Jaguar F-Type S: Durchs wilde Kurvistan

Jaguar FType Durchs wilde
Jaguar FType Durchs wilde(c) REUTERS (MIKE SEGAR)
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Nobler hätte das Unterfangen nicht sein können: Jaguar rettet den Sportwagen.

Die Gegend  ist für uns leider ein bisschen weit entfernt für eine schnelle Ausfahrt. In der Provinz Navarra, die man zum Baskenland zählt und die es eher nur erduldet, Spanien anzugehören, gibt es Straßen mit allen Arten von Kurven, die Gott verboten hat – sollte es ihm tatsächlich ein Anliegen sein, dass wir bald alle nur noch Elektroautos fahren. Wir treffen hier auf jede Art von Biegung, die ein Stück Asphalt machen kann, auf Kurven der gestreckten und geschreckten Art, lang gezogene und kurz angebundene, Kehren mit und ohne Lehren (etwa Tanklastzüge auf der Gegenspur), etwas für Schlenker oder auch Verrenker. Weil wir uns am Rand der Pyrenäen spielen, geht es auf und ab, rauf und runter, und aus Gründen, die wir irgendwo zwischen Wirtschaftskrise, ruraler Strukturschwäche und Wochentag verorten, gibt es praktisch keinen Verkehr.

Mit anderern Worten: ein hartes Los, Beifahrer zu sein.
In dieses Szenario bettet Jaguar die erste Vorstellung der neuen, vierten Baureihe der Marke. Es ist ein Sportwagen, und das ist nicht so selbstverständlich, wie es klingen mag. Erstens hat sich Jaguar seit Erscheinen des ikonenhaften E-Type gut 50 Jahre Zeit gelassen, etwas wie einen Nachfolger auf den Markt zu bringen. Und zweitens: Wie bequem wäre es für das Management gewesen, auf die Controller zu hören und ein SUV zu lancieren. Die ganze Technik der Konzernschwester Land Rover, ein bisschen sportlicher getrimmt als deren Autos, und ab nach China und überall sonsthin, wo das Format megagefragt ist.

Stattdessen Sportwagen. Eine Gattung, der nur ein knappes Prozent aller Autos auf der Welt angehört (und nicht einmal annähernd so viel in aktuellen Wachstumsmärkten wie China, Indien und Russland). Im Bestand gefährdet wie der bengalische Tiger: Zweisitzer, Stoffdach, mit so wenig Kofferraum, dass Damen zunächst an einen frivolen Scherz glauben.
Aber wie zum Teufel, scheint man bei Jaguar zu fragen, konnte es so weit kommen, dass Sportwagen mit dem Zentimeterband beurteilt werden oder danach, ob ein Golfbag reinpasst? Keine Frage: Dieser Firma, einer englischen, geht es um die Haltung.

Womit wir wieder beim Beifahrer wären. Und den Kurven. Jaguar hat keinen puristischen Racer im Sinn gehabt, wie man das eine Zeitlang vermutet hat, darauf deuten schon die über 1,5 Tonnen Leergewicht hin, trotz Aluminiumbauweise. Die Gewichtstreiber sind die üblichen: Komfort (praktisch alle Goodies sind zu haben, bis zur beheizten Frontscheibe), Sicherheit (Airbags sonder Zahl, Pop-up-Motorhaube für den Fußgängerschutz, die allgemein robuste, solide Wahrnehmung), die Vorrüstung für 500 PS in stärkster Variante, und es mögen ja irgendwann noch mehr werden.
Der F-Type ist aber weit davon entfernt, sich schwer oder behäbig anzufühlen. Im Gegenteil: In schnellen Kurven weiß man das beruhigende Phlegma eines nicht Lotus-leichten Autos bald zu schätzen, und da spricht nicht nur der Beifahrer. Die Ingenieure des Supercars Nissan GT-R zum Beispiel predigen ganz offensiv den Sicherheitsfaktor Gewicht – solange nur genug Power dahinter ist.

Um Schmalz wiederum ist der F-Type nicht verlegen. Schon in der quasi Basisversion nicht, als 3,0-Liter-V6 mit 340 PS. Die Mitte gestaltet der F-Type S, der aus dem gleichen Motor 380 PS holt – was neben einiger Zusatzausstattung den Charme hat, dass das Gewicht gleich bleibt. Den großen Hammer schwingt der V8, fünf Liter Hubraum supercharged, wie er auch dem weniger zarten Range Rover Beine macht. Alle Motoren holen ihren Dampf aus einem Kompressor, was mittlerweile zu einer Trademark der Marke geworden ist. Alle Welt setzt auf Turbo, nur die Engländer aus Gaydon nicht, mit der begnadeten Begründung: Unsere Ingenieure finden, dass das einfach besser zu Jaguar passt. Vorteil in harter Währung: sanftere – oder besser besonders lineare Kraftentfaltung, permanente Verfügbarkeit der Power ohne Turboloch.

Jeder der drei Typen überzeugt auf seine Weise. Die 340 PS des Basic-V6 wollen fahrerisch einmal wirklich ausgeschöpft werden, überdies hält man zur 100.000-Euro-Schwelle einen Sicherheitsabstand, den man für feine Ausstattung (oder einen Kleinwagen) nutzen kann. Der 380-PS-V6 ist die Mitte, die gemeinhin als klug gilt. Das Preisleistungswunder ist in jedem Fall der V8 mit brüllenden 495 PS, der nicht so viel mehr kostet, wie er eine eigene Liga beansprucht – ein Tier von einem Motor, Klangspektakel und unerschöpfliche Kraft, und man kann bei 124.000 Euro immer noch sagen: günstiger als ein Aston Martin.

Die Frage nach Porsche wird bei Jaguar mit einem gewissen Ennui aufgenommen. Man betrachte Porsche nicht als Konkurrenten, denn wer einen Porsche wolle, der kaufe ohnehin einen. Zudem liegt der F-Type zwischen den Klassen, reiht sich also nicht artig bei Boxster oder 911 ein, sondern ebenso dazwischen wie auch darüber. Mit dem Fahrerlebnis verhält es sich ähnlich.

Das Cockpit des F-Type ist smart eingerichtet, mit unglaublicher Stilsicherheit in Details wie in der Gesamtwahrnehmung. Einziger Gag nach Art der Houdini-Effekte in heutigen Jags: Der zentrale Kanal mit Lüftungsdüsen öffnet und schließt sich bedeutungsvoll je nach Klimaeinstellung. Sonst: pure Funktion, hauptsächlich in Form des hübschen Wählhebels der formidablen Achtgangautomatik. Niemand übrigens, der sie probiert hat, im atemlosen Kurvenscharmützel ebenso wie im sedierten Stadtverkehr, wird in Sachen Doppelkupplungsgetriebe Fragen offen haben.

Der F-Type ist eine Liebeserklärung an den Sportwagen an sich. So hingebungsvoll trompetet und posaunt der V6 aus den zwei mittigen Endrohren, die wie Instrumente gearbeitet sind. Gezielte Fehlzündungen legen den Soundtrack für einen Tag auf der Straße, der sich noch ein bisschen verwegener anfühlen soll, als er wirklich ist. Damit wir uns nicht missverstehen: Die Straße hält der Jaguar eisern im Griff, da scheuert und schmiert es erst, wenn man wirklich grimmig hantiert am Volant. Beifahrer haben dann nichts zu lachen. Wie sich das gehört in einem richtigen Sportwagen.

Eine Frage der Haltung

Den F-Type gibt es als 3,0-Liter-V6 mit 340 oder 380 PS und als 5,0-Liter-V8 mit 495 PS. Alle mit Kompressor. Und Stoffdach.

Name: Jaguar F-Type S
Preis: 98.900 Euro
Motor: V6-Kompressor, 2995 ccm
Leistung: 380 PS bei 6500/min
Gewicht: 1592 kg
0–100 km/h: 4,9 Sekunden
Vmax: 275 km/h
Verbrauch: 9,1 l/100 km laut Norm
CO2: 213 g/km laut Norm

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