Enorme Lücke auf dem Wiener Wohnungsmarkt

Flugblatt auf einem Laternenmasten wegen Wohnungssuche (Akademiker) mit Belohnung
Flugblatt auf einem Laternenmasten wegen Wohnungssuche (Akademiker) mit Belohnung(c) www.BilderBox.com (BilderBox.com)
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Immobilienfirmen orten allein heuer mindestens 11.000 fehlende Wohnungen in Wien und fordern schnellere Widmungsverfahren. Die Koalition nutzt das Thema für Streit.

Wien. In Wien werden zu wenige Wohnungen gebaut. Das befindet zumindest die Immo-Branche. „Die Angebotslücke im frei finanzierten und geförderten Bereich ist enorm“, sagt Buwog-Geschäftsführer Andreas Holler bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit EHL Immobilien. Von der Stadt wünscht man sich unter anderem schnellere Widmungsverfahren.

Seit 2010 ist Wiens Bevölkerung um 150.578 Menschen gewachsen, allein im Vorjahr waren es 43.236 mehr. Experten schätzen, dass die Stadt hierfür zwischen 8000 und 10.000 neue Wohnungen pro Jahr braucht, die noch dazu möglichst kostengünstig sein müssten. Nachdem die durchschnittliche Haushaltsgröße bei zwei Personen liegt, ergebe allein dieser demografische Anstieg 2015 einen zusätzlichen Bedarf von 21.600 Wohnungen, rechnet Holler vor.

Geschieht zu wenig?

Die Bauleistung in Wien liege bei schätzungsweise 10.000 Wohnungen jährlich, so der Buwog-Geschäftsführer. Schätzungsweise deshalb, weil es hierzu keine eindeutigen Statistiken gebe. Grob kalkuliert folge daraus allein für das Vorjahr eine Angebotslücke von mindestens 11.000 Wohnungen. Der Bedarf in den nächsten Jahren werde angesichts des prognostizierten Bevölkerungswachstums weiter steigen, wobei vor allem günstige Wohnungen mit zwei oder drei Zimmern nachgefragt würden, sagte Michael Ehlmaier von EHL mit Verweis auf den überproportionalen Anstieg von Ein-Personen-Haushalten. In den kommenden Jahren werden zudem Flüchtlinge, die grosso modo eher im unteren Einkommens- bzw. Vermögenssegment angesiedelt sind, auf den Markt drängen, so Buwog-Chef Daniel Riedl: „Dem wird Rechnung zu tragen sein.“

Vom Rathaus wünscht sich die Immobilienbranche eine Reihe von Maßnahmen. Es geschehe schon etwas, aber zu wenig und zu langsam, so der Tenor. Gefordert werden etwa schnellere und einfachere Widmungsverfahren. Darüber hinaus sollte die Stadt mehr leistbare Grundstücke zur Verfügung stellen. Riedl hält zudem die Standards im geförderten Wohnbau für zu hoch. Das reiche von überzogenen architektonischen Vorschriften wie gläsernen Liften bis zu fix eingeplanten „Nebenräumen“, etwa Sozialräumen, die von den Bewohnern zuweilen gar nicht genutzt würden, aber trotzdem Wohnraum dezimierten: „Hier sehen wir Einsparungspotenzial.“

Was die Wohnungspreise anbelangt, erwarten Buwog und EHL im heurigen Jahr wieder Steigerungen. Im Mietbereich wird ein moderates Plus von 1,25 Prozent prognostiziert, im Eigentumssektor je nach Lage einen Zuwachs von zwischen zwei und drei Prozent.

Wiener Koalition streitet

Im Rathaus ist man sich des hohen Bedarfs an Wohnraum bewusst; die Frage, wie man diese Wohnungen auch schaffen kann, hat jedoch einen Konflikt zwischen SPÖ und Grünen hervorgerufen. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) hat dem Koalitionspartner kürzlich öffentlich vorgeworfen, einerseits den Zuzug von Asylwerbern zu fördern, andererseits im Kleinen dann Bauprojekte zu torpedieren.

Auf dem Gelände des Haschahofs in Rothneusiedl etwa, oder in Liesing, wo die geschützte Violette Sommerwurz als Argument gegen ein Bauprojekt dient.

Umgekehrt signalisiert Planungs- und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne), dass der schleppende Wohnbau nicht an ihr liege. Bereits jetzt gebe es nicht konsumierte Flächen für 33.000 Wohnungen, heißt es in einem Papier aus ihrem Ressort. 2016 und in den Folgejahren würden Widmungen für je weitere 10.000 folgen. Darin sei die Weiterentwicklung bereits bebauter Gebiete noch gar nicht berücksichtigt. (APA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2016)

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