zweitürigen Wraith – nachdem es regnet, kann der Dawn den Trumpf seines Stoffverdecks nicht ausspielen, und im Ghost könnte man einen womöglich für den Chauffeur halten. Als Selbstfahrer gelten freilich alle drei, lediglich im noch viel größeren Phantom sitzt der Eigentümer meist hinten, vielleicht am Bollinger aus dem Kristallglas nippend.

Wonniglich ergeben

Was immer auf vier Rädern Luxus zu verkörpern meint, sei es mit Stern, Dreizack, geflügeltem B oder springendem Pferd, gegen Rolls-Royce verblasst alles auf der Straße. Das liegt zum einen an den Tarifen, die aktuell bei 234.525 Euro ohne Steuern für das günstigste Modell gemächlich loslegen.

Zum andern ist es diese Kühlerfigur, die jeder kennt, obwohl sie sich so unerhört rar macht auf unseren Straßen – jene leicht beschürzte Dame, die sich wonniglich dem Fahrtwind hingibt. Jener Spirit of Speed (später: Ecstasy) stammt aus den Anfangsjahren der Marke, als im Wettstreit der frühen Automobilhersteller – damals auch noch der Eisenbahn! – schiere Geschwindigkeit alles war. Das ist heute etwas nuancierter.

Zwar hat der Wraith mit seinem Biturbo-Zwölfzylinder (624 PS, 800 Nm) sicherlich kein Problem mit jeder Art von Geschwindigkeit, doch wäre ein solches Auto, das auf der Überholspurt drängelt, schwere Themenverfehlung: Wer so reich ist, braucht es doch wirklich nicht mehr eilig zu haben.

Auch wenn es imposant ist, wie spielerisch sich die 2,4 Tonnen schwere Fuhre auf Reisetempo wuchten lässt (null auf 100 in unter fünf Sekunden), so geht es doch um die Botschaft des Auftritts, nach innen wie außen: Hier ist einer, der es definitiv geschafft hat.

Immer mehr können das von sich behaupten. 2013 wurden erstmals in der Markengeschichte über 4000 Fahrzeuge in einem Jahr abgesetzt, das sollte auch heuer wieder gelingen. Der kleine Durchhänger dazwischen wird mit dem verunsicherten chinesischen Markt erklärt. China ist zwar immer noch nicht zu gewohnter Form aufgelaufen, doch ist mit dem Dawn eine neue Modellreihe voll verfügbar.

Insofern matcht sich Royce nur mit Lamborghini, wo vergleichbar geringe Stückzahlen als Ausweis echter Exklusivität gehandelt werden. Noch, muss man sagen, denn beide Marken haben ein Fahrzeugformat in Entwicklung, das wie kein anderes für Furore bei den Verkäufen sorgt oder sorgen soll: das SUV. Passend läuft ein solches bei Rolls-Royce unter dem Arbeitstitel Cullinen, der Name des größten bislang gefundenen Diamanten (er befindet sich, wenn auch nicht mehr im Ganzen, im Eigentum des englischen Königshauses). Das SUV soll 2018 in Produktion gehen.

Sogar E-Mobilität ist für die Marke ein Thema, ein Konzeptfahrzeug mit elektrischem Antrieb existiert bereits. „Wenn die Städte für Autos mit Verbrennungsmotor zumachen, müssen wir sofort eine Lösung parat haben“, heißt es. Immerhin genieße man den Luxus, jederzeit in das Regal des Mutterkonzerns BMW greifen zu können.

Anders als die USA, China, die Golfregion oder Russland zählt Österreich nicht zu den starken Rolls-Royce-Märkten, was auch am fehlenden Händler liegen mag. Wer Interesse hat, muss in München oder Prag vorstellig werden. Der Finanzminister würde sich aber für eine Zulassung im Land bedanken.

CHARLES STEWART ROLLS, HENRY ROYCE

Die Rolls-Royce Motor Company startet im Jahr 1904 in London mit dem Rolls-Royce 10 hp. Während Henry Royce der geniale Ingenieur war, kümmerte sich Charles Royce, der auch als Rennfahrer, Aviator und Lebenmann eine schillernde Figur abgab, um die geschäftlichen Belange. Rolls starb bereits 1910 im Alter von 33 Jahren bei einem Doppeldeckerabsturz. 1931 übernahm Rolls-Royce den Konkurrenten Bentley (heute VW). 2003 begann die Produktion unter dem neuen Eigentümer BMW. Heute umfasst das Portfolio vier Baureihen: Phantom, Ghost, Wraith und Dawn. Für 2018 ist das erste SUV der Marke angekündigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2016)

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