Die Jesuiten und die Nähe zur Macht

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Mit Franziskus sitzt der erste Jesuit der Kirchengeschichte auf dem Stuhl Petri. Wie es der Societas Jesu gelang, in kurzer Zeit zum mächtigsten Orden der katholischen Kirche zu werden.

Voltaire war bei ihnen, Josef Stalin und James Joyce waren es auch, Alfred Hitchcock und Fidel Castro, ja sogar Denis Diderot und René Descartes – all diese unterschiedlichen Persönlichkeiten haben in ihrer Vita eines gemeinsam – sie wurden als Schüler von Jesuiten unterrichtet.

Worauf ihre strengen Lehrer Wert legen, wie sie für ihre Sache werben, hat Thomas Mann im monumentalen „Zauberberg“ (1924) ironisch festgehalten. Eine der interessanten Figuren in diesem Roman ist Leo Naphta, Kommunist und Jesuit, der sich mit dem optimistischen italienischen Aufklärer Lodovico Settembrini Streitgespräche liefert und sich am Ende bei einem Duell mit diesem erschießt.

Rekrutiert hat den jungen Naphta, so heißt es im „Zauberberg“, ein „Menschenkenner und Menschenfischer“ , dem das Höhnische in den Sätzen auffiel, „mit denen der armselige Judenjüngling seine Fragen beantwortete“. Im Jesuitentum werde „das politisch-pädagogische Wesen des Katholizismus evident; Staatskunst und Erziehung habe dieser Orden immer als seine Domänen betrachtet“, meint Naphta.

Ist die Schule der Jesuiten also tatsächlich gefährlich, wie die eingangs genannten negativen politischen Beispiele neben den vielen interessanten aus der Geisteswelt zeigen? Die polemischen Gegner der Jesuiten würden den energischen Mitstreitern des Papstes alles unterstellen, von der bloßen kleinen Notlüge bis zur teuflischen Intrige und zur großen Weltverschwörung. Eher komme wohl ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Jesuit in den Himmel – in dieser Einschätzung waren sich Protestanten, Freigeister und Aufklärer meist einig. Der Orden wurde bald nach der Gründung bekämpft und mehrfach verboten. Die Jesuiten können eine Reihe von Märtyrern vorzeigen, nicht nur in der Mission. Je nach Standpunkt des Autoren ist die Geschichte der Jesuiten eine heilige oder eine teuflische. Lauheit ist nicht ihre Spezialität.

Polemik liegt bereits am Anfang in der Natur ihrer Sache, im Umbruch der Reformation. Die Jesuiten betrieben sozusagen innerhalb des Christentums eine Reconquista, führten die Gegenreformation an. Ignatius von Loyola (1491–1556), Baske und Soldat, der sich nach Verwundung durch intensive Lektüre von Heiligenlegenden mit heiligem Ernst dem Glauben zuwandte, sah seine mit Freunden gegründete Societas Jesu (SJ) als Vorkämpferin katholischen Glaubens, als Avantgarde des Papstes.

Mit der Bulle „Regimini militantis ecclesiae“ bestätigte Paul III. 1540 die Rechtmäßigkeit des neuen Ordens, 1541 wurde der lange zögernde Ignatius auf Drängen der Gesellschaft Jesu in Rom zum Generaloberen gewählt. Bis zu seinem Tod leitete er den Orden, der bald zu einem der größten und mächtigsten der Welt wurde.

Was macht den Erfolg der Jesuiten aus? Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam gehören zu ihren Prinzipien, im Speziellen aber noch der unbedingte Gehorsam zum Papst, dem sie direkt unterstellt sind. Ihre Spiritualität zeigt sich in geistlichen Übungen, den Exerzitien. Um in der Welt zur Geltung zu kommen, haben sie ihre Stärken auch in Mission und Erziehung. Der bekannteste ihrer Ordensmänner nach Sankt Ignatius ist dessen Mitbruder Franz Xaver, der erste große Weltreisende der Societas Jesu. Schon bei ihm ist das Einfühlungsvermögen in fremde Kulturen auffällig. Jonathan Wright schreibt ihm in „Die Jesuiten. Mythos. Macht. Mission“ folgende Stärken zu: „Ein Priester in und von dieser Welt, nicht abgeschieden in einem Kloster, der der Sünde und den Wirren des christlichen Alltags entgegentrat.“ Bald nach seinem Tod wurde Franz Xaver für seinen Orden „Vorbild und Idol“. Diese Offenheit begünstigte es auch, dass die Jesuiten zu einflussreichen Beratern an Fürstenhöfen wurden, ganze Reiche unter Kontrolle hatten, in Südamerika sogar einen eigenen Staat gründeten, dass sie weltweit aktive Politik im Sinne Roms machten.

Der Macht nah zu sein macht verdächtig und gefährdet auch tatsächlich die Moral. Der Theologe Rupert Lay sagt zu diesem Dilemma: „Im Jesuitenorden gibt es eine vernünftige Regelung. Keiner, der nach Macht strebt (auch wenn sie sich als Führungswille kaschiert), darf Vorgesetzter werden. Dahinter steht die jahrhundertelange Erfahrung christlicher Orden, dass die Pathologie des nach Macht Strebenden ihn ungeeignet macht, Herrschaft auszuüben.“

Nicht immer haben sich die Jesuiten an solch eine Empfehlung gehalten. Ihr Erfolg bewirkte Gegenreaktionen, der Orden wurde immer wieder aus Ländern vertrieben, die sich manipuliert fühlten. Spanien, Portugal und Frankreich bildeten schließlich eine Allianz gegen die SJ, machten Druck auf den Papst. Clemens XIV. hob den Orden 1773 ganz auf. Erst 1814 wurden die Jesuiten von Rom wieder offiziell anerkannt.

In der Auswahl ihrer Kader sind Jesuiten elitär. Ihr Bildungssystem ist strikt. Mehr als zwei Millionen Jugendliche besuchen heute ihre Schulen. Bereits Ignatius von Loyola bestand darauf, dass neben Theologie und Logik auch Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaften gelehrt wurden. Unterrichtet wurde konsequent, aber in Offenheit. Das schätzte selbst der extrem kritische Philosoph Voltaire. Deshalb hat er den Niedergang des Ordens auch bedauert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2013)

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