Europas Politiker und Medien reagieren fast euphorisch auf den neuen Papst. Die Wünsche, die sie auf ihn projizieren, kann und sollte er nicht erfüllen.
Auch Heinz Fischer macht dem neuen Papst die Aufwartung. Der bekennende Agnostiker will oder kann sich die Begegnung mit dem Kirchenoberhaupt nicht entgehen lassen, auch der Sozialdemokrat Werner Faymann – ein Katholik – fliegt an der Seite des christdemokratischen Vizekanzlers Michael Spindelegger zur Inaugurationsmesse des Pontifex nach Rom. Sie sind nicht die Einzigen.
Gäbe es nicht die Vorwürfe wegen seiner schwierigen Haltung in der Zeit der argentinischen Militärjunta, die Begeisterung wäre flächendeckend – auch jenseits des Zirkels bekennender Gläubiger. Ex-Kardinal Bergoglio entspricht in vielem dem, was sich (Europas) Medien wünschen, sie, Politiker und die Öffentlichkeit projizieren Wünsche auf ihn, die er nicht erfüllen kann oder will. Das erinnert fast an Barack Obama. Nach dem trockenen Deutschen endlich ein Mann aus dem Süden mit Charisma. (Dass die Wahl eines Südamerikaners eine weitere Station auf Europas Pfad in die Bedeutungslosigkeit sein könnte, sagen die stolzen Lokalpolitiker im Elysée-Palast oder dem Berliner Kanzleramt nicht.) Bergoglio kocht auch gern und mag Filme! Ein Vaticanista in der italienischen „La Stampa“ und ein Philosoph in der „NZZ“ interpretierten sogar elegant, dass Franziskus einen – bedeutungsschwangeren – Lieblingsfilm habe: Gabriel Axels Verfilmung von Karen Blixens Erzählung „Babettes Fest“. Eine Ex-Linksrevolutionärin, Babette, flieht darin aus Paris zu zwei Schwestern in ein Fischerdorf im kargen Dänemark. Dort arbeitet sie glücklich als Köchin, gewinnt im Lotto und will eigentlich wieder fortgehen. Als Dank kocht sie ein opulentes Mahl, das die puritanischen Dorfbewohner anfangs zu dekadent, später sehr inspirierend finden.
Was sagt das über Franziskus? Ein Frauenversteher? Ein Revoluzzer? Ein zeitgemäßer Cineast als Oberhirte? Oder eben einfach down-to-earth, wie die „NZZ“ folgerte? Dazu passt auch das bescheidene Auftreten, das die (Boulevard-)Medien so begeistert beschreiben: Er wollte nicht mit der Limousine fahren, er bestand darauf, seine Sachen selbst aus der Unterkunft zu holen. Er setzte ebenso durch, seine Rechnung im Mittelklassehotel selbst zu bezahlen. Die Fotos gingen um die Welt. Päpstlicher Populismus? Dieser wäre zumindest nicht gespielt, schon in Buenos Aires fuhr er mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, kümmerte sich um die Armen. Eine arme Kirche für die Armen wünsche er sich, verriet er bei der gut inszenierten Pressekonferenz am Samstag. Schon oft kritisierte er öffentlich Globalisierung und scharfen Kapitalismus. Das entspricht dem Zeitgeist, die Fischers dieser Welt werden ihm am Dienstag freudig zustimmen. Abgesehen von den doch sonderbaren Sätzen zum Teufel, den die Nichtchristen anbeten. Dennoch wird (und sollte) er den rosa-romantischen Erwartungshaltungen nicht gerecht werden: Seine Vorstellungen von Sexualmoral und Gesellschaftspolitik entsprechen viel weniger dem Mainstream als seine christliche Sehnsucht nach dem ewigen Sozialstaat. Das Amt, seine Berater und die Verantwortung für die größte Glaubensgemeinschaft werden viele seiner sogenannten progressiven Positionen abschleifen. Das ist in allen Spitzenpositionen so. Siehe Obama.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2013)