Ein eleganter Panzer gegen die deutsche Preisfront

"Oh, ein schönes Auto" sagte Madame beim Erstkontakt mit dem Mègane
"Oh, ein schönes Auto" sagte Madame beim Erstkontakt mit dem MèganeGreber
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Der Grandtour, die Kombiversion des aktuellen Renault Mégane, hat das Kampffeld der Autoanbieter betreten. Der schöne, aber nicht poseurhafte Wagen gefällt sofort, der Verbrauch ist mäßig. Aber ganz makellos geht's halt doch nicht.

Hebt man die Bodenplatte des echt voluminösen Laderaums, so erscheint kein Reserverad, sondern ein Subwoofer von Bose, der einer Anti-Panzer-Tellermine gleicht. Es war jenes Teil der feinen US-Soundanlagenschmiede mit indischen Wurzeln, das mich daran erinnerte, dass Renault 1916/17 mit dem FT den ersten in Großserie gebauten Panzer entwickelt hatte, dessen revolutionäre Architektur (Drehturm!) seither alle Panzer definierte.

Nach Bose ist aber auch eine aktuelle Ausstattungsvariante des Mégane benannt, jenes Bestsellers von Renault, den die Franzosen gut 80 Jahre später, 1995, auf den Markt gebracht hatten, der revolutionär in puncto Sicherheit war, und den „Die Presse" in Form des Mégane Grandtour Bose fuhr: Ein Kombi der aktuell vierten Mégane-Generation, der jüngst in den Handel kam.

"Oh, ein schönes Auto"

„Oh, ein schönes Auto", sagte meine Madame beim Erstkontakt. Vraiment! Der 4,6-Meter-Schlitten (Testmodell in einem herrlichen rouge) mit etwas bauchigen Seiten und Heck und dem entschlossen schauenden Gesicht kommt sofort nett herüber, nicht verspielt oder poseurhaft. Das Gefühl bleibt nach dem Einsteigen: Alles lässig und solid, eine Spur 1990er, die Anzeigen eine gute Balance digital/analog, Bedienungselemente und Gesamthandling einfach, das Handschuhfach erstaunt durch fast unergründliche Tiefe.

Es ist ein Auto, das genau das tut, was erfolgreiche Produkte ausmacht: Es fügt sich ohne viel Aufhebens in den Alltag ein.

Er macht sich auch im Busch außerhalb des urbanen Dschungels gut
Er macht sich auch im Busch außerhalb des urbanen Dschungels gutGreber

Die Motoren leisten 90 bis 205 PS (Testauto: 110 PS, Doppelkupplungsgetriebe) und es soll möglich sein, das Motorgeräusch durch akustische Tricks zu tunen, aber das war kaum hörbar.

Très sexy Nappalederlenkrad

Die Ausstattungsliste ist endlos, von Reversierkamera, Zweizonenklimaanlage und Head-up-Display bis zu farblich wechselnden Anzeigen, Fahrersitz mit Massagefunktion und dem très sexy griffigen Nappalederlenkrad. Die Bose-Anlage rockt die Hütte und die Bässe pumpern, doch da scheint eine Prolo-Eindämmungsbegrenzung nach oben zu sein, weil extrem laut wird's nicht. Mon dieu, mein 1983er-Käfer ist im Vergleich dazu eine Schubkarre mit Dach und Modellfliegermotor, und sein Radio klingt, als seien die Boxen außen!

Der Grandtour, der hinten viel Beinfreiheit hat, ist indes zu niedrig, was den Kopf selbst mäßig großer Menschen beim Ein/Aussteigen zu halswirbelungünstiger Verrenkung nötigt. Das Heckfenster ist effektiv klein wie drei Bullaugen. Ungut waren schwarze, scharfkantige Plastikleisten an den Rahmen der Vordertüren, sie schnitten in die Finger. Und die Navi-Sprachsteuerung hat Deutschlernbedarf: Die Siliziumchip-Mademoiselle verstand auch beim zehnten Versuch die Adresse des Renaulthändlers in Wien nicht.

Das waren die schönen letzten Herbsttage
Das waren die schönen letzten HerbsttageGreber

Egal: Der Verbrauch (Diesel) bei 570 Kilometern Testfahrt war mit 5,3 Liter okay (die 3,7 l der Herstellerangabe sind illusorisch). Und mit Preisen ab 17.990 Euro (Testwagen plus Extras: 30.964 Euro) ist der Grandtour ein auch noch eleganter Panzer, der die deutsche Preisfront in diesem Segment bricht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2016)

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