Zwei Tonnen Luxus For(d) the Rich

Oh Dude! Beim Wintereinbruch kürzlich fühlte sich der bullige US-Boy fast wohler als auf langweilig trockenem Asphalt.
Oh Dude! Beim Wintereinbruch kürzlich fühlte sich der bullige US-Boy fast wohler als auf langweilig trockenem Asphalt.(c) Clemens Fabry
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Der US-Autobauer Ford lässt sein dickes Flaggschiff Edge auf Wunsch zu einem so edlen wie vollbepackten Juwel schleifen. Und dennoch bleiben Kratzer.

Und dann brach vorige Woche jäh der Winter ein, und die Sache wurde cool: Mehr als eine Woche lang war das Zweitonnentrumm von Automobil etwas phlegmatisch erschienen, aber beim Lenken doch so hypersensibel, dass es zum Ausbrechen neigte. Doch kaum lagen fünf Zentimeter nassen Neuschnees auf der Straße, tollte der Ford Edge darauf wie ein junger Bär herum, nahm steile, in den weißen Feldern kaum erkennbare Nebenpisten wie die Eisenbahn und brach bei einer forcierten Kreiselfahrt auf einem rutschigen (und leeren) Parkplatz keinen Zentimeter aus, sondern zeichnete einen exakt runden Herrn der Ringe in den Schnee.

Das lag wohl nicht daran, dass man den Edge („Kante"), mit dem der US-Autobauer seit 2006 in die SUV-Oberliga drängt (erst seit 2016 auch in Europa), im Grunde im schneeophilen Kanada baut: Denn Autos wie jenes, mit dem „Die Presse" das Vergnügen hatte, werden letztlich im Ford-Werk im warmen südspanischen Valencia zu dem veredelt, was Ford jetzt unter seiner Luxusstufe "Vignale" versteht: ein Riesenpaket an Design und Ausstattung, mit dem auch den kleineren SUV-Bruder Kuga oder die Mondeo-Kombis/Limousinen auf edel polieren kann, wer sich's leisten mag.

Henry Ford als Kommunist

In der Tat steige die Nachfrage nach topnoblen Wagen im SUV-Sektor, berichtet Ford, und so fangen die Preise für den Edge Vignale bei etwa 56.000 Euro, für den Kuga Vignale bei 40.000 € an. Das Edge-Basismodell rollt ab ca. 46.000 € los. Firmengründer Henry Ford (1863–1947) war da vergleichsweise Kommunist, denn er verließ seine 1901 gegründete Firma, da er billige Wagen fürs Volk, die Geldgeber aber teure Schlitten bauen wollten. Also entstanden 1903 seine Ford Motor Company for the masses – und Cadillac für die upper class.

Heute matcht sich der Edge Vignale mit Kreuzern wie Audi Q5, Volvo XC60, Jaguar F-Pace, doch ist sein Name eine Vorfrage: Was bedeutet Vignale? Wie spricht man das aus? Bezieht es sich auf die einstige Karosseriebaufirma in Turin? Die Orte im Piemont und auf Korsika? Auf den italienischen Kardinal? Und was kriegt man damit?

Nun, ein edles US-Car mit sinnlich wuchtiger Front und ebensolchem Hintern, feinziseliertem Bienenwabenkühlergrill, schnittigen Heckleuchten, einem gerüttelt Maß an auch holzfällerhemdtauglichem Chic und einer Flut an Zeugs, die Skeptiker zum „Was da alles hingehen kann"-Gesicht zwingt – dabei quillt schon die Basisversion über.

Also etwa: Rückfahrkamera, adaptive Scheinwerfer, Um-die-Ecke-schau-Optik, klimatisierte Vordersitze, besticktes Leder überall, kaum wo klingt es beim Klopfen billig, ein Sony-Multimediasystem, Sprachsteuerung (etwas holprig), permanentes Allradgetriebe, schöne Felgen, a lot of space innen (mit umgeklappten Rücksitzen ist's ein Kleinlaster), abnormal viele, teilweise überraschend auftauchende Ablagen. Und viel Chrom! Lustig ist der Fußgestensensor unter dem hinteren Stoßfänger, mit dem man die Heckklappe öffnen kann, ohne die Kiste Bier erst abstellen zu müssen.

Abkoppeln von der Umwelt

Und doch war oft das Gefühl, all die Tasten und Anzeigen lenkten ab. Die verstellbare Lenkung reagierte hektisch. Die Bremse könnte kräftiger anziehen, sie sonderte bisweilen auch strenge Düfte ab. Die nur zwei verfügbaren Motoren (Diesel) sind mit 180 und 210 PS etwas mau, trotz bis zu 450 Nm Drehmoment, so wirkt das Beschleunigen elefantisch. Der 210-PSler nahm (Messstrecke 420 km) 8,3l/100 km (Normverbrauchsangabe: 5,9l) zu sich. Und bei all dem Überfluss: Wieso beinhaltet Vignale offenbar nur Lackierungen in Schwarz, Weiß, Grau und einer Art Schwarzbraun?

Auch der Effekt des Geräuschdämpfungssystems "Active Noise Control", das Außenlärm durch gegenläufigen Schall löscht, wirkte so-so: Innen ist es fast drückend still, aber man koppelt sich irgendwie von der Welt ab wie diese seltsamen urbanen Kopfhörerfußgänger und -Biker. In meinem 1983er-Käfer ist's dagegen wie in der Blechtrommel, aber man bleibt mit der Umgebung verbunden. Das kann fürs Erfassen der Verkehrslage halt lebenswichtig sein. Und Schneefahren mit dem Edge kommt dann auch cooler.

DATENBLATT EDGE VIGNALE

Maße. L/B/H: 4808/1928 (o. Spiegel)/ 1707 mm. Radstand: 2850 mm. Masse leer: 1912–1949 kg. Laderaumvolumen: 602 bis (Rücksitze umgeklappt) 1847 l.

Motor. (Testauto) Bi-Turbo-Vierzylinder TDCi, 1997 cm3, Leistung: 154 kW (210 PS), max. Drehmoment: 450 Nm. 0–100 km/h in ca. 9,5 Sec. Vmax: 211 km/h. Testverbrauch: 8,3 l/ 100 km. Sechsgangautomatik, Allrad permanent.

Preis.Vignale-Basismodell ab 56.500 € brutto, Testwagen: 64.370 €. Ford-Edge-Basisversion Trend: ab 45.900 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2017)

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