Neuvorstellung: Warum erfrischt uns Dacia bloß so?

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Was als Billigmarke für Schwellenländer gedacht war, hat sich als ausdauerndes Preis-LeistungsWunder entpuppt. Mit dem Lodgy schafft Dacia nun Platz für bis zu sieben Personen.

Die kuriose Karriere der Marke, deren Wiedergeburt eigentlich primär für den Einsatz in Schwellenländern ersonnen war, und die nun mit überraschendem Furor die gesättigten Märkte Europas stürmt, lässt sich anhand eines aktuellen Beispiels versinnbildlichen: In wenigen Wochen begeht Dacia sein Debüt in Großbritannien, während gleichzeitig die Konzernmutter Renault einen teilweisen Rückzug von der Insel angetreten ist – die Hälfte der Modelle wurde wegen Aussichtslosigkeit aus dem Angebot genommen.

Das soll nicht bedeuten, dass unter dem Dach der Billigmarke die besseren Renault entstehen – obwohl die Idee nicht ganz ohne Charme ist. Dacia hat im Gegensatz etwa zu Škoda keine nennenswerte Geschichte. Was ab dem Jahr 1966 auf Geheiß der rumänischen Regierung entstand, waren anspruchslose Nachbauten von Renault-Modellen, die auf freieren Märkten wenig bis gar nicht gefragt waren. Richtig los ging es erst mit der Übernahme durch die Franzosen, die 2004 zum überraschend gut angenommenen Logan führte.

Korrekte Anmutung

Zwar hat dieses Modell seine Schuldigkeit getan und läuft bei uns nur noch als Kombivariante MCV, doch gab es die Linie vor, im Wesentlichen bis heute unverändert: passables Design, einfache Verarbeitung bei korrekter Qualitätsanmutung, viel Platz, ein für schlechte Wege taugliches Fahrwerk und natürlich der Preis, der stets alles unterbietet, was an Vergleichbarem auf dem Markt ist.

Unter Beibehaltung der Koordinaten, aber schon mit deutlich mehr Selbstbewusstsein trat Mitte 2010 der Duster im Fach der kompakten SUVs auf. Um das Segment der Monocabs kümmert sich ab sofort der Dacia Lodgy.

Hier streiten beispielsweise VW Touran, Opel Meriva und Renault Scénic um Käufer mit familienorientierter Transport-Agenda, wobei sich der Lodgy gleich mit der nächstgrößeren Kategorie anlegt. Beim Ladevolumen böte er je nach Sitzkonfiguration mehr Platz als der Opel Zafira und auch als der Renault Espace, so Dacia. In jedem Fall wäre der tiefste Preis für einen Siebensitzer auf dem Markt verankert, nämlich 11.680 Euro, während der Fünfsitzer-Lodgy mit 9990 Euro das markant Vierstellige vertritt.

Die sieben Sitze, untergebracht auf knapp 4,5 Meter Fahrzeuglänge, sind keine Mogelpackung, selbst als Erwachsener findet man in der dritten Reihe auf zumutbare Weise Platz. Die Bank kann man im Ganzen nach vorn klappen, um mehr Laderaum zu schaffen, zu diesem Zweck kann man weiters die zweite Sitzreihe nach vorn klappen und darauf mit Gurten die lose dritte Bank schnallen, wobei dies eine Arbeit ist, die man nicht täglich ausführen möchte.

Wie gewohnt für einen Dacia hat der Lodgy weiche Sitzpolster, gegen größere Auslagen auch mit Leder überzogen. Neu ist der schon kühnere Einsatz von Chrom im Innenraum und auch außen (am Kühlergrill), passend zu dieser Geste von Opulenz ein modernes Bordsystem für Navi und HiFi per Touchscreen, hübsch anzusehen und simpel in der Bedienung, da kann Renault noch etwas lernen. ESP ist bei allen Modellen an Bord. Aus dem Cockpit gibt es sonst nicht viel zu berichten, es ist nüchtern und zweckmäßig, am ehesten kann man über die Getränkehalter meckern, die schlankeren, durchaus weit verbreiteten Formaten keinen Halt bieten.

Dacia hat relativ direkten Zugriff auf die Konzernregale von Renault, das betrifft, ganz abgesehen von der Fahrzeugarchitektur, die vom Scénic stammt, auch die Motoren. Neben dem etwas gar bescheidenen 1,6-Liter-Benziner mit 82 PS wird sich das Interesse auf die zwei 1,5-Liter-Diesel mit 90 und 107 PS bündeln. Ob der schwächere mit 200 Nm Drehmoment und 4,2 Liter Normverbrauch ausreicht, hängt von der zu erwarteten Besetzung ab. Voll beladen – und es geht ja einiges rein – wird man sich wohl die zusätzlichen 17 PS und 40 Newtonmeter des stärker ausgelegten Motors wünschen.

Der größte Trumpf, neben Preis und schierem Platzangebot, ist das Talent des Lodgy für schlechte Straßen. Eher war es schon leichtes Gelände, das wir flott und mit dem größten Komfort durchfuhren, ohne dass die Federung ein einziges Mal durchgeschlagen hätte. Undenkbar in den heutigen, dümmlich straffen SUVs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2012)

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