Islam und Mode: Ein Kopftuch für jeden Stil

(c) Asma Aiad
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Der Begriff "Kopftuch" führt in die Irre - denn es gibt unzählige Arten, wie Muslimas ihren Kopf bedecken. Vier junge Frauen sprechen über ihre Motive, ihren individuellen Stil und wo sie ihre Kopftücher kaufen.

„Brauchst du nicht voll lange, um dieses Tuch zu binden? Und ist es nicht umständlich?“ Mariam steht auf, nimmt das Kopftuch ab, legt es auf den Tisch. Alle Blicke richten sich auf sie – warum macht sie das? „Darunter trage ich eine Art Stirnband, das auch farblich zum Outfit abgestimmt ist“, sagt sie mit ruhiger Stimme und zieht auch dieses runter.

Die 20-Jährige ist nicht das erste Mal bei einer dieser Veranstaltungen, bei denen es um interkulturellen, interreligiösen Dialog geht. Bei denen sie die Chance nutzen will, selbst zu Wort zu kommen – und sich nicht über Medien und Politiker definieren zu lassen. Diesmal ist es ein fraueninterner Workshop im Rahmen einer Veranstaltung zum Thema Islam in Österreich. „Ich wurde immer als Oberösterreicherin gesehen. Jetzt auf einmal bin ich die Ausländerin“, erzählt sie.

Doch das interessiert die nichtmuslimischen Frauen weniger, sie haben andere Fragen: „Ist dir nicht heiß damit? Wie bindest du es? Verletzt du dich nicht mit den Nadeln? Wie viele Schichten sind das?“ Sie nimmt das Kopftuch ab, weil ihr die Fragen darüber auf die Nerven gehen. Es sei ein „ganz normales Accessoire, das eine tiefere Bedeutung hat“. Es sei ein Teil ihrer Identität, aber gleichzeitig ein ganz einfacher in Österreich gekaufter Pashminaschal.

Die Form ist egal

Über das Kopftuch wird hitzig debattiert – vor allem von Nichtmuslimen. Innermuslimisch ist es kein Thema. Muslimische Frauen tragen es aus verschiedenen Motiven. Islamisch gesehen ist es zwar eine religiöse Pflicht, doch soll jede Frau selbst entscheiden, ob sie dieser Verpflichtung folgen will. Und wie es aussieht, ob breit oder schmal, ob farbig oder schwarz, ob einfach oder elegant, bleibt ebenso ihr überlassen.

Sarah, Hagar, Arwa und Arnela haben eine Gemeinsamkeit – alle vier jungen österreichischen Muslimas tragen Kopftuch. Doch ihre Herkunft ist unterschiedlich, so wie auch ihr Lebensstil, ihre Jugendszene. Die Diskussion rund um das Kopftuch finden alle vier überflüssig. Die mediale Debatte habe zwar per se nichts mit ihrem Alltag zu tun, doch hat sie einen Einfluss darauf, wie Menschen ihnen begegnen. Dabei wollen sie nur als freie, selbstständige Menschen wahrgenommen werden, die tragen was sie wollen. Weder wollen sie als unterdrückte Wesen betrachtet werden noch wollen sie sich im Auftrag von Feministinnen befreien müssen. Dass sie das Tuch aus religiösen Motiven tragen, steht für sie außer Frage – aber das heißt nicht, dass es nicht trotzdem modisch sein darf.

Untypisch für Muslimas

„Ich lasse mich nicht von der Mode definieren und erfinde meine eigene“, sagt Sarah. Die 21-Jährige studiert an der Universität für Bodenkultur, engagiert sich ehrenamtlich bei Greenpeace – all das sieht sie als Elemente, die sie ausmachen. „Meine Kollegen nennen mich Hippie.“ Viele meinen, sie sei untypisch für eine Muslima.

Hagar hat sich mit 16 Jahren dazu entschlossen, ein Kopftuch zu tragen. Für sie ist es kein Widerspruch, der Mode zu folgen und dennoch individuell gekleidet zu sein. Man müsse einfach kombinieren, meint die 18-jährige Schülerin. Wichtig ist ihr, „dass ich mich darin wohlfühle“. Das Tuch sei einfach immer passend und gehöre dazu. Inspirieren lässt sie sich dabei von Freundinnen und Modeseiten. „YouTube-Videos und sogenannte Hijabtutorials sind da ganz hilfreich“, fügt die gleichaltrige Arnela hinzu.

Hier finden modebegeisterte Frauen und Mädchen wie Arnela Anleitungen von Professionals – unter anderem dafür, wie das Tuch gestaltet werden kann, wo man es kaufen kann und welche Art am besten zu welcher Gesichtsform passt. Dabei entstünden immer wieder neue Möglichkeiten.

„Gut aussehen, wer will das nicht?“, fragt Hagar und gibt gleich die Antwort: „Das will sicher jeder.“ Und sie ist überzeugt davon, dass das bei allen Menschen so ist. Arnela hat für sich vier, fünf Designs entwickelt, zwischen denen sie immer wieder wechselt.

Die 22-jährige Arwa kümmert sich weniger um solche modischen Details. Entscheidend ist für sie der Anlass: „Wenn ich zur Vorlesung gehe, habe ich einen anderen Look als auf dem Basketballplatz“, meint die Lehramtsstudentin. Das Kopftuch sei ein Teil des Ganzen und störe sie genauso wenig wie ein anderes Kleidungsstück. Im Gegenteil: „Es passt immer dazu.“ Wenn sie eine Schirmkappe über dem Tuch trägt, wird sie auch „Kopftuch-Gangster“ genannt.

Die Jahreszeit spielt auch eine Rolle bei der Wahl des Kopftuchs: Im Sommer sind die Stoffe besonders leicht, die Farben hell. Im Winter trägt Sarah eine Kapuze oder eine Haube. „Es muss doch kein Tuch sein.“ Bei Arnela ändert sich der Stoff. Im Winter eignen sich Schals aus Pashmina oder Alpaka, dem weichen, warmen Stoff aus südamerikanischer Wolle. Wenn es draußen warm ist, sind Seidentücher oder solche aus Chiffon gut. Und das Tuch, das sich viele Nichtmuslimas als lästig vorstellen, finden manche Trägerinnen sogar im Gegenteil sehr praktisch: Es schütze sie vor der Kälte im Winter und vor der Hitze im Sommer, meint Hagar.

Anders als man vielleicht glaubt, kleiden sich viele Muslimas nicht mit aus dem Ausland importierten Kleidungsstücken – sie finden alles in Wiens Einkaufsstraßen. Sarah kauft etwa meist bei Alternativläden auf der Mariahilfer Straße ein. Arwa wiederum besorgt ihre Kopftücher häufig in Sportgeschäften. „Aber“, meint sie, „schönere Tücher gibt es in anderen Ländern schon.“

Absurde Legenden

So weit, so unspektakulär. Wobei, die eine oder andere Absurdität rund um das Kopftuch haben die vier jungen Frauen alle schon erlebt: „Ich wurde gefragt, ob ich das Kopftuch trage, weil ich eine Glatze habe“, erzählt Arnela. Sie sagte damals Ja. Ganz nach dem Motto: Legenden muss man füttern. Besonders absurde sowieso.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2012)

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