Was Sie (nicht) über den Vatikan wissen müssen

nicht ueber Vatikan wissen
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ABC. Wo wohnt der Papst? Wer darf Schweizer Gardist werden? Und was hat ein Konklave mit einem Besuch beim Zahnarzt zu tun? Die Antworten auf diese und weitere Fragen gibt das große "Presse"-Glossar.

Annona, die. Der vatikanische Supermarkt. Die Zeiten, als Jesus die Händler aus dem Tempel vertrieb, sind lange vorbei, die Händler sitzen heute mitten im Vatikan. In der Annona können sich die Angestellten des kleinsten Staates der Welt vom Kardinal abwärts mit allem versorgen, was man so braucht zum gottgefälligen Leben, Alkohol und Zigaretten inklusive, und das zu wahrhaft christlichen Preisen. Dass manche Einkäufer ihre Schnäppchen gewinnbringend weiterverkaufen, ist natürlich nur ein böses Gerücht.

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Bahnhof, großer.
Ist im Vatikan schon aus Platzgründen nicht möglich. Seit 1934 unterhalten die Vatikanischen Staatsbahnen aber einen Kopfbahnhof mit zwei Gleisen. Die Päpste nützten den Anschluss an das italienische Netz jedoch nur alle heiligen Zeiten, Benedikt XVI. etwa im Oktober 2011 für die Fahrt zum Weltfriedenstreffen in Assisi. Papst Franziskus, dem ein Faible für den öffentlichen Verkehr nachgesagt wird, greift vielleicht öfter darauf zurück.


Castel Gandolfo. Dass der 9000-Seelen-Ort in den Albaner Bergen über die Grenzen Latiums hinaus bekannt ist, liegt an dem exterritorialen Gelände der päpstlichen Residenz mit ihrem 55ha großen Park. Sie geht auf Papst Urban VIII. (1623–1644; für Rom-Fans: der mit den Bienen) zurück. Den Bauauftrag legte man in die bewährten Hände Gian Lorenzo Berninis. Benedikt XVI. war gern hier, und bis sein Altersruhesitz im Vatikan adaptiert ist, wird er in Castel Gandolfo logieren, wo ihn sein Nachfolger Franziskus demnächst zu besuchen gedenkt.

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Dekan, der, des Kardinalskollegiums. Dem ranghöchsten Purpurträger kommt es nach dem Ende eines Pontifikats – sei es durch Tod oder neuerdings auch durch Rücktritt – zu, seine Kardinalskollegen zum Konklave zu rufen.


Ex cathedra.
Lateinische Umschreibung für: „Und aus! Ende der Debatte.“ Was ein Papst ex cathedra, also vom Lehrstuhl aus, verkündet, gilt als unfehlbar. Zu Risiken und Nebenwirkungen eines Widerspruchs gegen die Lehre kann das Archiv der Glaubenskongregation konsultiert werden.


Fußball,himmlischer. Irgendwie gehört der Vatikan halt doch zu Italien, und so ist der Calcio auch hier populär. Es gibt sogar seit 1972 eine eigene Liga, in der sich die Angestellten der Apostolischen Bibliothek mit den Schweizer Gardisten messen können. Die Meisterschaft wird freilich außerhalb der Mauern in Italien ausgetragen. Wenn man im Vatikan Fußballlärm hörte, kam der mutmaßlich aus den Diensträumen von Kardinalstaatssekretär Bertone. Der ist ein großer Fußballfan vor dem Herrn und agierte sogar als Machtkommentator. Vor dem Konklave 2005 prophezeite er, es werde „spannend wie eine Fußball-WM“.

Garde, Schweizer.
Hauptfunktion der 110 Mann scheint es zu sein, in ihren farbenfrohen Uniformen von Rom-Touristen fotografiert zu werden. Tatsächlich ist das seit 1506 bestehende Corps für die Sicherheit des Papstes verantwortlich. Sie zog daher am 28. Februar um exakt 20.00 Uhr mangels Papst aus Castel Gandolfo ab. Wer Gardist werden will, muss Schweizer, männlich und katholisch sein und darf keineswegs kleiner als 1,74 m sein.

Habemus papam. Der große Auftritt des obersten Kardinaldiakons: Kurz vor 20.00 Uhr trat am Mittwoch Jean-Louis Tauran auf die Loggia des Petersplatzes und verkündete dem Kirchenvolk den Namen des neuen Papstes.


Inquisition, heilige.
Wachte seit 1542 über die Reinheit der Lehre, wobei der Zweck die Mittel (Folter, Scheiterhaufen etc.) zu heiligen hatte. 1908 wurde die Inquisition dem Namen nach abgeschafft, sie hieß fortan Sanctum Officium. Eine tiefgreifende Reform fand 1965 statt, mit der Umwandlung in die „Kongregation für die Glaubenslehre“. Diese stand nicht an, das Urteil über Galileo Galilei zu revidieren und diesen schon 350 Jahre nach seinem Tod voll zu rehabilitieren. Ebenfalls bis in die 1960er-Jahre existierte der an mehreren Kirchen Roms angeschlagene Index, die Liste verbotener Bücher.


Judikatur, apostolische. Bis der Tod euch scheidet, heißt es. Alternativ kann die Rota Romana einspringen, einer der drei kirchlichen Gerichtshöfe, zuständig für Annullierung von Ehen. Startvorteile hat man als Angehöriger eines Herrscherhauses, dann kann man sich den Umweg über das Diözesangericht sparen. Daneben gibt es die Pönitentiarie, in deren Kompetenz Ablässe und Gnadenakte fallen, sowie als Höchstgericht die Apostolische Signatur. Als Berufungsinstanz kann hier allenfalls das jüngste Gericht dienen. Paolo Gabriele, dem Kammerdiener von Benedikt XVI., wurde im VatiLeaks-Fall vor dem (weltlichen) Gericht des Vatikanstaats der Prozess gemacht.


Kardinalstaatssekretär, der.
Der zweite Mann im Staate nach dem Papst. Er wirkt sowohl nach innen, als Chef der Kurie, ihm unterstehen aber auch die Beziehungen zu anderen Staaten und damit die derzeit 176 Nuntiaturen, die diplomatischen Vertretungen des Vatikans. Bis zum Rücktritt Benedikts XVI. versah Tarcisio Kardinal Bertone eher glücklos dieses Amt.

Lombardi, Federico.
Das Gesicht des Vatikans – und ein alter Medienhase. Benedikt XVI. machte ihn 2006 zum Pressesprecher des Heiligen Stuhls, als Nachfolger des Opus-Dei-Manns Joaquim Navarro-Valls. Er steht vor der täglichen Herausforderung, das achte Gebot nicht zu übertreten. Der Jesuit Lombardi brachte jahrzehntelange journalistische Erfahrung mit, zuletzt als Chef des Centro Televisivo Vaticano und bei Radio Vatikan.

Mussolini, Benito. Italiens faschistischer Machthaber schloss mit dem Heiligen Stuhl 1929 die Lateran-Verträge, auf deren Grundlage bis heute das Verhältnis zwischen dem Vatikan und Italien geregelt ist. Die Verträge beendeten eine im Prinzip seit der Auslöschung des Kirchenstaats durch die Truppen des Risorgimento 1870 bestehende Rechtsunsicherheit.

Nationalität, vatikanische.
Gibt es zwar nicht, dafür aber eine Staatsbürgerschaft, die auf Zeit verliehen wird. Qua Amt etwa dem Papst oder Kurienkardinälen. Bedienstete des Vatikans können um einen Pass ansuchen. Diesen besaßen mit Stand 2011 nur 572 Menschen. Womit der Vatikan die weltweit höchste Verbrechensrate hat (Delikte auf Einwohner umgelegt), denn in die Statistik fließen auch Taschendiebstähle am Petersplatz ein.

Osservatore Romano. Das offizielle Printorgan des Heiligen Stuhles. Die Sonderausgabe zur Wahl von Kardinal Bergoglio zum Papst war nach Minuten bereits ausverkauft.

Pontifex maximus, der.
Oberster Brückenbauer. Bezeichnung des Papstes, die aus dem (heidnischen) Römischen Reich stammt.


Quartier, päpstliches. Papa, wo wohnt der Papst? Eine Frage, die am Petersplatz gelegentlich zu vernehmen ist. Kundige Finger zeigen dann auf die Fenster des „Appartamento papale“ ganz rechts im dritten Stock des Apostolischen Palastes. Dort logieren die Päpste seit Anfang des 20. Jahrhunderts.


Radio Vatikan. Es gab eine Zeit, da haben Päpste noch nicht getwittert. Aber es gab Radio Vatikan, zumindest seit 1931, als sich Papst Pius XI. an die geneigten Gläubigen wandte. Wirklich heilbringend waren die Sendungen nicht in jeder Hinsicht, denn im Umkreis des Ortes Cesano, wo sich eine exterritoriale Sendeanlage befindet, wurde in den 1980er- und 90er-Jahren eine Zunahme gewisser Krebserkrankungen festgestellt. Radio Vatikan verkündet heute das Wort Gottes ganz ohne Pfingstwunder in mehr als 40 Sprachen, darunter Amharisch, Esperanto und Tamil.


San Giovanni, in Laterano. Die schönste Kirche Roms – mit Ausnahme von allen anderen. Vor allem ist sie – und nicht der Petersdom – Stammkirche des Papstes in seiner Funktion als Bischof von Rom. Die herrlichen Bronzetüren des Portals sind übrigens Diebesgut vom Forum Romanum, sie zierten im Altertum die Curia Julia.
Trastevere. Das Viertel jenseits des Tibers ist Rom-Touristen vor allem wegen seiner trendigen Lokale bekannt. Der kulinarischen Genüsse können sich auch die Angestellten jener vatikanischen Behörden erfreuen, die aus Platzgründen dort untergebracht sind, etwa die päpstlichen Räte für die Laien, für die Kultur und für die Familie.

Urbi, et orbi. Der berühmte Segen des Papstes zu festlichen Anlässen für „die Stadt und den Erdkreis“. Die Stadt, deren kirchliches Oberhaupt er als Bischof von Rom ist, und die (katholische) Welt, deren Oberhaupt er sowieso ist. Franziskus spendete ihn am Mittwoch erstmals bei seinem Auftritt auf der Loggia des Petersdoms.


Vatikanbank, die. Offiziell „Institut für die religiösen Werke“ (IOR) genannt und immer wieder unter Geldwäscheverdacht. Benedikt XVI. wollte eine saubere Bank und ließ Maßnahmen in diese Richtung setzen, deren Wirksamkeit sich aber erst noch erweisen muss.


Wahlmonarchie, absolute. Die Staatsform des Vatikan. Als Alleinherrscher verfügt der Papst laut Canon 331, „kraft seines Amtes in der Kirche über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt, die er immer frei ausüben kann“. Canon 333 beseitigt alle Zweifel: „Gegen ein Urteil oder Dekret des Papstes gibt es weder Berufung noch Beschwerde.“


Zahnarzt, der.
Ein Konklave sei mit einem Termin beim Dentisten vergleichbar, meinte der emeritierte deutsche Kurienkardinal Paul Josef Cordes. Seine schlüssige, wenn auch nicht unfehlbare Begründung: Beides möchte man schnell hinter sich bringen. Sein Wunsch wurde erhört, nach nur fünf Wahlgängen stand der neue Papst fest.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2013)

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