Ausstellung: Vom Damen-Karussell zur Königsklasse

(c) Kaiserliche Wagenburg Wien
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Pferdestärken, barocke Wagenrennen und funkelnde Karossen – der Autokult ist mitnichten ein Phänomen unserer Tage. Eine Ausstellung in der Kaiserlichen Wagenburg führt durch den Fuhrpark Maria Theresias.

Wien. Die Sportart mutet nach heutigen Maßstäben etwas martialisch an und entspricht gewiss nicht der politischen Korrektheit: das Türkenkopfstechen, das im Wien des 17. und 18. Jahrhunderts zu den höfischen Vergnügungen zählte und sich als Belustigung fürs Volk bis ins 19. Jahrhundert hielt. Dabei galt es, auf Stangen befestigte nachgebildete Türkenköpfe aus Holz oder Papiermaché mit allerlei Hieb- und Stichwaffen zu bearbeiten – aus dem Sattel oder fahrenden Wagen heraus. Eine Geschicklichkeitsübung, die den Umgang mit der Waffe ebenso wie hohe Reitkünste voraussetzte.

Ausgetragen wurde das Türkenkopfstechen bei sogenannten Karussellen, wie man sie schon im Mittelalter im Rahmen ritterlicher Turnierveranstaltungen abhielt. Im 18. Jahrhundert feierten derlei Karusselle eine Renaissance, so auch in Wien.

Was sich aber am 2. Jänner 1743 in der Spanischen Hofreitschule zu Wien zutrug, war ein in jeder Hinsicht ungewöhnliches Karussell. Denn die in Quadrillen mit insgesamt acht Gespannen angetretenen Türkenkopfstecher waren allesamt Frauen – mit Maria Theresia als Anführerin.

„Reutende Frauen-Volck“

Es war ein Fest zur Feier der Rückeroberung Prags, das die Herrscherin auf ihre Weise ausrichtete: mit Frauen im Sattel. Die begeisterte und versierte Reiterin, damals 26 Jahre alt, genoss derlei Spektakel und sah keinen Grund, sich von den Konventionen der Zeit um diese bringen zu lassen.

Dass sich die Vorstellung der Kaiserin und ihrer Hofdamen auch sehen lassen konnte, bestätigt ein Tagebucheintrag über das „Damenkarussell“ vom anwesenden Hofmarschall Fürst Khevenhüller-Metsch: „Jedermann verwunderte sich, daß alles hierbei so ordentlich und ohne einigen widrigen Zustoß abgeloffen, da doch die Frauen und Hoff-Dames, so zu Pferd und in Birocci mitgerennet, sehr wenig Zeit, sich zu exerciren gehabt, und sonderlich das reutende Frauen-Volck mit schlechten und kaum zur Promenade, geschweige zu dergleichen Exercitien abgerichteten Pferden versehen gewesen.“

Ein heutiger Sportkommentator hätte nicht treffender – und in diesem Fall lobender – berichten können.

Zerstreuung der Oberschicht

Der von prächtigem Ornament überwucherte Karussellwagen Maria Theresias ist Teil einer Sonderausstellung in der Kaiserlichen Wagenburg im Schloss Schönbrunn. Geschick, Fahrzeugbeherrschung, Wagemut und natürlich das Trachten nach einem möglichst überlegenen Untersatz, ob Wagen oder Pferd – schnell werden in der sehenswerten Ausstellung die Parallelen des höfischen Treibens zu heutigen Autorennen offenbar. Es ist in der Formel 1 wohl nicht ganz zufällig von der Königsklasse die Rede. Der heutige Motorsport entwickelte sich in der Pionierzeit des Automobils aus einer sportiven Zerstreuung, die aus Geld- und Zeitgründen der meist adeligen Oberschicht vorbehalten war.

Erst recht verblüffen die Parallelen, wenn es um den Ausdruck von Prestige geht. Der Autokult ist mitnichten eine Erscheinung unserer Tage. Kein noch so teures Auto reicht heran an die Kutschen des kaiserlichen Fuhrparks, der gut 500 Exemplare umfasste. Straßenverkehrsordnung brauchte es keine – wozu auch, die Dinge waren klar geregelt: Wagen des Hofes hatten immer Vorfahrt. Man erkannte sie in Wien am dunklen Grün mit goldenen Streifen, je breiter der Streifen, desto höher der Stand.

Die feinen Herren – und mit Maria Theresia als Vorkämpferin auch die Damen – langten durchaus selbst beherzt in die Zügel. Der Adel war fasziniert von der Beherrschung des Pferdes, ganz der ritterlichen Tradition verhaftet. In der Ausstellung der Wagenburg sind auch Kinderwagen zu bestaunen – Miniaturen, die es an handwerklicher Opulenz nicht missen lassen. Als Spielzeuge waren die kaiserlichen Kinderkutschen nicht gedacht: Die Kleinen hatten möglichst bald zu lernen, eingespannte Zugtiere zu befehligen. Nicht zwangsläufig Pferde, man fing mit Ziegen an.

Als Mittel der Repräsentation kam den Kutschen und Wagen größte Bedeutung zu – sie waren in der Regel das Einzige, was das Volk von seinen Herrschern zu sehen bekam. Und da zeigte man sich nicht verlegen, gehörig Eindruck zu schinden.

Eine spektakuläre Restaurationsarbeit in der Wagenburg förderte an Maria Theresias Prunkkutsche ein Erscheinungsbild zutage, wie es ihre Zeitgenossen erlebten: Unter Schichten späterer Übertünchung legten die Restauratoren ein Silberfirnis frei, aufgetragen auf Paneele aus Blattgold. Im Sonnenlicht muss dieser Wagen gefunkelt und geglitzert haben, dass der barfüßige Untertan auf der Straße wohl gern an den göttlichen Charakter seiner Herren – und dieser einen besonderen Frau – glauben mochte. Vergleichbare Wirkung lässt sich heute auch mit einem Bugatti nur schwer erzielen.

KAISERLICHE WAGENBURG WIEN

Große Jubiläumsausstellung anlässlich des 300. Geburtstages von Maria Theresia. Bis 29. November 2017. Schloss Schönbrunn, 1130 Wien. Öffnungszeiten täglich 9 bis 17 Uhr.

Literaturempfehlung: „,Die Presse‘ Geschichte: Maria Theresia, Österreichs große Herrscherin“. 122 Seiten, 8,90 Euro, erhältlich im Zeitschriftenhandel oder online bestellbar auf diepresse.com.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2017)

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