Schönborn: "Es wird sicher manche Überraschungen geben"

Kardinal Schönborn vor dem Konklave in Rom.
Kardinal Schönborn vor dem Konklave in Rom.(c) Reuters (DYLAN MARTINEZ)
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Österreichs Mann im Konklave hebt die Notwendigkeit von Kurienreformen hervor. Ist er erleichtert, dass er nicht Papst geworden ist? "Sehr. Punkt."

Die Presse: Sie waren einer der 115 Papstwähler. Weshalb ist die Wahl auf den argentinischen Kardinal Jorge Mario Bergoglio gefallen? Was haben sich die Kardinäle bei dieser Wahl gedacht?

Kardinal Christoph Schönborn: Ich kann Ihnen nicht sagen, was sich 115 Personen gedacht haben. Jeder hat nach seinem Gewissen entschieden und gewählt. Sie wissen, dass es bezüglich des Konklaves eine ganz strikte Geheimhaltungspflicht gibt, und daran halten wir uns natürlich. Sie können sich aber eines Faktums sicher sein: Dass ein Konklave, das in fünf Wahlgängen einen Papst wählt, nur ein sehr einmütiges Konklave gewesen sein kann. In fünf Wahlgängen zu einer Zwei-Drittel-Mehrheit zu kommen ist ein großes Zeichen der Einmütigkeit – und diese Einmütigkeit stellt die gewählte Person selbst dar. Die Wahl des Papstes ist immer eine Personenwahl. Es werden nicht Kategorien, nicht Nationen, nicht Hautfarben, nicht Altersgruppen gewählt, sondern es wird eine Person gewählt. Der, von dem wir glauben, dass er der Richtige ist. Dass er der ist, von dem wir glauben, dass Gott ihn für dieses Amt bestimmt hat, wie wir in der Eidesformel auch sehr eindrucksvoll gesagt haben.

Was zeichnet ihn denn, wie Sie ihn persönlich erlebt haben, besonders für das Papst-Amt aus?

Ich kann jetzt hier nur für mich sprechen. Ich kenne Kardinal Bergoglio seit vielen Jahren. Ich habe ihn in Buenos Aires kennengelernt, als er noch Weihbischof war (in den 1990er-Jahren, Anm. d. Red.). Mich hat schon damals seine einfache, klare, den Menschen sehr nahe, evangeliumsgemäße Art beeindruckt. Er ist wirklich ein Mann, der das Evangelium ausstrahlt. Und mich hat auch seine Nähe zu den Priestern beeindruckt. Ich habe das ganz konkret in einzelnen Fällen erlebt, wo er sich sehr persönlich um seine engsten Mitarbeiter, die Priester, gekümmert hat. Seine Nähe zu den armen Menschen ist auch mir persönlich aus eigenem Erleben bekannt, und sein klares Engagement für die katholische Soziallehre gerade in gesellschaftlich so schwierigen Situationen, wie sie in Lateinamerika herrschen: sein klares Eintreten für Gerechtigkeit und Frieden. Wir erinnern uns an die große Finanzkrise in Argentinien, wo er sich ja sehr beeindruckend für die Menschen und für eine gerechte Lösung der großen sozialen Schwierigkeit eingesetzt hat. Und er ist auch ein Mann des Regierens. Also er hat durchaus, wie man heute sagt, Leitungskompetenz und das ist etwas, was viele von uns sich für Rom wünschen – für die Gesamtkirche, aber auch ganz konkret für die doch schwierige Situation des Vatikans, die dringend manche Klärungen braucht. Diese Klärungen sind möglich, müssen aber auch klar durchgeführt werden. Und ich denke, dass er auch dafür da ist und verheißungsvoll ist.

Sie erwarten von Papst Franziskus also auch Reformen der Kurie, Reformen der Organisation des Vatikans?

Papst Benedikt hat ja Schritte gesetzt, die in die gute Richtung gegangen sind, etwa in der Klärung der Situation der Vatikanbank. Dass sein Nachfolger entschieden an dieser inneren Reform der Kurie weiterarbeiten muss, das ist uns allen klar. Auch vielen Menschen, die hier im Vatikan arbeiten. Ich darf das – ohne ins Detail zu gehen – doch sagen, dass in den Kardinalsversammlungen vor dem Konklave sehr oft davon die Rede war, einerseits, dass es Reformen braucht, andererseits, dass es viele sehr gute, sehr loyale, fähige Mitarbeiter im Vatikan gibt, die auch darunter leiden, dass der Ruf des Vatikans so gelitten hat. Und die sich ungerecht behandelt fühlen, dass auf ihre gute Arbeit ein solcher Schatten fällt, den sie nicht verdient haben.

Was wäre denn aus Ihrer Sicht der dringlichste Reformwunsch die Kurie betreffend?

Sicher eine Reform der Arbeitsweise.

Effizienteres Arbeiten?

Nicht unbedingt, sondern eine bessere Umsetzung der bischöflichen Kollegialität, die ja das Zweite Vatikanische Konzil sehr stark betont hat. Vor allem müsste es innerhalb der vatikanischen Ämter eine intensivere Zusammenarbeit und bessere Kontakte zur Weltkirche geben. Es gibt ja unglaublich viele Kontakte zur Weltkirche, aber die sollten doch etwas strukturierter sein.

Eine Abkehr von der extremen Ausprägung des vatikanischen Zentralismus?

Insgesamt ein besseres Miteinander zwischen Papst und den kontinentalen und nationalen Episkopaten.

Also auch mehr Kompetenzen für die Ortskirchen?

Ein gutes, ausgewogenes Verhältnis von Ortskirche und Weltkirche.

Die Wahl dieses neuen Papstes war für fast alle eine große Überraschung. Erwarten Sie von Franziskus auch Überraschungen im Sinne von anderen Reformen?

Er hat mit den ersten Gesten, die er gesetzt hat, schon für Überraschungen gesorgt. Und es wird sicher noch manche Überraschungen geben. Welche, das müssen wir ihm überlassen.

Wie sehr sind Sie eigentlich erleichtert, dass Sie nicht zum Papst gewählt wurden?

Sehr. Punkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2013)

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