Mächtige Kurienkardinäle verhinderten die Kür des Mailänder Favoriten Angelo Scola. Ihm winkt nun ein Topjob.
Rom/Wien. Das Bild hatte Symbolwert. Als der neue Papst am „Genius loci“, der Sixtinischen Kapelle, in einer Audienz seine früheren Amtsbrüder empfing, geriet er kurz ins Stolpern und fiel in die Arme des Kardinaldekans Angelo Sodano. Der 85-Jährige war zwar nicht mehr wahlberechtigt, aber als Fädenzieher vereitelte der frühere Kardinalstaatssekretär – der „Regierungschef“ des Vatikans – nach Informationen der italienischen Gazetten die Kür des aussichtsreichsten italienischen Kandidaten, des Mailänder Kardinals Angelo Scola.
Zusammen mit seinem Nachfolger Tarcisio Bertone mobilisierte er die Macht der Kurie gegen Scola. Im „Höflichkeitsvotum“ des ersten Wahlgangs kristallisierten sich indes Scola, der kanadische Kardinal Marc Ouellet und überraschenderweise Jorge Mario Bergoglio als Frontrunner heraus.
Veto gegen „Rambo I.“
Bergoglio hatte im Vorkonklave nach Aussage mehrerer Kardinäle mit einem eindringlichen Appell auf sich aufmerksam gemacht und die Erinnerung an seinen starken Auftritt vom Konklave vor acht Jahren geweckt, als ihn die Anti-Ratzinger-Fraktion in Stellung gebracht hatte. Diesmal erschien er als Lateinamerikaner mit italienischen Wurzeln als der perfekte Kompromisskandidat: Die Kurienkardinäle blockierten Scola, den machtbewussten Italiener, dessen Wahl ein Signal für eine Reform der Kurie gesetzt hätte.
Zugleich legten die Italiener eine Veto gegen die Kür von „Rambo I.“ ein, wie der deutsche Vatikan-Kenner Otto Kallscheuer spekulierte. Im Vatikan grassierte demzufolge die Angst vor einem US-amerikanischen Papst mit Managerqualitäten und Hang zu ausgeprägter Innovation, wie sie der New Yorker Kardinal Timothy Dolan und – mit Abstrichen – auch sein Bostoner Landsmann Sean O'Malley personifiziert hätten.
Der Rückzug Scolas nach dem dritten Wahlgang, so die italienischen „Vaticanisti“, habe Bergoglio den Weg auf den Stuhl Petri geebnet. Nach Angaben des Mailänder Blatts „Corriere della Sera“ vereinte der Argentinier am Ende mehr als 90 Stimmen – wesentlich mehr als die notwendige Zweidrittelmehrheit von 77 Stimmen. Der Block der amerikanischen Kardinäle votierte offenbar geschlossen für den Mann aus Buenos Aires. „Möge Gott euch vergeben für das, was ihr getan habt“, scherzte der neu gekürte Papst beim Abendessen unter dem dröhnenden Gelächter der Kardinäle.
Als eine der ersten Personalentscheidungen steht womöglich die Ablöse eines der „Königsmacher“ an – des 78-jährigen Kardinalstaatssekretärs Bertone, des bauernschlauen Piemontesen, eines Ferrari- und Juventus-Turin-Fans. Ironischerweise gilt just Angelo Scola als einer der Favoriten für die Schlüsselposition der Kurie.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2013)