Range-Rover: Ein Automobil hält Hof

Herrschaftlicher Blick und viel Abtrieb durch einen  Karbon-Frontsplitter aus dem Rennsport.
Herrschaftlicher Blick und viel Abtrieb durch einen Karbon-Frontsplitter aus dem Rennsport.(c) Juergen Skarwan
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Wo die prächtigsten Kutschen des Kaiserreichs parken, gestattet man nicht jedem Emporkömmling die Zufahrt.

In der Wagenburg im Schloss Schönbrunn, dort, wo früher Stallungen  und Winterreitschule waren, steht am Ende der Austellung ein Auto. Ein einziges, inmitten von Kutschen. Es blickt zum Ausgang, als hoffte es darauf, demnächst gestartet zu werden und ins Freie zu gelangen, auf die Straße. Dazu würde es, anders als die Kutschen im Saal, keine Pferde brauchen, nur etwas Treibstoff und einen kundigen Fahrer. Es ist der Kaiserwagen, der 1919 von Kaiser Karl I. ins Schweizer Exil mitgenommen wurde, das einzige der fast 50 Hofautomobile, das sich bis heute erhalten hat: ein Gräf & Stift aus Wien, Baujahr 1914, Holzkarosserie, Vierzylinder-Benzinmotor mit 7,4 Liter Hubraum, Leistung 45 PS, bis 90 km/h schnell. Das Auto wird vielleicht nie wieder fahren. Hier steht es, als würde es neben der Schauhalle auch das Ende des Kaiserreichs markieren. Den Niedergang der alten Welt mit ihren Rössern und Kutschen. Wenn wir eine Zeitreise ins Wien der Kaiserzeit unternehmen, müssen wir uns drauf einstellen, viel zu Fuß zu gehen. Wer weiß schon, welchem Stand wir angehören würden? Ein Ritt in der Postkutsche war schon Luxus. Das gemeine Volk reiste auf Schusters Rappen; wer von Wien nach Linz musste, der ging eben, bis er in Linz war.



Wien war neben London und Paris Zentrum des Wagenbaus, mit der Rossau als quasi Kutschencluster. Es gab Riemer, Sattler, Schlosser und Wagner, das Business war ein riesiger Wirtschaftsfaktor. Wiener Kutschen galten als besonders elegant (wenn auch als nicht ganz fehlerfrei), Agenten aus London wurden nach Wien geschickt, um die angesagten Farben der kommenden Saison auszuspähen. Die englische Feder hingegen galt als gut, aber teuer. Eine Wiener Erfindung war die Wurst, eine Droschke, auf der man rittlings sitzen konnte – auf einem Verbindungsstück, das die sinnbildlich begabten Wiener eben alsbald Wurst getauft hatten. In diesem Kasten waren oft Gewehre für die Jagd verstaut. Neben einer solchen Jagdwurst (in der Ausstellung jene von Kaiser Franz I.) gab es freilich auch Landauer, Berline-Coupés, Landauletts und Kaleschen. Was ein Reisewagen war, hatte besonders kräftige Räder und Federn und auf Dach und Hintergestell fixierte Koffer. In der Ausführung „Dormeuse“ konnte ein Bett für zwei Personen hergerichtet werden, ein Schlafabteil. Die Fahrt würde uns wohl eher an eine Seereise als eine Autofahrt erinnern.

Eine eigene Kutsche – das kann man heute bestenfalls mit einem Privatjet vergleichen. Wer heute empört auf Luxuslimousinen zeigt und die Ungerechtigkeit der Welt anprangert, würde auf dieser Zeitreise bald den Notausgang suchen. Kein noch so teures Auto unserer Tage reicht heran an die Kutschen des kaiserlichen Fuhrparks, der gut 500 Exemplare umfasste. Es gab keine Straßenverkehrsordnung – wozu auch, die Dinge waren klar geregelt: Wagen des Hofes hatten immer Vorfahrt. Man erkannte sie in Wien am dunklen Grün mit goldenen Streifen, je breiter der Streifen, desto höher der Rang. Auf unserer Zeitreise wäre eine Kutsche vermutlich alles, was wir – im besten Fall – von unseren Herrschern zu sehen bekämen. Eine Adelsfamilie hatte für jeden Anlass einen Wagen, so umfasste der Fuhrpark schnell einmal 20 Kutschen. Wer sonst noch richtig reich war, etwa frühe Indus-trielle, konnte sich mitnichten frei auf dem Kutschenmarkt umschauen. Luxusgesetze regelten alles, vom Aussehen bis zu den technischen Ausführungen des Fuhrwerks. Die bestechend komfortable achtfache Federung etwa war der Hofgesellschaft vorbehalten. Man musste erkennen, zu welchem Stand einer gehörte.

Ebenso stellt sich die Frage, ob die gelobtesten Autofahrer unserer Tage einen achtspännigen Wagen derreiten würden. Natürlich nicht, das lernt man von Kindesbeinen an, so wie man wie Michael Schumacher mit vier Jahren im Kart sitzt, wenn man einmal Formel-1-Weltmeister werden will. Dero Gnaden langten durchaus selbst beherzt in die Zügel. Der Adel war fasziniert von der Beherrschung des Pferdes, ganz einer ritterlichen Tradition verhaftet. In der Ausstellung der Wagenburg ist der Kinderwagen von Kronprinz Rudolf zu bestaunen – eine Miniatur, die es an handwerklicher Opulenz nicht missen lässt. Als Spielzeuge oder Zeitvertreib waren die kaiserlichen Kinderkutschen nicht gedacht: Die Kleinen hatten möglichst bald zu lernen, eingespannte Pferde zu befehligen. Für den Anfang vielleicht noch Streichelponys. Auf Equipagen-Konkurrenzen maß sich der Adel in der Formvollendung des Kutschierens, wobei man schon Monate vorher die passende  Livree – die Uniform der Bediensteten – in Auftrag gab. Für die Abstimmung aller Details wurde viel Zeit und Geld verwendet. Am 1. Mai traf sich die höhere Gesellschaft in der Hauptallee des Praters beim Schaulauf in ihren neuesten Kutschen. Die Wiener kamen, raunten und staunten, das Spektakel kostete nichts.

Autos ist die Zufahrt in die heiligen Hallen der Schönbrunner Wagenburg im Normalfall nicht gestattet. Bei laufendem Motor sowieso nicht, Klima und Luftgüte dürfen den Exponaten nicht zusetzen. Es sind insgesamt 101 Hoffahrzeuge und 67 Privatgefährte des höfischen Adels, die man der Nachwelt erhalten will, als Zeugnis einer untergegangenen Kultur.

Es gibt nicht viele Autos, die man hier sehen möchte. Die beanspruchen dürfen, wenigstens einen matten Abglanz dessen zu zeigen, was die besten Wagenbauer der Welt einst hervorgebracht haben – als Wien Nabel der Kutschenwelt war. Von angemessen imposanter Statur und aristokratischer Haltung fällt uns da eigentlich nur einer ein: der Range Rover, dessen vierte Generation soeben auf den Markt gekommen ist. Man hört, dass bei Bentley ein SUV in Arbeit ist, und der einzige Grund dafür ist, dass es bislang keinen ernsthaften Konkurrenten für den Range gibt: Viele, die ebenso groß sind, schon deutlich weniger, die im Großen und Ganzen – sprich im Gelände und auf der Straße – mithalten können, aber keiner, der an seine Gelassenheit im Ausdruck herankommt. Wie konnten SUV nur zu diesen plumpen, ungeschlachten Gestalten werden, wie sie heute die Straßen bevölkern, wenn doch ihr Urahn schon die richtige Linie vorgezeichnet hat?

Der Range Rover von 1970 war ein luxuriöses Auto, mit dem man sich auch in schwieriges Gelände wagen konnte, was die Grundidee des SUV-Genres ist. Stand dann so einer in der Stadt, mit Dreckspritzern bis zur Dachkante und einem halben Feldweg in den Stollen, strahlte er immer noch Noblesse aus, man dachte an einen leicht patinierten Herrensitz, Pferdeanhänger im Schlepptau und, für die anglophile Note, Fünfuhr-Baileys und Tweed-Sakko. Was, bitte, lässt sich Schönes zu einem Porsche Cayenne denken?

Der Range gehört zu jenen Autos, die aus ihrem Blechkleid geschlüpft sind, um für etwas Größeres zu stehen – Wahrzeichen des Empire in Stolz und Überheblichkeit, Spätblüte englischen Autobaus, unverhohlenes Statement von Reichtum. Und unschuldige Verehrung: Um in Zeiten des CO2-Bashing für seine 2,5-Tonnen-Maßlosigkeit an den Pranger gestellt zu werden, blieb er eine zu seltene Sichtung auf unseren Straßen.

(c) Juergen Skarwan

Hochwohlgeboren

Fürst Albert von Thurn und Taxis, dessen Gesellschaftswagen wir uns im Depot der Wagenburg für einen statischen Vergleichstest ausgeborgt haben, wäre – seinerseits zeitreisend – vermutlich für einen Probegalopp im Range Rover zu gewinnen gewesen. Abgesehen davon, dass sich sechs Zylinder unter der Motorhaube etwas banal ausnehmen gegen sechs Pferde im Geschirr, die den geringsten Anflug von Unsicherheit auf dem Kutschbock wittern und weder von ABS noch ESP gemaßregelt werden.


Der vierten Range-Rover-Generation nähert man sich über einen V6-Diesel. Steigerungsform sind zwei V8: ein Diesel und ein 500-PS-Benziner.

Name : Range Rover 3,0 TDV6
Preis : 102.000 Euro
Motor : V6-Zylinder-Diesel, 2993 ccm
Leistung : 258 PS bei 4000/min; 600 Nm
Gewicht : 2160 kg
0–100 km/h : 7,9 Sekunden
Vmax : 209 km/h
Verbrauch : 7,5 l/100 km laut Norm
CO2: 196 g/km laut Norm

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