VW up!: Den können sie sich käfern!

(c) Juergen Skarwan
  • Drucken

Der Kleinstwagen „up!“ von VW soll der Käfer des 21. Jahrhunderts sein. Na ja: Es kann nur einen geben. Ein alter Käferant macht den Generationenvergleich.

Ich dreh also den Schlüssel um, worauf erst mal ein Feuerwerk aus einem Dutzend roter und gelber Lämpchen aus dem runden Instrumentenfeld hinter der Tachonadel aufsteigt und auf dem Navi in der Mittelkonsole eine Grußbotschaft grinst. Von irgendwo her drückt eine Klimaanlage ein kühles Lüftchen mit dem glatten Geruch jungfräulichen Kunststoffs, und als ich den Schlüssel über den Widerstandspunkt drehe, macht es vorn unter der steilen Motorhaube, deren Ende man nicht sieht, ein scheuerndes Geräusch, begleitet von einem sanften Vibrato. Dann ist‘s wieder still. Sie rennt jetzt angeblich, die Maschine.

Es geht auch anders: Da leuchten beim Schlüsselumdrehen auf einem schlichten, schwarzen, teils geriffelten Armaturenbrett kurz drei winzige Lämpchen matt auf (für Öl, Generator, Bremsflüssigkeit). Dann feuert es von hinten angestrengt und metallisch, dazwischen womöglich ein Knall, man drückt kurz aufs Gas und es hebt ein lärmendes Blechtrommeln an, durchsetzt von klirrendem Rasseln oder rasselndem Klirren als schüttle man einen mit Geschirr gefüllten Topf. Das Rasseln verebbt, wenn das Standgas einsetzt, es kehrt beim Beschleunigen wieder, und er läuft und läuft und läuft, der Käfermotor, blechern reibend und schnaufend und sehr spürbar, während ein strenger Duft nach Benzin, billigem Plastik und abgewetzten Sitzbezügen den Innenraum füllt.



Auch der erste Motor läuft wirklich, aber die von Volkswagen haben ihn offenbar flauschig dick verpackt in diesem Kleinstwagen namens „up!“, der seit Dezember nahe Bratislava vom Band läuft. Er soll, preislich um die 10.000 Euro liegend, so was wie der „Käfer“ des 21. Jahrhunderts sein, sagen jedenfalls die VW-Leute und der Leiter dieses Automagazins, der beim Heurigen Eiersalat OHNE Brot isst wie jeder richtig männliche Autoredakteur, und der mir einen up! zum Cruisen gab – als alter Käferant, meinte er, sollte ich die beiden doch vergleichen können. Immerhin führe ich ja selber einen schnieken weißen 1983er-Käfer.

Oh weh, dachte ich mir, vergeht euch nicht an einem Heiligen, es gab schon zu viele neue Jesusse, und Ikonen aufwärmen ist auch meist eine schlechte Idee. Ein Käfer ist kein Auto, sondern ein Käfer. Und ein frühes Käfererlebnis prägt stärker als die meisten anderen Autoerfahrungen (eine davon wär jene mit der „Ente“, aber die ist Franzosen-Chi-Chi und für Ökos). Oder kennen sie jemand heute Erwachsenen, der verklärt dreinschaut, wenn er an den VW Jetta, Opel Kadett, Fiat Uno oder Mazda-irgendwas seiner Kindheit denkt? Eben.

Gut, jedenfalls gab‘s in meiner Verwandtschaft schon in den 1970ern Käfer, und einer war mein erstes Auto: ein 1200 L, Bj. 1984. Er war, wie alle seines Jahrgangs, aus Mexiko, die Käferfertigung in Deutschland hatte 1978 geendet, bis 1985 wurden Mexiko-Käfer offiziell nach Europa exportiert. In Mexiko war der Käfer (er hieß dort „vocho“) seit 1964 gebaut worden, 2003 war auch dort finito.

Meinen Mexikaner fuhr ich von Sommer 1988 bis Ende 1989. Er gehörte allerdings einem Verwandten. Er war weiß und hatte sogar ein Faltdach. Ich jagte ihn an einem heißen Augusttag mit seinen 34 PS heulend und klirrend über den Arlbergpass nach Innsbruck, um dort an der Uni zu immatrikulieren. Mein Freund Jim fuhr mit und „Depeche Mode“ dröhnten aus dem Kassettenradio: People are People, and we were in the Volkswagen und stellten fest, dass eine Stadt auch nicht anders ist als ein Dorf, ebenfalls Straßen und Häuser, halt mehr. Später fuhr ich an den Wochenenden damit zu den Bars, aber ein Käfer war Ende der 1980er noch ziemlich alltäglich und nicht besonders abschlepptauglich. Dafür konnte man damit Kumpels erschrecken, die etwas ausgefressen hatten und vor deren Häusern man unangemeldet vorfuhr: Die glaubten dann, es sei der VW-Bus vom Gendarmerieposten gekommen.

Natürlich fuhr ich den Käfer schneller als erlaubt, nur verträgt er halt auf Dauer nicht mehr als 120, begann Öl zu bluten, man verkaufte ihn. Erst Anfang 2011 fing ich an, im Internet nach Käfern von Mitte der 80er zu suchen – und fand einen gut erhaltenen weißen 83er mit kaum 47.000 Kilometern am Tacho und drei Vorbesitzern, der letzte war BoKu-Student aus Steyr. Ich ließ ihn neue Reifen aufziehen und gab ihm 3800 Euro. Und so war „mein“ Käfer zurück – mit Kassettenradio! Vielen up!-Kunden wird man erklären müssen, was das einmal war, der Testwagen hatte natürlich CD-Player, aber den nutzte ich nie, eher lief Ö1, der Sender für Junggebliebene und Menschen, die FM4 nimmer aushalten.

Man wird „Uppern“ auch oft das Käfergeräusch erklären müssen. Der Motor des up! indes trügt: VW hat ihm drei (ja: drei!) Zylinder mit lieblichen 999 Kubikzentimetern Hubraum verpasst, mal was Neues, und öffnet man die Motorhaube, glaubt man, die hätten eine Kaffeemaschine eingebaut. Doch die macht daraus 60 Pferde (es gibt auch ein 75-PS-Modell), klingt beim Beschleunigen überraschend ferrarihaft und jagt den up! in etwa 14 Sekunden auf 100. Armer Käfer, da kannst du mit deinen 34 Pferden aus der 1200-Kubik-Koppel nicht mit, brauchst doppelt so lang dafür.

Aber man jagt Käfer nicht. Umgekehrt ist der up! rasch auf 140, doch da geht  ihm die Puste aus und mit 150 fühlt man sich unsicher, wiewohl er 160 packt. Man will aber nimmer rasen, des Verbrauchs wegen, nur ist der beim up! unerwartet hoch: Die zweiwöchige Testserie ergab 5,2 Liter Benzin auf 100 Kilometer, intuitiv dächte man an vier Liter. Sicher: Mein Käfer ist de facto kein „Sparkäfer“ mehr, so nannte man die 1200er,  er braucht 7,5 Liter, obwohl der up!, vom Grundgewicht ohne Extras aus gemessen, nur etwa 70 Kilo schwerer ist als das Käferle. Aber wenn mein Golf IV TDI Bj. 1999 mit 115 PS im Schnitt 6,2 Liter Diesel schluckt, wirkt der up! unverhältnismäßig durstig.
Aber er fährt sich halt fein, wie ein Großer, ist solide verarbeitet, moderne Instrumente glänzen, man kann ihn um Kurven jagen, wo man beim Käfer einen Heckausbruch oder gar eine Dachlandung befürchtet. Die Geräuschdämmung ist dicht, kein Vergleich gegen den weltkriegsartigen Lärm im Käfer. Im Grunde fühlt man sich wie in einem zu heiß gewaschenen Golf, nur das nicht serienmäßige Navi nervte mit planlosen „Achtung!“-Rufen. Die Türen sind massiv, dagegen wirken die dünnen Käfertüren wie Favela-Wellblech, und pengt man sie zu, klappern die Scheiben in ihren Rahmen.

Überhaupt fühlt man sich im Käfer heute nimmer richtig sicher, eher wie in einem Ei. Knautschzone null, wenn seitlich was reinfährt ist man geliefert. Kleinkinder will man nicht mitnehmen, was bei meinem Käfer schon daran scheitert, dass der Sicherheitsgurt zu kurz für einen Kindersitz ist. Im up! fühlt man Butzi gut aufgehoben – im Euro-NCAP-Crashtest von 2011 gab es  auch fünf von fünf Sternen. Und ja, wie klein wirkt der Käfer-Innenraum heute! Dabei ist der Käfer länger als der up! (4060 zu 3540 Millimeter) und höher (1500 zu 1489), aber schmäler (1550 zu 1641). Fahrer und Beifahrer sind die halbe Zeit auf Tuchfühlung, beim Schalten greift man dem Gast ans Knie. Vielleicht war man früher schmäler. Dafür wird das Ladevolumen des up! (250 Liter) vom Käfer übertroffen: Nachgemessen hab ich’s nicht, aber mein Weißer soll unter der Fronthaube sowie zwischen Rücksitz und Heckscheibe gesamt 260 Liter Stauraum haben. Das braucht man aber nicht mehr, ein Käfer ist kein Langstreckenjet nach Caorle. Hauptsache, eine Kiste Bier passt rein. Das tut sie.

Ach, da wären noch Details: Etwa, dass die Bedienungsanleitung des up! 272 Seiten hat, die des Käfer 55; dass einem beim umständlichen Hervorziehen des Sicherheitsgurts im Käfer immer noch Ohrensausen droht, weil die Schnalle meist nahe des Kopfes ans Glas knallt; oder dass die klappbaren Dreiecksfenster in den Seitenscheiben eine zu Unrecht vergessene Segnung des Automobilbaus sind. Aber mehr als nur ein Detail, ja das Große im Ganzen des Käferfahrens heute ist die Reaktion der Umwelt: Denn in den 50ern bis 80ern, da war sein Geräusch Music for the Masses, heute ist er ein Exot.

Andere Automobilisten winken herüber, Passanten heben die Daumen, Kinder lachen oder staunen. Und man punktet bei Frauen. Alles das bei einem Auto, das Hitler in den 1930ern als „Volkswagen“ konstruieren ließ. An sich müsste er tabu sein, wie vieles aus der NS-Zeit, aber beim Käfer werden selbst politisch Korrekte pragmatisch.

Vielleicht liegt das auch an der Fröhlichkeit, die der heutzutage total unüblich rundliche Wagen vermittelt, an seinem grinsenden „Gesicht“. Und darum wird der kantige, stromlinientreue up! für eines nicht taugen: als „Käfer des 21. Jahrhunderts“. Dazu ist er einfach zu verwechselbar.

(c) Juergen Skarwan

Des Käfers Reinkarnation?
Der VW up! – der neue Käfer? Technisch sparsam, günstig, solide und auf der Höhe der Zeit. Der Radstand (2420 mm) gleicht fast exakt dem des Käfers.

Name: VW up! (Ausstattung "move up!")
Preis: 10.960 Euro
Motor: Reihendreizylinder, 999 ccm
Leistung: 60 PS bei 5000-6000 U/min
Gewicht: 929 kg
0–100 km/h: 14,4 Sekunden
Vmax: 160 km/h
Verbrauch: 5,2 l/100 km im Test
CO2: 105 g/km lt. Norm (120g lt. Test)

(c) Juergen Skarwan

Hecho en México
1978 endete der Käferbau in Deutschland, ab da bis noch 1985 wurden in Mexiko gefertigte 1200 L nach Europa verschifft. 2003 war endgültig finito.

Name: VW Käfer 1200 L
Preis: ca. 75.000 Schilling (1983)
Motor: Vierzylinder-Boxer, 1192 ccm
Leistung: 34 PS
Gewicht: ca. 800 kg
0–100 km/h: who cares?
Vmax: 115 km/h
Verbrauch: 7,5 l/100 km im Alltag
CO2: 174 g/km (lt. Alltagsverbrauch)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.