Hand am Strome

Den Golf GTE hielten manche für den GTI – doch hier steckt Technik dahinter, die eigentlich dem Sparen dienen soll.
Den Golf GTE hielten manche für den GTI – doch hier steckt Technik dahinter, die eigentlich dem Sparen dienen soll. (c) Juergen Skarwan
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Volkes Wagen ist das keiner mehr. Doch der Golf GTE versucht auch nach Kräften, zwei Autos gleichzeitig zu sein. Der Hybridantrieb erlaubt je nach Steckereinsatz an der Ladesäule sehr weitgefasste Verbräuche.

Den Hybridantrieb, wie ihn Toyota millionenfach auf die Straße gebracht hat, ließ die Autoindustrie in Deutschland links liegen. Man hatte ja den Diesel.

Als man zur Ansicht gelangte, mit TDI und Co. allein doch nicht durchzukommen, schwang man sich gleich zum Plug-in-Hybrid auf. Fast alle deutschen Hersteller haben ihn heute im Programm.

Mit dem klassischen Hybrid nach Prius-Vorbild hielt man sich dagegen nicht auf, Motto „Einfach kann's ja jeder“. Dabei ist schon dieses Konstruktionsprinzip alles andere als simpel oder unaufwendig. Dass es im Sinn seiner Erfinder funktioniert, braucht man nur bei Prius-Fahrern zu erfragen.

Schade, dass derlei nicht von VW, BMW oder Mercedes zu haben ist – es wäre interessant gewesen. Denn der Hybrid ist ja nicht nur ein sparsamer Verbraucher, der es allerweil mit einem knausrigen Diesel aufnehmen kann. Er bietet auch viel Fahrkomfort durch leisen Betrieb und geschmeidiges In-Bewegung-Setzen. Abgasprobleme kennt er sowieso keine, er nicht so schwergewichtig und weniger teuer als Plug-Ins. Vielleicht hätten die Deutschen das Getriebethema anders (und besser) gelöst, die zum Heulen neigende CVT-Automatik befremdet nach wie vor viele Fahrertypen.

Mit allen Schmankerln

Nun also die Plug-in-Variante am Beispiel des erneuerten Golf GTE, alle Schmankerln aus dem Konzernregal sind verbaut: Turbodirekteinspritzungsbenziner (aus Platzgründen leicht versetzt vorn eingepasst) Doppelkupplungsgetriebe, E-Maschine samt 8,7-kWh-Akku. Ergibt ansehnliche Fahrwerte. Und einen Preis, der deutlich über dem GTI liegt. Das kann man teilweise mit der feinen Grundausstattung pardonieren. Aus Spargründen wird sich aber niemand einen Golf GTE anschaffen. Vielleicht gibt es andere Motive. Denn wir haben es mit höchster, finessenreicher Antriebskultur zu tun.

Wie beim E-Golf hat sich Volkswagen beim GTE keine Blöße gegeben. Das Zusammenspiel der Komponenten ist so vorbildlich, dass man meinen könnte, VW hätte jahrelang nichts anderes praktiziert. Allenfalls an Kofferraum mangelt es, da betreiben die Akkus Raubbau. Doch sonst meint man fast, zwei Autos in einem zu fahren. Rein elektrisch sind 40, 45 Kilometer möglich, für viele ausreichend für den Weg ins Büro und zurück. Das System ist so kalibriert, dass man tief ins Gaspedal steigen kann, um flott zu beschleunigen, aber noch nicht den Verbrennungsmotor auf den Plan zu rufen. Beim Boosten wirft der GTE alles ins Gefecht: die volle Leistung des aufgeweckten Benziners und jene des Elektromotors, macht gesamt 150 Kilowatt – nicht viel weniger als der leibhaftige GTI. Dazu passt das große, verchromte Doppelendrohr, nicht gerade ein Low–Emission-Statement.

Der Sportsgeist des GTI, er erwacht im GTE trotzdem beim Sparen. Möglichst viel von der kostbaren Energie zurück in die Stromspeicher! Möglichst lang will man elektrisch rollen, bevor der Verbrenner in Erscheinung tritt – was man kaum hört oder spürt, sondern am Drehzahlmesser abliest.

Boosten kann nur, wer genügend Saft in den Akkus hat, dazu braucht es mehr als Notreserven. Ist keine Ladesäule zur Hand, kann man Strom über den Benzinmotor beziehen, wahlweise auffüllen oder Ladestand halten. Was man schnell am Verbrauch merkt.

Im digitalen Cockpit liest man weit gefasste Verbräuche ab. Auf der Kurzstrecke, mit zwischendurch aufgeladenen Akkus, sind es exotische Zahlen im Bereich von drei, vier Litern. Auf der Langstrecke, die der Verbrenner allein bestreitet, fällt das hohe Gewicht zur Last: Über siebeneinhalb Liter sind für ein, ja luxuriöses 200-PS-Auto respektabel, eignen sich aber kaum, um zu imponieren. Vor allem Prius-Fahrern.

VOLKSWAGEN GOLF GTE

Maße: L/B/H: 4276/1799/1484 mm. Radstand: 2630 mm. Leergewicht: 1615 kg. Kofferraumvolumen: 272–1162 Liter.

Motor: R4-Zylinder-Otto-Turbo, 1395 ccm. Leistung max.: 110 kW (150 PS) bei 5000–6000/min. Drehmoment max.: 250 Nm bei 1500–3500/min.

E-Motor: Leistung max.: 75 kW (102 PS) bei 2500/min. Lithium-Ionen-Akkus, Ladekapazität: 8,7 kWh. Elektr. Reichweite: 45–50 km. Systemleistung max.: 150 kW (204 PS).Drehmoment max.: 350 Nm.Leergewicht: 1615 kg. 0–100 km/h in 7,6 sec. Vmax: 222 km/h.

Testverbrauch: 4,4 bis 7,9 l/100 km.
Frontantrieb. Sechsgang-DSG.

Preis: ab 40.900 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2018)

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