Der "Elitetrupp Gottes" auf dem Vormarsch

Elitetrupp Gottes Vormarsch
Elitetrupp Gottes Vormarsch REUTERS/Paul Hanna
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Jorge Mario Bergoglio ist der erste Jesuit auf dem Stuhl Petri. Der Generalobere des Ordens galt in Rom stets als der "schwarze Papst". In Lateinamerika gründeten die Jesuiten einmal sogar einen Staat.

Wien. Lange vor dem ersten dunkelhäutigen Papst, auf den Welt noch eine Weile warten muss, hat sich in Rom der Titel des „schwarzen Papstes“ etabliert. Es ist das Attribut für den Generaloberen des Jesuitenordens, das sich auf sein schwarzes Gewand bezieht – mehr noch aber auf seine Machtposition. Denn der Jesuiten-General galt stets als Gegenspieler des Papstes, obwohl in den Satzungen des Ordensgründers Ignatius von Loyola der Gehorsam gegenüber dem Pontifex explizit festgeschrieben ist.

Unter dem spanischen Jesuiten-Oberen Pedro Arrupe übte der Orden in den Post-Konzils-Ära der 1960er- und 1970er-Jahre großen Einfluss aus, der deutsche Theologe und Jesuit Karl Rahner war schließlich eine der federführenden Figuren des II. Vatikanums. Papst Johannes Paul II. beschnitt nach und nach die Macht der Jesuiten, auch weil sie mit der Befreiungstheologie sympathisierten. Im Gegenzug erfolgte der Aufstieg des Geheimordens Opus Dei. Zum Pressesprecher erkor er Joaquin Navarro-Valls, einen spanischen Opus-Dei-Mann, und zum Ende seiner Amtszeit erhob er Opus-Dei-Gründer José-Maria Escrivá gleichsam im Blitzverfahren in den Heiligenstand.

Seilschaft im Konklave

Unter Benedikt XVI. bahnte sich indes ein Paradigmenwechsel an. Nach dem Rücktritt von Navarro-Valls 2006 avancierte ein Jesuit, Federico Lombardi, zu dessen Nachfolger. Und mit Jorge Mario Bergoglio führt in der bald 480-jährigen Geschichte des Ordens jetzt erstmals ein Papst das Kürzel SJ, das für „Societas Jesu“ steht – für die „Gesellschaft Jesu“. Später übernahm der Orden den Spottnamen Jesuiten. Die Namenswahl des Papstes weist auf Franz von Assisi hin, aber auch auf Franz Xaver, den Mitbegründer der Jesuiten und großen China-Missionar.

„In der Kurie würde ich sterben. Mein Leben ist in Buenos Aires. Ohne die Menschen meiner Diözese, ohne ihre Probleme würde mir täglich etwas fehlen“, ließ sich Bergoglio nach dem Konklave vor acht Jahren in einem Interview vernehmen. Daraus sprach Erleichterung, denn laut Tagebuch eines anonymen Kardinals war er damals zum Antipoden Joseph Ratzingers aufgerückt. Im letzten Wahlgang erzielte der Argentinier 40 Stimmen, und sogar der spätere Papst stimmte gemäß den Notizen, aus denen der italienische Vatikan-Insider Marco Politi zitierte, für seinen Rivalen.

Utopia im Urwald

In jenem Konklave formten die wenigen Jesuiten-Kardinäle eine Seilschaft. Der Mailänder Kardinal Carlo Maria Martini, ein renommierter Theologe und liberaler Jesuit, war als deklarierter Ratzinger-Konkurrent ins Konklave gegangen. Nachdem seine Chancen im ersten Wahlgang auf ein Minimum geschwunden waren, lancierte er seinen Ordensbruder Bergoglio und mobilisierte Unterstützung. Dass er acht Jahre später doch noch gewählt wurde, kommt einer Sensation gleich – und einem Kompromiss.

Im nördlichsten Zipfel seiner Heimat Argentinien, in der Provinz Misiones, nahe der Iguazú-Wasserfälle, starteten die Jesuiten im 17. und 18. Jahrhundert ein „heiliges Experiment“, das im Übrigen Pate stand für das gleichnamige Stück Fritz Hochwälders und den Hollywood-Film „Mission“ (mit Robert De Niro und Jeremy Irons). Die Jesuiten-Missionare gründeten im heutigen Dreiländereck zwischen Argentinien, Paraguay und Brasilien einen Jesuitenstaat, ein weitgehend vom spanischen und portugiesischen Kolonialreich unabhängiges Territorium – ein Utopia im Urwald, in dem die Guarani-Indianer Freiheit genossen. Die Jesuiten schalteten und walteten so sehr nach ihren Belieben, dass Vatikan-Emissäre besorgte Depeschen nach Rom schickten.

Als sich die Ureinwohner indessen gegen die Kolonialherren auflehnten, gerieten auch die Jesuiten in die Bredouille. Portugal, Spanien und Frankreich verboten den Orden, der Papst löste die Vereinigung auf – ein Bann, den der Vatikan erst nach rund 40 Jahre wieder aufhob. In der Gegenreformation hatten sie noch als Speerspitze des Vatikan agiert, als „Elitetruppe Gottes“. Überall gründeten sie Schulen und Bildungshäuser, die später zu Ruhm gelangten: die Vatikan-Uni Gregoriana oder die Georgetown University in Washington. Sie polarisierten – ob als Beichtväter und einflussreiche Ratgeber an Königshäusern oder als Reformer.

Auf einen Blick

Ignatius von Loyola, ein baskischer Adeliger, gründete 1534 mit einigen Mitstreitern in Paris den Jesuitenorden, die Societas Jesu. Sie verschrieben sich der Erneuerung der Kirche, der Bildung und der Missionierung. Der Mitgründer Franz Xaver betrieb die Missionierung Asiens, in Lateinamerika gründeten die Jesuiten im 17. und 18.Jahrhundert de facto einen eigenen Staat. [ArtMechanic]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2013)

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