Analyse. Weshalb man dem neuen Bischof von Rom mehr durchgehen lässt als Benedikt XVI.
Vatikanstadt/Wien. Einen Tag nach seiner überraschenden und überraschend raschen Wahl zum Papst und der überwiegend freundlichen bis euphorischen Aufnahme sorgt Franziskus bei Theologen für kurzes Heben der Augenbrauen. Eine knappe Passage in einer nur siebenminütigen, frei gesprochenen Predigt bildet den Auslöser.
Und wieder ist es ein Zitat! Erinnerungen an Regensburg im Jahr 2006 werden wach, als Benedikt vor Hochschullehrern eine abfällige Bemerkung über den Propheten Mohammed zitierte. Diesmal bringt der (neu gewählte) Bischof von Rom den Teufel ins Spiel: „Wer nicht zum Herrn betet, betet zum Teufel“, sagte Franziskus in der von der Katholischen Presseagentur verbreiteten Übersetzung aus dem Italienischen vor den Kardinälen in der Sixtinischen Kapelle. Um den Gesamtzusammenhang zu verstehen, die Passage im O-Ton: „Wir können gehen, wie weit wir wollen, wir können vieles aufbauen, aber wenn wir nicht Jesus Christus bekennen, geht die Sache nicht. Wir werden eine wohltätige NGO, aber nicht die Kirche, die Braut Christi. (. . .) Wenn man Jesus Christus nicht bekennt, da kommt mir das Wort von Léon Bloy in den Sinn: ,Wer nicht zum Herrn betet, betet zum Teufel.‘ Wenn man Jesus Christus nicht bekennt, bekennt man die Weltlichkeit des Teufels, die Weltlichkeit des Bösen.“
In den vergangenen Jahrzehnten waren die Päpste eher nicht mit öffentlichen Erklärungen über den Teufel aufgefallen.
Rauch des Satans in der Kirche
Zuletzt hat Paul VI. 1972 mit der Erklärung für Aufsehen gesorgt, der Rauch des Satans sei durch einen Spalt in die Kirche eingedrungen. Jetzt also Franziskus mit seinen eindringlichen Worten an die Kardinäle. Ob er – durch und durch Jesuit, der er ist – an Paul VI. dachte, als er Léon Bloy zitierte? Einen französischen Schriftsteller des 19./20. Jahrhunderts mit beträchtlichem Missionsdrang, nicht frei von Verachtung für Protestanten.
Benedikt XVI. hat man nichts nachgesehen. Dem als „Panzerkardinal“ Verunglimpften. Dem Deutschen, dem Professor, dem Intellektuellen. Bei Franziskus ist das anders. Schon bei seinem Namen geht vielen das Herz auf. Er wird es schon richtig gemeint haben. Natürlich seien nicht Andersgläubige oder Ungläubige gemeint, heißt es. Tatsächlich waren die Worte an die Kardinäle gerichtet. Vor dem Hintergrund von Machtkämpfen in der vatikanischen Kurie vor (und während?) des Konklaves sowie von VatiLeaks-Affäre und Geldwäschevorwürfen gegen die Vatikanbank dürfen sie als Mahnung an die Purpurträger verstanden werden.
Selten hat Kardinal Christoph Schönborn so rasch recht behalten. Wie sagte er im „Presse“-Interview über Franziskus: „Es wird sicher noch manche Überraschungen geben.“
("Die Presse" Printausgabe vom 16.3.2013)