Daumen nach oben: Neue Ära auf Petersplatz

AMTSEINFUEHRUNG VON PAPST FRANZISKUS: FRANZISKUS/FISCHER
AMTSEINFUEHRUNG VON PAPST FRANZISKUS: FRANZISKUS/FISCHERAPA/BUNDESHEER/PETER LECHNER
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Die Welt „fliegt“ auf Franziskus: Der Papst steigt aus dem Papamobil zu Gläubigen herunter. In seiner Predigt mahnt er zur Bewahrung der Schöpfung, die Mächtigen der Welt reihen sich unter die Gratulanten.

Rom. Als könnte er es nicht erwarten. Bereits fünf Minuten vor dem Gottesdienst zur Amtseinführung kniet der Papst am Grab des Apostels Petrus, von dem das Papsttum seinen Ursprung genommen hat. Und als er mit der Kardinalsprozession aus dem Petersdom ins Freie tritt, um die Messe zu feiern, schaut Franziskus verstohlen auf seine Armbanduhr. Dabei hat er zu diesem Zeitpunkt einen Teil des Programms schon hinter sich: das Bad in der Menge. Der neue Papst hat die Fahrt über den Petersplatz im offenen Papamobil vorweggenommen, um Applaus und Gottesdienst säuberlich zu trennen.

Fahnenparade auf Petersplatz

Franziskus hat nicht nur seine Runden und den Daumen als Okay-Zeichen nach oben gedreht, sondern er ist – was wohl noch kein Papst vor ihm gemacht hat – auch noch abgestiegen, um einen am ganzen Körper Gelähmten zu segnen. „Achtet aufeinander, behütet einander“, wird er später in seiner ersten großen Publikumspredigt sagen: „Kümmert euch um alle, besonders um die Zerbrechlichen und die, die sonst nur in den Randzonen eurer Herzen vorkommen. Habt keine Angst vor Güte und Zärtlichkeit!“

So viele verschiedene Fahnen wie diesmal hat man selbst auf dem Petersplatz noch nicht gesehen: Kamerun neben Chile, Madagaskar neben Bayern, Australien neben Burkina Faso, Osttimor neben Panama und Syrien. Diego Oscar Elola schwenkt an langer Stange sogar zwei: seine argentinische und die deutsche. In Mannheim ist Elola Seelsorger für die spanischsprachigen Katholiken; eigens für die Amtseinführung hat er sich spontan nach Rom aufgemacht. Schon als Erzbischof in Buenos Aires hat Jorge Mario Bergoglio den Priester beeindruckt mit seiner Einfachheit: „Der war immer schon so, der macht keine Show.“

Eigentlich wollte Franziskus keine argentinischen Schlachtenbummler bei seiner Amtseinführung sehen. Den Bischöfen hat er noch in seiner Wahlnacht geschrieben, sie selbst und die Gläubigen sollten zu Hause bleiben und das gesparte Reisegeld denen schenken, die es nötig haben. Nun aber stehen doch etliche Argentinier auf dem Petersplatz, als wär's im Stadion von Buenos Aires: In eine Riesenfahne ihres Erstliga-Fußballklubs San Lorenzo haben sie das Foto des Franziskus, ihres jetzt berühmtesten Fans, montiert.

Um eine grün-weiß-grüne Fahne sammeln sich nigerianische Priester und Nonnen: „Das gibt eine sehr positive Revolution. Und wissen Sie, wer die angefangen hat? Benedikt XVI. mit seinem Rücktritt.“ Es ist Frühling, zugleich bläst ein kalter Nordwind. Franziskus muss aufpassen, dass er nicht stolpert. Bei der Messe, so hat es den Anschein, ist der 76-Jährige immer wieder geplagt von Ischias und der Hüfte, treppab hat er Schwierigkeiten. Dafür ist der Papst trotz der Messgewänder treppauf flinker als erwartet.

Predigt gegen Hass und Hochmut

Seine Predigt richtet sich über den Horizont der Kirche hinaus an „alle Männer und Frauen guten Willens“: „So antworten wir auf den Anruf Gottes: indem wir uns gegenseitig behüten und indem wir die Schöpfung behüten.“ „Wo der Mensch“, sagt Franziskus, „dieser Verantwortung nicht gerecht wird, greift die Zerstörung, und das Herz trocknet aus. Vergessen wir nicht: Hass, Neid, Hochmut verschmutzen das Leben. Wachen wir über unsere Gefühle, unser Herz, aus dem gute wie schlechte Absichten kommen.“

Und die Macht des Papstes, Oberhaupt von 1,2 Mrd. Gläubigen? „Wahre Macht ist Dienen“, sagt Franziskus. Er sieht sich als Verbindung von Josef und Franz von Assisi. „Wir alle sind aufgerufen, der Welt einen Horizont der Hoffnung aufzuschließen, das Licht durchbrechen zu lassen durch so viele Wolken.“ Seine für seine Statur sonst zu dünne Stimme wird auf einmal ganz stark.

Bei der Messe am Dienstag steht ein anderer Papst da. Ein gesammelter, der die rituellen Gebete und die lateinischen Gesänge des Gottesdiensts mit gesenktem Kopf verfolgt. Franziskus schaut nicht über den weiten Platz, er scheint in sich selbst versunken – und ist es doch nicht. Der Faden zu den 150.000 bis 200.000 Gläubigen reißt nicht ab.

Die Welt „fliegt“ auf Franziskus. 132 Regierungsdelegationen aus aller Welt haben sich zur Inauguration eingefunden. Kirchenpolitisch sorgt für Aufsehen, dass zum ersten Mal seit tausend Jahren auch der griechisch-orthodoxe Patriarch, Bartholomaios aus Istanbul, zur Einführung eines Papstes angereist ist; bis dato kamen Leute wie er höchstens zu Begräbnissen.

Küsschen für Cristina Kirchner

Papst Franziskus hat sogar die argentinische Präsidentin, Cristina Kirchner, die mit ihm in Buenos Aires als Nachbarn am Plaza de Mayo politisch oft übers Kreuz gelegen ist, kurzerhand zum Mittagessen eingeladen. Sie übergab ihm Mate-Tee und bat ihn um Vermittlung im Falkland-Konflikt. Zum Abschied drückte er ihr ein Küsschen auf die Wange. Einem Benedikt XVI. wäre so etwas nie eingefallen. Es beginnen, so sagen sie alle in Rom, neue Zeiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2013)

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